Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Der Preis ist heiß

Natürlich weiß nur die SPÖ, was zu tun ist, damit die Inflation ihren Schrecken verliert. Das beweist sie vor allem in Wien.

Drucken

Schriftgröße

Pamela Rendi-Wagner schaute, wenn schon nicht wie ein Autobus – das konnte nämlich Gewerkschaftsboss Wolfgang „Hoffa“ Katzian viel besser –, so doch zumindest wie ein mittelschwer indigniertes Rehlein. Das hatte ja wiederum sie drauf wie keine Zweite. Und einen dermaßen guten Grund dazu wie heute hatte sie seit ihrem legendären 75-Prozent-Erdrutschsieg beim SP-Parteitag vor einem Jahr nicht mehr. 

Dabei war doch bis vor Kurzem noch alles nachgerade blendend gelaufen! Spätestens seit Pamelas zu Recht von allen innerhalb der Partei – und darüber  hinaus auch noch von allen innerhalb der Partei – so frenetisch gefeierten Rede zur Lage der Nation, bei der sicherlich allen zwischen Attnang und Puchheim endgültig sonnenklar geworden war, dass die nächste Kanzlerin nur eine sein konnte, war es ihr gelungen, die Regierung mit ihren klugen und vor allem stets pipileicht umsetzbaren Forderungen vor sich herzutreiben; wiederholt hatte sie ebenso eindrucksvoll wie ultimativ darauf gepocht, dass alle Folgen der Teuerungswelle von der Regierung selbstverständlich abzufangen und finanziell abzugelten seien. Würde man Pamelas Pläne sofort umsetzen, würden die armen Menschen hierzulande nicht nur nicht mehr zahlen müssen – nein, sie würden sogar noch was verdienen! Spritpreis runter! Mieterhöhung aussetzen! Energiekonzerne mit Sondersteuern zur Kassa bitten und den Erlös mit der Gießkanne über das ausgedörrte Land verteilen! Das einzig sozial Kalte an Pamelas so zwingendem Politikentwurf des aus der Krise Hinausinvestierens war das Gratisvanilleeis für alle. So schön ausgedacht das alles, so flott gefordert, so überzeugend begründet, so bedacht gegenfinanziert.
Und jetzt das.

Gerade noch gegen nahe soziale Kälte. Und plötzlich für Fernwärme.

Noch am 1. Mai hatte Michael Ludwig mit einer für ihn so typischen großzügigen Geste am Rathausplatz den großen roten Schutzschirm über sie gehalten, als plötzlich die Realität über Pamela hereinzutröpfeln drohte. Wie er sie überhaupt noch nie im Regen stehen hatte lassen. Den pannonischen Schilfbürger, der ernsthaft dachte, er könne es besser als Pamela, hatte er stets in die Schranken gewiesen. Nie hatte er selbst Ambitionen gezeigt, den Posten des heimlichen Bundesparteichefs gegen den des unheimlichen einzutauschen – wobei das andererseits ja auch jahrzehntelang geübte Wiener Bürgermeisterpraxis war. Wenn es einen Fels gab, auf den Pamela ihre Kirche …, okay, ihre Kapelle, na gut, ihr Marterl bauen konnte, dann ihn.

Hatte sie zumindest bis gestern gedacht. Denn jetzt, da Pamela so unmissverständlich klar gemacht hatte, dass die SPÖ und nur die SPÖ die Partei der Preisstabilität, der Kaufkrafterhaltung, des niemals auch nur stagnierenden Wohlstands war – da erhöhte die Fernwärme Wien auf einmal auch ihre Preise! Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die Klassenfeinde. Dass die Erhöhung mit 92 Prozent ohnehin sehr moderat ausfiel und sich ja auch vorher über die Erhöhung der Mieten in der Sozial-WG Wiener Wohnen niemand beschwert hatte – das fiel bei der ganzen Skandalisierung natürlich völlig unter den Tisch! Auf einmal stand die SPÖ da wie eine Maulheldenpartie, die zwar aus der Opposition heraus ganz genau wusste, was zu geschehen hatte – aber dort, wo sie selbst Verantwortung trug genauso den üblen Marktmechanismen gehorchte wie diese ganzen moralisch minderwertigen neoliberalen Ausbeuter mit ihren gewissenlosen grünen Sekundanten. Da half es auch nicht mehr, dass Ludwig nach einer von leichter Verständnislosigkeit geprägten Schrecksekunde eine Einmalzahlung in der Höhe von 200 Euro als Trostpflaster in Aussicht stellte – der Schaden war schon angerichtet.

So konnte Pamela nicht arbeiten. Wie sollte sie eine vernünftige, vollmundige Ankündigungspolitik betreiben, wenn ihr wichtigster Vertrauter dermaßen ausließ? Wie weiter Forderungen stellen, die nicht einmal er erfüllen konnte? Und wie sollte sie so die lichten Höhen halten, in die sie die SPÖ umfragemäßig geführt hatte? Lichte Höhen, von denen die üblichen Beckmesser ohnehin behaupteten, dass sie erstens so licht gar nicht waren und sich zweitens keineswegs durch rote Bärenstärke, sondern einzig durch die unterirdische Performance der ÖVP ergeben hätten. 

Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte: Nach dem Wiener Fernwärme-GAU war klar, dass sich die Partei vom Ballast befreien und auf ihre wirklichen Stärken konzentrieren musste. Und warum sollte man diesbezüglich nicht Anleihen bei der zumindest einstmals erfolgreichen Konkurrenz nehmen? Also würde Pamela heute zweierlei tun: Zuerst fordern, die im Herbst anstehenden Pensionserhöhungen auf jetzt sofort vorzuziehen. Am besten auch gleich jene der Jahre 2023 bis 2027. Und am Abend würde sie den Gremien vorschlagen, die Partei in „SPÖ – Liste Pamela Rendi-Wagner“ umzubenennen. Was Sebastian Kurz gekonnt hatte, konnte sie schließlich schon lang. Und dann würde ihr der Sieg nicht mehr zu nehmen sein. Hemmschuh Ludwig hin oder her. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz