Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Dankstelle

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Am Abend dieses denkwürdigen Tages war Michael Spindelegger wie immer rechtschaffen. Aber auch müde. Schließlich hatte er heute nichts weniger getan, als Geschichte zu schreiben. Leider würde das auch erst die Geschichte so richtig erkennen können. Aber ein unerschrockener Aufopferer – oder manchmal auch umgekehrt – wie Michael war lange genug im Geschäft mit der Geschichte, um zu wissen, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie war.

Also dankte er an diesem wunderschönen Abend, an dem er mit sich und der Welt so restlos im Reinen war wie das letzte Mal wahrscheinlich bei jenem Betriebsausflug des ÖAAB Niederösterreich vor weiß Gott wie vielen Jahren, als der Scheibbser Bezirkssekretärin beim Aussteigen aus der Mariazeller Schmalspurbahn der Spaghettiträger ihres Sommerkleids gerissen war, vor allem einmal sich selber.

„Super, Michl“, sagte er leise und prostete sich mit einem Achtel vom 89er-Saurüssel, den er unlängst beim Entrümpeln in der Garage gefunden hatte, selbst zu. Ja, Michael hatte sich mit dem epochalen Sparpaket, diesem Meilenstein des politischen Kunsthandwerks, so weit vorgewagt wie noch nie in seiner politischen Karriere. Oder vielleicht sogar überhaupt in seinem Leben. Und das wollte was heißen. Denn Michael war aus einem Holz geschnitzt, das heute wahrlich nicht mehr an jeder Ecke des Waldes wuchs.

Wenn er am Morgen aus der Haustüre trat und feststellen musste, dass wegen dieser einen Wolke links hinten am Horizont die Möglichkeit ausgesprochen unangenehmen Nieselregens nicht gänzlich auszuschließen war – was tat dann der Michl? Er ließ in sicherlich einem von drei Fällen den Knirps einfach zu Hause! Weil, so einer war er nämlich.

Und von genau diesem Pioniergeist, diesem unbändigen Willen, auch dorthin zu gehen, wo es wehtat, also zum Beispiel in die rustikale Schrankwandlandschaft des Wohnzimmers von Erwin Pröll, von genau dieser Verve war das Sparpaket getragen. Und wenn er alle großartigen Details dieses Standardwerks kennen würde, hätte selbst ein bekannt zurückhaltender Mann wie „Lenny, the Giant“, als Weltmeister im Zwergenwerfen an Weitblick wahrlich gewöhnt, nur mehr bewundernd sagen können: „Holy shit!“

Genau so hätte es übrigens auch Erwin Pröll formuliert, wenn er nicht den Englisch-Vorbereitungskurs für künftige Bundespräsidenten aus fundamentalem Desinteresse wieder abgebrochen hätte.

Zur selben Zeit sagte sich Werner Faymann, mit einem Waschlappen über den Augen in seinem nach höheren Sozialversicherungsbeiträgen duftenden Lieblingsschaumbad von Jean-Jacques Boulevard liegend, immer wieder jene ewig gültigen Sätze vor, die der laut Eigendefinition beste Redner des Parlaments heute bei der Debatte in den würdigen Raum geschleudert hatte: „,Bravo!‘, hat die ‚Kronen Zeitung‘ geschrieben! Und das ist wichtiger als das Urteil der Opposition!“

Ja. Bravo. Geschrieben. Und mit ohne Fehler wahrscheinlich auch noch.

Schöner als Günter Stummvoll, zwar Finanzsprecher der verfreundeten ÖVP, aber dennoch quasi der österreichische Cicero, dessen rhetorische Brillanz den schmerzlichen Verlust Catos zumindest etwas abmilderte, hätte nicht einmal Werner, der Kanzler der Schmerzen, verdeutlichen können, was in dieser Regierung der allerbesten Köpfe heutzutage schon als Grund gilt, in haltlose Feierstimmung zu geraten.

Weil, es war nun auch wirklich wurscht, ob in dieses Designerbaby von einem Sparpaket jetzt die paar Milliarden eingerechnet waren, die die Schweizer nicht hergeben würden, oder ob bald wieder ein paar Milliarden fehlen würden, weil noch ein paar Bankenrettungen anstanden, von denen nun wirklich niemand und schon gar nicht eine simple Regierung ahnen hatte können, dass sie kommen würden.

Und bitte: Wenn er eines jetzt aber schon wirklich nicht mehr hören konnte, dann das Wort „Reformen“. War er vielleicht gewählt worden, weil irgendwer in der als progressiv pragmatisierten sozialdemokratischen Bewegung von ihm Reformen wollte? Ausgerechnet von ihm? Entschuldigung schon, aber erwartete jemand eine Kampagne gegen Silikonbrüste mit Pamela Anderson als Testimonial? Oder dass Hansi Hinterseer ab jetzt nur mehr musiktheoretisch hochinteressante Stücke im 5/4-Takt sang? Ohne Playback? Und mit ­rasierten Moonboots?

Aber dieses Sparpaket war ja sowieso auch ohne Reformen schlichtweg eine Sensation. Vielleicht würden es die, die das nicht zugeben wollten, nach dem einen oder anderen Inserat, in dem ihnen gesagt wurde, dass das Sparpaket eine Sensation war, ja auch einsehen. Und wenn sie stur blieben, dann kam eben noch ein Inserat. Und noch eins. Immerhin hatte die „Krone“ ja „Bravo!“ geschrieben.

Und morgen, morgen würde die Regierung übrigens den Klimawandel stoppen. Mit der weltweit, also von Doris Bures bis Niki Berlakovich quasi alle schwer beeindruckenden Klimawandelstoppverordnung. Da würde die „Krone“ erst schauen!

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