Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Das Zentralorgan

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Laura hatte heute wieder urviel zu tun. Der Tag begann gleich in aller Früh mit der Sitzung der Leserbrief-Redaktion. Anwesend waren Huber, Huber, Huber und Huber. Und noch einer …, ach ja: Huber.

Es galt, die neueste Welle freier Meinungsäußerung weiter Teile der dankbaren Bevölkerung, die sich heute wieder Bahn brechen würde, ein bisschen zu koordinieren. Schließlich sollte der Werner heute den verdienten Lohn für die Lösung des Feinstaubproblems (öfter ausatmen als einatmen), die Rettung der Wale (absolutes Fangverbot im Neusiedler See) und natürlich für die Sanierung der Staatsfinanzen (keine Hacklerpension für Ungeborene) in Form möglichst vieler freudig erregter Schreiben an diverse Medien einfahren.

Über den Inhalt der Leserbriefe konnte relativ rasch Einigkeit hergestellt werden („Juchu!“), einzig bei der Form kam es zu etwas längeren Debatten. Schlussendlich gelang es Laura aber mit der ihr eigenen, seit den nächtelangen Grundsatzdiskussionen in der SJ besonders überzeugenden Überzeugungskraft, Frl. Huber dazu zu bewegen, für ihre Mails nicht ein Foto von Christina Aguilera zu verwenden.

Die neu aufgetretene Problematik, dass immer mehr Virenschutzprogramme Mails mit der Betreffzeile „Werner Faymann“ sofort in den Spam-Ordner verschoben, wurde auch kurz besprochen. Laura war klar, dass da ein spekulativer Angriff des internationalen Großkapitals dahintersteckte, das natürlich seine Zähmung durch die von Werner in Bälde weltweit eingeführte Finanztransaktionssteuer befürchtete.
Und auch das würden natürlich die Herren Huber in dem einen oder anderen Leserbrief zur Sprache bringen.

Anschließend an diese Sitzung musste Laura jene haltlos begeisterte Bürgerin aussuchen, die sich beim nächsten Pressefoyer nach dem Ministerrat die Bluse aufreißen und rufen würde: „Werner, ich will eine Millionärssteuer von dir!“ Es lag ja wohl auf der Hand, dass so ein ganz offensichtlich von Werners schierer Brillanz evozierter dramatischer Auftritt nicht nur die Vertreter der fortschrittlichen Medien, also „Krone“, „Heute“ und „Österreich“ – und, wenn Niko zum Telefon griff, auch den ORF –, nachhaltig beeindrucken würde, sondern wohl auch jene der an sich reaktionären Raiffeisen-Presse – also alle anderen.

Die Wahl fiel ihr wahrlich nicht leicht. Aber schlussendlich entschied sie sich nach langem Hin und Her für Frl. Huber. Und für die Unterwäsche von Christina Aguilera.

Nachdem das erledigt war, öffnete Laura kurz das Fenster und schrie hinaus: „Kein Fußbreit den Faschisten!“ Das brauchte sie einfach manchmal zwischendurch. Auch wegen ihrer Street Credibility. Denn obwohl sich ihr größter Wunsch seit Kindheitstagen, nämlich Apparatschik zu werden (oder, wie die offizielle Sprachregelung in der SPÖ nunmehr nicht zuletzt aufgrund ihres idealistischen Einsatzes lautete: ApparatschikIn), schon so früh in ihrem Leben erfüllt hatte und obwohl sie eh ihren Traum lebte und tagtäglich federführend an der Produktion eines erbärmlichen Politik-Surrogats mitwirken durfte: Im Herzen war sie halt einfach immer noch die volle Revoluzzerin!

Und das Schöne war ja, dass der Werner dafür jede Menge Verständnis hatte. Schließlich war er ja auch einmal jung gewesen und nicht als Bundeskanzler auf die Welt gekommen. Sondern als Konsulent der Zentralsparkasse.

Von der Facebook-Sitzung, die dann auf dem Programm stand, hatte sich Laura heute an sich besonders viel erwartet. Leider hatten nicht alle von Werners Freunden Zeit gefunden, zu kommen und die zukünftigen Strategien zu besprechen. Denn während zwar die stets verlässlichen Huber, Huber, Huber, Huber und Huber anwesend waren, schmerzte vor allem das Fehlen der an sich besonders aktiven Community-Mitglieder Foxy Lady, Denise69 und Long Dong Hundstorfer doch sehr.

Dennoch gestaltete sich die Diskussion recht lebhaft, und man einigte sich nach kaum zwei Stunden darauf, dem von so gut wie allen Usern einhellig geäußerten Wunsch nachzukommen und den „Gefällt mir“-Button deutlich zu vergrößern. Laura schrieb Werner auch sofort ein SMS mit dieser erfreulichen Message der Community. Er antwortete: „Super! Und was ist ein Button?“

Als Laura aber nach diesem langen, stressigen Arbeitstag, an dem sie die Welt wieder ein bisschen besser gemacht hatte, nach Hause kam und dann beim Studium der Abendzeitungen und diverser Kommentare im Internet feststellen musste, dass man sich stellenweise tatsächlich über ihren Werner lustig machte, wurde sie sehr traurig. Und sie entschloss sich in ihrer Verletztheit zu einer Reaktion, die in ihrer grenzenlosen Ehrlichkeit und simplen Schönheit sicherlich die Gefühle der meisten Österreicher zum Ausdruck und alle Spötter zum Schweigen bringen würde.

„Sehr geehrte Redaktion! Bundeskanzler Werner Faymann ist für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung, zu schön, zu intelligent …“ Aber bevor sie diesen Brief noch mit „Laura Huber“ unterschreiben konnte, schlief sie erschöpft ein.

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