Satire

Der Zolltroll

Bald geht Trump bis zum Äußersten: 927 Prozent Zoll auf Peking-Enten und Glückskekse! Wer nicht hören will, muss eben fühlen.

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Wenn Sie diese, sicherlich gleich nach ihrer Ersinnung und Hintippung schon wieder wahnsinnig schlecht gealterten, Zeilen lesen, dürften die US-Zölle für von dem Trump-Berater und zukünftigen Wirtschaftsnobelpreisträger Peter Navarro als absolute chinesische Schlüsselprodukte identifizierte Dinge wie Peking-Enten oder Glückskekse bereits bei ungefähr 927 Prozent liegen. Der Redaktionsschluss und die viertelstündlich aktualisierten langfristigen weltwirtschaftspolitischen Entscheidungen von Donald Trump wie auch Xi Jinping sind ja im Moment nicht die besten Freunde. Und die großartigsten in diesem nun wahrlich beeindruckenden Wettstreit der guten Ideen sind sicherlich noch längst nicht ausgetauscht, da wird noch sehr viel Schönes auf uns zukommen.

Aber es ist eben leider alles wahnsinnig schwer vorherzusagen, selbst für geübte Trump-Exegeten. Dennoch wird die Trump-Exegese als solche bei uns im Qualitätsjournalismus klarerweise immer wichtiger. Sie ist sogar meist schon ein eigenes Ressort geworden – allerdings nicht nur, weil einem aufgrund des dramatisch anschwellenden Bedarfs ja gar nichts anderes übrig bleibt. Sondern zugegebenermaßen auch, weil man mit den überschüssigen Arbeitskräften in den aufgrund der Entwicklung der Menschheit künftig weitgehend verzichtbaren Ressorts wie Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur oder Satire ja irgendwas anfangen muss. Wir haben halt leider keinen verhaltenskreativen Zillionär, der da mit seiner Hooligan-Studententruppe einmal ordentlich klar Schiff macht. Aber wird schon noch werden.

Nach wie vor liegt das wichtigste Augenmerk der Trump-Exegese nachvollziehbarerweise auf der Grundlagenforschung. Den breitesten Raum nimmt immer noch die Befassung mit zwei zentralen Fragen ein, die sich nach jeder neuen Trump-Wortmeldung aufdrängen. Nämlich: „Was heißt das?“ Gefolgt von: „Was soll das heißen?“

Vielleicht versucht sich der beste Dealmaker zwischen Mar und a-Lago für den nächsten klugen Zollschritt in direkter Demokratie und lässt einfach seine wirtschaftlich sattelfesten Follower auf Truth Social die Tariffs für diese gelben Bauern in Peking mittels Likes festlegen.

Aber selbst wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat und über diese beiden ersten Hürden drüber ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sich irgendwelche Schlüsse ziehen lassen. Und zwar zugegebenermaßen nicht erst, seit der selbst ernannte König der Welt direkt vor den Augen ebendieser den mit Sicherheit größten Börsenbetrug aller Zeiten abgezogen hat. Einen gigantischen Diebstahl, begangen von einem völlig überzeichneten, aber dennoch realen Bond-Bösewicht, einem Dr. No, den aber keiner jagen kann – und der sich auch noch damit brüstet. Wobei: Auch ob diese Nummer geplant war oder ihm und seinen Schranzen nur als kollaterale Zuverdienstmöglichkeit passiert ist, weil sie tatsächlich keine Ahnung hatten, was ihre Zölle alles auslösen würden und deshalb zurückrudern mussten – wer wollte das wiederum mit Sicherheit sagen?

Also vielleicht geht die Zollgeschichte ja irgendwie so weiter, kein Blick in die Glaskugel kann mittlerweile abwegig genug sein. Vielleicht versucht sich der beste Dealmaker zwischen Mar und a-Lago für den nächsten klugen Zollschritt in direkter Demokratie und lässt einfach seine wirtschaftlich sattelfesten Follower auf Truth Social die Tariffs für diese gelben Bauern in Peking mittels Likes festlegen. Könnte leicht sein, dass da dann die harte Hand aus dem Hinterland ordentlich zulangt, die hat ja ein untrügliches Gespür für Fairness.

Dann muss natürlich wiederum der beste Mensch von Sezuan im Gegenschlag sein Gesicht wahren, das keiner sehen will. Und also seine Zölle hinaufschnalzen, vielleicht diesmal ebenso stark, wie die Zahl seiner permanent um Taiwan kreisenden Kriegsschiffe, das wäre doch einmal eine originelle Antwort. Gerade die chinesische Diplomatie liebt doch solche wahnsinnig subtilen Zeichen.

Oder vielleicht gibt es ja auch in Bälde eine 30-Tage-Pause von Donalds gerade frisch ersonnener (bzw. von langer Hand geplanter, je nachdem, wen man fragt) 90-Tage-Zollpause für alle anderen Länder außer China, die dann ihrerseits wiederum von einer 40-Tage-Pause von der Pause für die Pause abgelöst wird – aber nur so lange, bis Trump nicht beim Stehen unter einem stolzen amerikanischen Duschstrahl, den er von allen woken Restriktionen befreit hat, einfällt, dass er doch überhaupt nie irgendeine Zollpause verhängt hat, davon hat doch nie jemand gesprochen, you are fake news!

Aber vielleicht reden wir nächste Woche ja auch schon wieder über etwas ganz anderes. Ziemlich sicher sogar – weil wir das bisher fast jede Woche getan haben. Die einzige Konstante ist: Wir reden jedenfalls über ihn.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz