Rainer Nikowitz: Esspunkte
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitesser!
Zehn Jahre! Seit zehn Jahren stehe ich jetzt schon hier und kann nicht anders. Und ich geb mir immer Mühe, Sie so gut ich kann zu vergraulen. Aber wenn ich so in die Runde blicke, komme ich leider nicht umhin, zu konstatieren: Ich habe versagt. Weil: Sie sind ja schon wieder da!
Früher einmal, sehr viel früher, als wir alle noch wilde Hunde und angehende Rockstars waren – gut, vielleicht nicht alle, aber außer mir jedenfalls noch Werner Amon … Was gibt es da zu lachen? Entschuldigung, der Mann war immerhin Obmann der Jungen ÖVP. Und das ungefähr 30 Jahre lang. Kulturminister Thomas Drozda hat ihn schon damals einmal auf der Bühne erlebt und gesagt: „Das war eine Sternstunde!“ Wenn mich nicht alles täuscht, war Alex Wrabetz auch dabei.
Jedenfalls, als wir noch angehende Rockstars waren, wurde angesichts hartnäckiger Gäste, die nicht und nicht nach Hause gehen wollten, mitunter die Devise ausgegeben: „Jetzt spiel ma die Hüttn leer!“ Und dann hat man sich eben bemüht, so zu klingen, dass man dieses Ziel auch erreicht.
Werner Amon macht das ja immer noch. Jetzt halt im Parlament. Und ich eben hier, wenn auch etwas anders. Ich reiße Witze auf Ihre Kosten. Das sollte normalerweise nicht ohne Folgen bleiben. Aber was muss ich sehen? Fünf Minister! Nur der Bundeskanzler hat kurzfristig abgesagt – aber das wird ihm auch nichts nützen. Dazu ein Klubobmann, ein Stadtrat, ein AK-Präsident, ein ORF-General, Museumsdirektoren, Wirtschaftsbosse und und und. Muss ich das persönlich nehmen?
Nein, wahrscheinlich eh nicht. Dass Sie alle gekommen sind, liegt sicherlich nicht am Hofnarren – sondern am Gastgeber. Gegen Christian Rainers Liebreiz und Charme komme ich einfach nicht an, da helfen die bösesten Witze nichts.
Ich hab’s ja überhaupt nicht so leicht, wie Sie vielleicht glauben. Vor einigen Wochen hat unsere Chefsekretärin per Rundmail gefragt, wer denn aus der Redaktion zum Dinner käme. Ich hab geantwortet: „Ich komm nicht. Die Rede hält heuer Roland Düringer.“ Das wurde Christian weitergeleitet, woraufhin der fragte: „Ist das ein Scherz?“ Antwort Chefsekretärin: „Na klar, was sonst?“ Und darauf Christian: „Schade.“
Sparen ist ja auch bei uns das Gebot der Stunde. Und ich gebe zu, ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass Pirker jetzt 56 Prozent von mir gehören.
Na, du Lauser! Hast geglaubt, ich erfahr das nicht, was? Aber ich steh da eh drüber. Und ich lass mich jetzt auch sicher nicht zu einer billige Retourkutsche hinreißen.
Noch dazu, wo sich Christian heute so freut, weil Sie alle da sind. Sonst hat er ja keine Freunde. Und man muss natürlich auch sehen, dass er in der Zeit, die er hier mit Ihnen verbringt, nichts anderes machen kann. Also zum Beispiel in der Krachledernen vor einem Ferrari posieren. Ein Interview für „Woman“ geben. Leitartikel schreiben. Solche Sachen halt.
Horst Pirker, der neue Mehrheitseigentümer unserer Verlagsgruppe, freut sich sicher auch über die Prominenz dieser Runde. Obzwar ihn möglicherweise im Stillen der Gedanke quält: „Was das wieder kostet! Die essen alle so viel!“
Sparen ist ja auch bei uns das Gebot der Stunde. Und ich gebe zu, ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass Pirker jetzt 56 Prozent von mir gehören. Nicht zuletzt auch, weil er noch nicht gesagt hat, welche Hälfte er will. Und welche ich mir in Zukunft sparen kann. Gut, wer weiß: Vielleicht kann ich mir nach dieser Rede ja auch gleich beide sparen.
Nun, wenigstens hilft bei diesem Dinner der Bundeskanzler beim Sparen. Wobei, das hat Christian Kern hier schon öfter gemacht, er war noch als ÖBB-Chef einige Male hier zu Gast. Aber: Er ist immer schon vor dem Essen wieder gegangen wäre. Na ja, klar: Von nix kummt nix.
In diese Anzüge muss man erst einmal hineinpassen. Auf der anderen Seite ist das eigentlich ein klarer Fall von persönlicher Austeritätspolitik. Ich weiß ja nicht, ob ich mich das an seiner Stelle trauen würde. So ganz ohne Mitgliederbefragung.
Wenn er da wäre, dann hätte ihm AK-Präsident Rudi Kaske vorher sicherlich noch einmal ins Ohr geflüstert: „Wir müssen uns aus der Krise herausessen!“ Und bei der Planung des Dinners wurde sogar noch extra darauf geachtet, dass der Lachs garantiert nicht aus Kanada kommt. Sonst wäre ja der nächste Gewissenskonflikt vorprogrammiert gewesen.
Sie merken schon, ich bin ein bisschen verstimmt, weil Christian Kern vor ein paar Stunden abgesagt hat. Ich betrachte das als Geschäftsschädigung. So eine Rede schreibt sich schließlich nicht so schnell wie ein Gastkommentar in der „FAZ“.
Und es wär ja auch deshalb so schön gewesen, weil wir erst ein Mal zuvor einen amtierenden Bundeskanzler und seinen Herausforderer gemeinsam hier hatten. Also, damals war das der Vizekanzler – und Sie werden jetzt mit Recht einwenden, dass der heute nicht unter uns weilt. Es gibt ja schon länger eine Debatte darüber, innerhalb der ÖVP und auch in quasi allen Medien, dass man im Hinblick auf die nächste Nationalratswahl, wann auch immer die sein wird, Reinhold Mitterlehner schon jetzt relativ uncharmant von der Kanzlerkandidatenliste streicht. Und dazu muss ich jetzt wirklich ein für alle Mal und in aller Deutlichkeit eines sagen: Jo eh.
Deswegen ist Sebastian Kurz aber heute sicher nicht gekommen, er war schließlich auch schon öfter bei uns zu Gast. Ich glaube sogar, beim ersten Mal war er nicht einmal noch Staatssekretär, sondern noch einfach so bei der Wiener ÖVP. Also dort, wo jetzt Gernot Blümel seine Jugend vergeudet.
Eines der erstaunlichsten Details an der steilen Karriere des Außenministers tut sich ja auf, wenn man daran zurückdenkt, wer ihn quasi entdeckt hat: Michael Spindelegger.
Übrigens, Herr Blümel, ich hab da einen Tipp für Sie. Bevor man eine Presseaussendung rauspfeffert – lieber einmal zu viel statt zu wenig drüberlesen. Weil die von heute, ich weiß nicht so recht. Und nicht, dass Sie glauben, ich hätte das jetzt erfunden. Gernot Blümel hat heute Mittag, trunken von der Budgetrede des Finanzministers, eine Meldung über die APA verschickt. Sie trug den Titel: „Blümel: Wir wollen schwarze Null auch in Wien!“
Aber zurück zu Sebastian Kurz. Eines der erstaunlichsten Details an der steilen Karriere des Außenministers tut sich ja auf, wenn man daran zurückdenkt, wer ihn quasi entdeckt hat: Michael Spindelegger. Also ausgerechnet jener Mann, der immer von einer Schar von Feldmäusen verfolgt wurde, weil sich die auch einmal im Leben bunt fühlen wollten. Und der holt Kurz aus der Wiener ÖVP hervor. Also nicht einmal von hinter dem Ofen – sondern von hinter dem Komma!
Und heute? Heute ist Kurz nur noch ein oder zwei deutsche Talkshows davon entfernt, dass ihn die Piefke vor lauter haltloser Begeisterung darüber, wen er aller nicht einreisen lassen will, nicht mehr ausreisen lassen.
Der Kanzler und der Vizekanzler, die ich vorher erwähnt habe, waren übrigens Alfred Gusenbauer und Wilhelm Molterer. An sich ist der Abend damals eigentlich so weit recht friedlich verlaufen. Und ich glaube sogar, dass Molterer damals bei uns eine seiner besten Ideen überhaupt hatte. Es war schon ziemlich spät, Gusenbauer war gut drauf, weil erstens hat keiner gesudert und zweitens hat es Wein gegeben. Und er hat auch dem Molterer dauernd nachgeschenkt, obwohl der eigentlich nichts mehr wollte. Und irgendwann greift Gusenbauer wieder zur Flasche, schwenkt sie in Richtung von Molterers Glas – und auf einmal sagt der scharf: „Es reicht!!!“
Wissen Sie eigentlich, was man in Waidhofen an der Ybbs in der Kartenrunde von Innenminister Wolfgang Sobotka keinesfalls mehr sagen darf?
Ja, da streift einen der Atem der Geschichte …
Ähnliches wäre heute aber nicht zu befürchten gewesen. Wie Sie ja sicher wissen, haben sich Kern und Kurz unlängst in New York getroffen. Zufällig. Es war sehr harmonisch, man scherzte sogar, dass man im Central Park Tandem fahren gehen könne. Und auf die Frage, wer denn da vorne sitzen solle, hat Kurz gemeint: „Selbstverständlich der Bundeskanzler!“
Da hat man sich natürlich wieder einmal gedacht: Was für ein höflicher junger Mann! Der weiß, was sich gehört. Ich gebe jedoch zu bedenken: Wenn am Tandem der vorne nicht strampelt, sieht es der hinten. Umgekehrt hingegen …
Aber reden wir nicht mehr über eine noch virtuelle Nationalratswahl, vorher steht ja noch eine andere an. In wenigen Wochen fällt ja die Entscheidung, wer neuer Bundespräsident wird. Also, mittlerweile muss man ja dazusagen: Vielleicht.
Wissen Sie eigentlich, was man in Waidhofen an der Ybbs in der Kartenrunde von Innenminister Wolfgang Sobotka keinesfalls mehr sagen darf? Also, ich meine jetzt außer dem wirklich schiachen Wort „Wohnbaudarlehen“. Das sagt dort sowieso keiner, weil das hat ja mit Spielen überhaupt nichts zu tun. Obwohl … na, egal.
Aber wirklich strengstens verboten ist: „Was liegt, des pickt!“
Wir haben ja die beiden Bundespräsidentschaftskandidaten nicht eingeladen. Den einen nicht, weil er sich gerade quer durch Österreich von Goldhaubenumzug zu Mostkirtag und von Sliwowitz-Stamperl zu Zwiebelschmalzbrot hantelt, also vor lauter Heimatverbundenheit sowieso keine Zeit gehabt hätte. Und den anderen nicht, weil er der ist, der er ist.
Dennoch wirft diese Wahl offenbar auch ihre Schatten auf unser Dinner. Eva Glawischnig wollte an sich kommen, hat aber auch kurzfristig abgesagt. Zuerst hab ich befürchtet, dass das aufgrund eines schrecklichen Irrtums passiert ist. Gestern war ja Equal Pay Day, das heißt Glawischnig verdient jetzt den Rest des Jahres nichts mehr. Und vielleicht hat sie gedacht, sie muss das Essen bezahlen.
Aber wahrscheinlich war es was anderes. Alexander Van der Bellen bemüht sich ja, in diesem Wahlkampf stets einen kleinen Sicherheitsabstand zwischen sich und seinen Grünen zu lassen. Und zwar ungefähr in etwa in der Breite des Amazonas knapp vor der Mündung. Und er hat seine alte Partei wohl auch gebeten, ihm nicht zu schaden, stimmt doch Herr Kogler, oder?
Also hat Van der Bellen wahrscheinlich zu Glawischnig gesagt: „Eva, du darfst von mir aus bis zur Wahl überall hingehen, wo du willst. Nur nicht unter Leute.“
Nun ja, beim nächsten profil-Dinner in einem Jahr wissen wir dann schon, wer’s geworden ist. Also, vielleicht.
Und falls sich hier manche angesichts des möglichen Siegers Sorgen machen, möchte ich den zumindest schwachen Trost anbieten, dass es immer noch schlimmer sein könnte.
Wir könnten auch Amerikaner sein. Und unser möglicher nächster Präsident ein orangefarbener Herr mit einem auf den Kopf getackerten Flokati, den Umgangsformen eines verstopften Kanalrohrs und den Ansichten eines von Stephen King erfundenen Clowns.
Und dazu, wie auch zum weiteren Verlauf des heutigen Abends, passt wundersamerweise derselbe Satz: No, Mahlzeit!