Satire

Auf du und du

Die vertraut-vertraulichen Chats meiner Kollegen mit der Politik haben mich ehrlich entsetzt. Denn: Ich dachte immer, ich sei der Einzige!

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Glauben Sie mir: So betroffen Sie, werter Leser, über die jüngst bekannt gewordenen Chats von zwei meiner Journalistenkollegen mit den damals noch wichtigen Herren Schmid und Strache auch sein mögen – das ist mit Sicherheit nichts gegen mein nachgerade haltloses Entsetzen. Wie meinen Sie? Wegen der lustsabbernden Anbiederung in Hoffnung auf einen regierungsamtlich beförderten Karrieresprung an die Spitze des bekanntlich durch und durch entpolitisierten ORF des einen? Und wegen der eher nur mittelfreundlichen Desavouierung von Kollegen, die seinem Chatpartner und wohl auch ihm selbst politisch eher nicht so unter die Nase standen, des anderen? Nun ja. Na ja. Eh. Auch. Na gut, ehrlich gesagt: Nein!  

Sie, geschätzte Leserin, mögen im Hinblick auf diese Enthüllungen zwar möglicherweise irgendwelche moralischen Flatulenzen verspüren – aber für mich ist nichts weniger als meine berufliche Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Ich dachte nämlich bis vor Kurzem, ich sei der einzige Journalist in Österreich, der einen derart vertrauten Umgang mit den Mächtigen im Land pflegt. 

Jetzt könnten Sie wiederum einwenden, dass es außer mir ja nur noch Rainer Nowak und Matthias Schrom waren. Also bloß zwei andere. Denn sonst ist natürlich jeder meiner Kollegen über jeden Verdacht erhaben, da lege ich sämtliche Hände ins Feuer. Niemals würde jemand von der „Krone“ auch nur ein einziges freundliches Wort mit Herbert Kickl wechseln. Ebenso undenkbar erscheint die Vorstellung, jemand von den „Niederösterreichischen Nachrichten“ könnte sich mit einem möglicherweise nicht gänzlich unpersönlichen Anliegen vertrauensvoll an Johanna Mikl-Leitner wenden. Nie und nimmer würde ein Mitarbeiter des „Falter“ auf die Idee kommen, mit Michael Ludwig zu klüngeln. Und im ORF gibt es so was natürlich sowieso schon gar nicht. 

„Unter Jörg Haider wäre ich einst beinahe stellvertretender Sport-Ressortleiter der ‚Aula‘ geworden.“

Aber selbst die unumstößliche Tatsache, dass es nur zwei waren, tröstet mich offen gestanden nur wenig. Sie wissen ja, wie das ist: Man will halt nicht der Zweitmann sein. Nennen Sie mich naiv, aber ich dachte einfach, der HC habe damals immer nur mir geschrieben, wenn er sich nach der „ZIB 24“ wieder einmal schlaflos von einer Seite auf die andere wälzte. Und ich ging davon aus, der Einzige gewesen zu sein, der sich gefreut hatte wie ein Schneekönig in einem Lokal von Martin Ho, als sich Thomas Schmid einst völlig verdient quasi selbst zum ÖBAG-Chef kürte – weil ja längst ausgemacht war, dass er danach mir dabei helfen würde, Alexander Wrabetz aufs Altenteil zu den grün-weißen Problembären in die Vorstadt abzuschieben. Ich musste ihm im Gegenzug nur versprechen, als erste Amtshandlung Armin Wolf zu „Frisch gekocht“ zu versetzen – was ich natürlich ebenso leichtherzig wie vollmundig tat. Und was hat mir das bitte genützt? 

Aber gut, andererseits muss ich bei all diesen herben Enttäuschungen auch eines einräumen: Die beiden Herren mögen mir nicht rückhaltlos treu gewesen sein – aber sie waren ehrlich gesagt auch nicht die einzigen Hüte, die ich jemals in meine Karriere-Arena geworfen habe. Und wenn man lange genug dabei ist, kommt man als wirklich kritischer Journalist schon auf eine erklecklich lange Freunderlliste. Als Jörg Haider zum Beispiel einst befand, dass in den „Redaktionsstuben“ dringend aufgeräumt gehörte, ließ ich ihm sofort ein Foto von mir und meinem Nilfisk zukommen. Daraufhin wäre ich beinahe stellvertretender Ressortleiter im Sport-Ressort der „Aula“ geworden. Aber weil der Jörg ja kaum da und flugs auch schon wieder weg war, platzte mein Traum. 

Somit wurde ich damals auf Wolfgang Schüssel zurückgeworfen, der Journalisten generell für eine niedere, nur entfernt an Menschen erinnernde Lebensform hielt, die permanent seine ungeheure Intelligenz beleidigten. Ich versuchte, mich als richtige Sau bei ihm einzuschleimen, muss allerdings einräumen, dass ich damit nicht sehr viel Erfolg hatte. Wenn einem Herbert Haupt als Vizekanzler vorgezogen wird, dann ist das durchaus ein passender Moment, sein Leben gründlich zu überdenken. Das tat ich dann auch – und warf mich Erwin Pröll an die Brust (etwas, das gerade bei dem vor mir noch nie jemand getan hatte). Als ich ihn zum ersten Mal persönlich traf, mochten wir einander gleich. Er eröffnete mit: „Herr Nikowitz! Also, ich muss Ihnen sagen: Ich find Sie ja sooo lustig!“ Und ich antwortete behände: „Herr Landeshauptmann – ich Sie auch!“ (Und jetzt kommt ein auf dieser Seite sehr seltenes Geständnis: Diese Geschichte ist wirklich passiert.) Unerklärlicherweise wurde ich nach diesem nachgerade perfekten Start unserer Beziehung dann doch nicht Chef des Landesstudios Niederösterreich. Und wenn ich so darüber nachdenke: Mit Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern und Sebastian Kurz erging es mir ähnlich. Lauter leere Kilometer. 

Das muss jetzt endlich anders werden. Und ich weiß auch schon, wie. Ich brauche dazu nur die Handynummer von Pamela Rendi-Wagner. Und viel Alkohol. Okay. Sehr viel.  

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz