Rainer Nikowitz: Das Boot ist voll!
Oje, jetzt ist sie bös. „Mir geht das ganz schön auf den Zeiger, wie jetzt auf den Grünen als Ganze herumgehackt wird!“, tat Ingrid Felipe auf Facebook nach der Abwahl von Peter Pilz kund. Aber noch bevor der nervtötende Silberrücken heftig mit dem öffentlichen Liebäugeln mit einer eigenen Liste begonnen hatte. Also dürfte die tiefe, weil schließlich so was von ungerechte emotionale Verletzung der neuen grünen Chefin in der Zwischenzeit noch ein Stück weiter fortgeschritten sein. Es ist ja auch wirklich ein Gfrett. Da gibt es eine Partei, die ausschließlich für das Schöne, Wahre und Gute steht – und dann weigert sich ein Haufen Leute, von denen ein Gutteil früher sogar möglicherweise selbst die Grünen gewählt hat, das einfach zu akzeptieren. Und noch schlimmer: Die sagen das sogar noch laut! Das geht aber bitteschön gar nicht, weil das wurde vom Bundeskongress nicht genehmigt. Also, um mit Anton Benya zu sprechen: Halt’s gefälligst de Goschen da unten!
Der grüne Bundeskongress ist ja, wie wir gelernt haben, die reinste Essenz der Demokratie, die es geben kann. 280 Delegierte, die sogenannte Basis, wählen einen Kandidaten für jeden einzelnen Listenplatz. So weit, so gut.
Nicht besonders demokratisch ist es hingegen, wenn Peter Pilz, der bei dieser Abstimmung durchgefallen ist, nunmehr dem gesamten Wahlvolk, also einer im Vergleich zur grünen Funktionärskaste doch etwas größeren Basis, die Möglichkeit anbietet, ihn zu wählen – oder eben nicht. Das ist dann nämlich der Rachefeldzug eines beleidigten, noch dazu alten und noch viel schlimmer weißen Uga-Uga-Mannes. Statt dass er froh und dankbar darüber ist, mit all diesen seinen parteischädigenden Eigenschaften nur abgewählt und nicht gleich ausgeschlossen worden zu sein, kommt er jetzt auch noch mit so einer bodenlosen Gemeinheit daher.
Grünes Schwarz-Weiß-Denken ist gut, denn es passiert aus den richtigen Gründen.
Und es ist nicht nur gemein, es ist auch völlig verantwortungslos. Denn Pilz wird mit seiner Kandidatur, so wird uns vorgerechnet, den Grünen schaden. Das geht auch gar nicht. Die waren nämlich zuerst da. Wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt einer eine andere grüne Partei machte, die dann vielleicht auch noch jemandem besser gefiele als die alte? Oder sie unter Umständen sogar noch überholte? Nein, nein und nochmals nein! Das Boot ist voll!
Außerdem würde Pilz, auch das schreiben uns die Bedenkenträger schon fett ins Stammbuch, das greifbar nahe Ziel der Verhinderung einer schwarz-blauen Mehrheit, auf das im Moment bloß mindestens schlappe zehn Prozent fehlen, torpedieren. Also im Alleingang das Stoppen des Rechtsrucks stoppen. Wobei, an diesem Rechtsruck sind ja viele schuld. Eigentlich alle. Bis auf die Grünen natürlich. Die lagen in den letzten Umfragen – vor dem Pilz-Exitus – bei tollen acht bis neun Prozent, würden also nach schon wieder altem Stand nur ungefähr ein Drittel der Wähler verlieren, die sie beim letzten Mal hatten. Bei der SPÖ hätte man angesichts solch fantastischer Zahlen vor etwas mehr als einem Jahr noch Plakate in die Höhe gehalten, auf denen stand: „Werner, der Kurs stimmt!“ Aber solch platte Selbstversicherungen hat man bei den Grünen nicht nötig. Die Erde ist rund, Kirschen sind rot, die Linie der Grünen ist goldrichtig. Wozu das Offensichtliche noch extra betonen?
Und wozu mit Leuten diskutieren, die wie Pilz ein Riesenbrett vor dem Kopf haben und nicht verstehen wollen, dass Religionskritik im Falle von Katholizismus fesch, progressiv, also links ist, im Falle des wesentlich fortschrittlicheren Islam hingegen schiach, reaktionär, also rechtsrechts? Die haben ja damit auch noch die Stirn, die Deutungshoheit, was links ist und was nicht, infrage zu stellen – und da fehlen einem echt die Worte. Und selbstverständlich können alle Leute, die 2015 angesichts der Migrationswelle irgendwann das Gefühl beschlichen hat, dass das möglicherweise nicht ohne gröbere Verwerfungen so weitergehen kann, das Horst-Wessel-Lied auswendig – und gendern es nicht einmal! Außerdem ziehen sie sich zu Hause gerne Springerstiefel an, sogar, wenn sie früher vielleicht selbst grün gewählt haben. Dann marschieren sie eben jetzt in der Dachwohnung in Wien-Neubau, die sie aus Gründen der Tarnung immer noch haben, damit herum, diese Häretiker!
Schwarz-Weiß-Denken ist nämlich so lange ganz formidabel, solange man es selber praktiziert. Das sagen sie bei der FPÖ zwar möglicherweise auch. Aber der entscheidende Unterschied ist: Die Grünen tun es ja aus den richtigen Gründen! Andere mögen so etwas als Engstirnigkeit denunzieren, wie Pilz das jetzt tut. Aber diejenigen, die über ein solideres moralisches Fundament und einen daraus erwachsenden übergroßen Zeigefinger verfügen, nennen es Konsequenz. Und mit derselben eisernen Konsequenz wird Ulrike Lunacek am Wahlabend stellvertretend für alle bei den Grünen dastehen und aber sicher nichts dafür gekonnt haben. Und der Kongress? Der tanzt.