Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Einer dieser Tage

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Selbst wenn HC des Deutschen deutlich mächtiger gewesen wäre, als er täglich unter Beweis stellte, hätten ihm die Worte gefehlt, um die unglaubliche Härte seines zum Glück gerade endgültig im Vergehen begriffenen Tages auch nur annähernd adäquat zu beschreiben. Zum Beispiel jetzt gerade: Da mühte er sich seit eineinhalb Stunden ab, bei seinem Computerspiel ein neues Highscore aufzustellen – also an der Ostfront so viele Russen zu pulverisieren, dass zumindest in seiner kleinen, virtuellen Welt die Richtigen den Krieg gewinnen würden –, aber immer kam ihm in letzter Minute eine feige versteckte Stalinorgel in die Quere.
Das haute einem natürlich jegliche Entspannung zu­sammen.

Es hatte ja schon in der Früh angefangen. Nach dem Power-Training im Fitnesscenter, das so anstrengend gewesen war, dass er in der gerade laufenden 9-Uhr-„ZiB“ die genaue Summe der Abfertigungen nicht verstand, die sich die von Wien und Niederösterreich streng nach Qualifikation ausgewählten Flughafenmanager für ihre außerordentlichen Leistungen beim Skylink-Bau Cent für Cent verdient hatten, ging er in die Sauna – nicht zuletzt, weil es ihm natürlich nicht entgangen war, dass diese stilsichere Blondine mit den zweifarbigen Fingernägeln und einem gerüttelt Maß von Silikon an den richtigen Flecken den Stepper verlassen und sich möglicherweise auch dorthin begeben hatte. Und, was sollte man sagen: Sie war da! Aber: Sie hatte ein Handtuch um.

Leicht missgestimmt durch diesen herben Rückschlag, suchte Strache gegen elf Uhr sein Stammcafé auf, um dort zu frühstücken. Aber auch dort wurde ihm mit aller Vehemenz verdeutlicht, dass das Leben eines Oppositionsführers nun einmal kein Ponyhof war.

Dass sich sein Latte nach einer ungeschickten Handbewegung der migrantischen Kellnerin – gut, es war wenigstens eine Serbin – über die Zeitung ergoss, in der er mit dem Interview noch nicht fertig war, in dem Rudolf Hundstorfer erklärte, warum die Hacklerfrühpension für vom jahrzehntelangen Sitzen vollkommen verschlissene Beamte ein Akt höherer sozialer Gerechtigkeit war, an dem man die nächsten 50 Jahre nicht rütteln dürfe, hätte er ja noch verkraftet. Wenigstens konnte er ja der nächsten Seite noch entnehmen, dass der Bundeskanzler die Debatte um eine Budgetentlastung per Verwaltungsreform und Strukturänderungen für beendet erklärte, weil er erstens sehr für Struktur sei und zweitens ... so halt.

Als HC aber feststellen musste, dass seine Eggs Benedict maximal ordinäre Weicheier waren und Harald Vilimsky ein weitaus größerer Wildfang als der traurige Lachsersatz auf seinem Teller, war das Frühstück gelaufen. Strache wies seinen Chauffeur an, ihn ins Büro zu bringen. Nun hätte man zwar kaum einen ideologiefesteren Lenkraddreher als ihn finden können, aber leider war der brave Mann nicht nur ein Fan von Brunner, sondern auch von Brunner und Brunner. Also hatte er Radio Niederösterreich aufgedreht, und es lief gerade die tägliche Ansprache des Landeshauptmanns. Er erklärte, dass es nie wieder schlechte PISA-Ergebnisse geben würde, wenn er alle Lehrer im Land unter Kontrolle hätte – denn schließlich würde der Test dann nur das Absingen von „Erwin, Erwin“-Ge­sängen umfassen, und man könne sich aber absolut sicher sein, dass die Pamperletschen das fehlerfrei beherrschen würden.

Danach kamen dann Brunner und Brunner. Strache fühlte langsam ein nagendes Burn-out-Syndrom in ihm aufsteigen.

Entkräftet verwarf er den Plan mit dem Büro und ließ sich auf die Bude seiner Burschenschaft bringen. Bei seinen Vandalen erholte er sich gern einmal zwischendurch, wenn er, anders als zum Beispiel Doris Bures, kein Licht am Ende des Koralmtunnels sah. Auf der Bude waren die Freunde zum Glück gerade dabei, eine Mensur zu fechten. Allein, HC merkte bald, dass er sich auch daran nicht wirklich delektieren konnte, weil ihn Harald Kickl ständig per SMS quälte. „Rudas dementiert, Niko Pelinka zum Informationsintendanten und Brigitte Kulovits-Rupp zu Vera Russwurm machen zu wollen. Sie schwört, dass das Wrabetz ganz allein eingefallen ist.“

Da freute einen ja das ganze spritzende Wiener Blut nicht mehr. Als er dann später zur Happy Hour in seinem coolen Stammclub vorbeischaute, hatte er kaum noch die Hoffnung, dass das seinen Tag retten würde. Und tatsächlich: Die einzige Frau unter 22, die da war, würdigte ihn keines Blicks. HC ging bald wieder, gesenkten Blicks. So tief gesenkt, dass er das ÖVP-Plakat, auf dem stand „Wir sparen! Aber nur, wo es leicht geht!“, gar nicht bemerkte.

Und jetzt lag er auf seiner Couch und starrte leer auf das „Game over“ am Bildschirm. Er beschloss, morgen gar nicht erst aufzustehen. Sein Smartphone piepste. Noch eine SMS von Kickl: „Neue Umfrage. Wir haben wieder ein Prozent mehr!“ HC lächelte versonnen. Klar, er war am Ende dieses langen Tages völlig erledigt. Aber irgendwie lohnte sich die ganze Schinderei ja doch.

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