Eines der vielen Probleme, die der Flüchtlingsstrom verschärft, ist das Fehlen billigen Wohnraums. Es bestand in Wien schon bevor es die Flüchtlinge gab: Viel zu spät wurde erkannt, wie sehr die Bevölkerung wachsen würde – der soziale Wohnbau wurde eingeschränkt statt ausgebaut.
Wirklich zu lösen ist das Problem steigender Mieten nur durch mehr Wohnbau. Nachdem sie bei den jüngsten Wahlen abgestraft wurden, werden SPÖ und Grüne aber einen zweiten Weg forcieren: die „ Mietpreisbremse“. Das wird aus zwei Gründen berechtigt sein: weil der Flüchtlingsandrang eine Ausnahmesituation darstellt. Und weil städtischer Baugrund in vernünftiger Nähe zum Zentrum nicht unbegrenzt vermehrbar ist.
Fast alle Metropolen kennen daher gesetzliche Eingriffe in den freien Wohnungsmarkt. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch erfreulicherweise soeben entschieden, dass sie seinen Ansprüchen genügen müssen. Sie müssen – so hoffe ich, wird er im Anlassfall entscheiden – sinnvoll und fair sein.
Sinnvoll sind sie nur, wenn sie den Wohnungsneubau nicht behindern. Würden die Mieten in Neubauten erheblich begrenzt, so würden weniger neue Wohnungen gebaut. Aber auch die übermäßige Begrenzung der Mieten in Altbauten wird sinnwidrig, wenn sie die Bausubstanz gefährdet, den Anreiz zur Vermietung vermindert oder illegale Umgehung fördert. Was aber gebietet die Fairness = Gleichheit vor dem Gesetz?
Man kann durch Zufall Mieter einer sehr günstigen Wohnung sein, oder zufällig eine sehr teure kaufen müssen.
Es hat sie m. E. auf Wiens Wohnungsmarkt längst nicht mehr gegeben. Da gibt es immer noch die Friedenszins-Wohnungen mit ihren grotesk niedrigen Mieten ohne jede soziale Rechtfertigung. Es gibt die geförderten Genossenschaftswohnungen, die einem nicht ganz gehören, obwohl man sie erworben hat und oft Miete in der beträchtlichen Höhe der letzten Rückzahlungsrate zahlen muss. Es gibt die ebenfalls massiv geförderten „alten“ Eigentumswohnungen, die einem dennoch ganz gehören.
Und schließlich gibt es die Gemeindewohnungen, von denen die schönsten in zweiter Generation von Journalisten-Familien bewohnt werden. Denn niemand muss ausziehen, weil er mittlerweile zu den Besserverdienern zählt – und er konnte seinerzeit auch als Besserverdiener einziehen, wenn er der Gemeinde aus irgendeinem Grund nahe stand. Niemand soll mir erzählen, dass die Mieten in Wien eindeutig von der sozialen Situation des Mieters abhängen – auch wenn man der Stadt bescheinigen muss, dass sie mehr sozial Schwache als die Metropolen anderer Länder in Sozialbauwohnungen unterbringt. (Wo sie dann FPÖ wählen.)
Man kann durch Zufall (meist Erbschaft) Mieter einer sehr günstigen Wohnung sein, oder, ebenso zufällig, eine sehr teure kaufen müssen. Ich habe in einem Kommentar, der mir gleichermaßen Wut und Häme eingebracht hat, auf die Ungerechtigkeit hingewiesen, dass jemand, der 200.000 Euro für eine Neubau-Wohnung ausgibt, sie ohne Limit vermieten kann, während jemand, der wie ich den etwa gleichen Betrag für eine Altbauwohnung bezahlt, mit 6 Euro/m2 Vorlieb nehmen muss, selbst wenn sie am Kohlmarkt läge.
Wirklich verdienen kann mit Altbauwohnungen am Kohlmarkt nur, wer sie zu Neubauwohnungen macht, indem er bloß die Fassade stehen lässt und die klassische Substanz dahinter durch neuen Leichtbau ersetzt.
Ich halte all diese Unterscheidungen für sinnwidrig und unfair und plädiere daher unverdrossen für eine Mietpreisdeckelung bei 3,5 Prozent des Verkehrswertes. Das hätte folgende Vorteile: Gleich hohe Investitionen würden gleich behandelt; die „Rendite“ wäre angemessen, ohne übertrieben zu sein; Käufer und Verkäufer meldeten der Finanz korrekte Verkaufspreise, um vernünftige Mietpreise rechtfertigen zu können; und Mieten besser gelegener Wohnungen wären marktgerecht höher. (Es ist absurd und zwingt zu illegalen Ablösen, wenn sie in einem Altbau am Kohlmarkt nur um 1 Euro/m2 höher als auf der Triester Straße sein dürfen.)
Die unverzichtbaren sozialen Maßnahmen sähen in meinen Augen folgendermaßen aus: Anstatt „Gemeindewohnungen“ zu „vergeben“, in denen sich die Mieter doch immer ein wenig stigmatisiert fühlen, sollte man Miet-Zuschüsse und verbilligte Kaufkredite anbieten, die nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt sind. (Stichwort: Subjekt- statt Objektförderung). Das Errichten von Wohnungen kann man dann getrost vornehmlich – nicht ganz – der meist effizienteren Privatwirtschaft überlassen.
Zu guter Letzt ist auch City-Baugrund nicht ganz so unvermehrbar, wenn man die Bauordnung und den Denkmalschutz modifiziert und Aufstockungen und Dachausbauten erleichtert. Wien kann viel schöner und billiger verdichtet werden, als es teuer in die Breite wächst.
PS: Vor einem halben Jahr habe ich hier empfohlen, sich Benjamin Vanyek als „Kafkas Affe“ in einer Produktion des Wiener Atelier-Theaters anzuschauen. Offenbar bin ich damit nicht ganz falsch gelegen, denn er wurde für einen „Nestroy“ als bester Nachwuchsschauspieler nominiert. Das Ateliertheater allerdings steht unverändert vor dem Zusperren, wenn es nicht subventioniert oder gesponsert wird. Vielleicht ist eine „Nestroy“-Nominierung doch ein Anlass.