Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Happy Lockdown!

Es kommt immer drauf an, was man draus macht: Richtig eingesperrt sein mit unseren Role Models aus der Politik!

Drucken

Schriftgröße

Vereinzelt wird jetzt doch leise Kritik an der Corona-Politik der Regierung und mancher mit ihr freundschaftlich verbundener Landeshauptleute geäußert. Das ist ein wenig ungerecht. Denn die Pandemie ist für Geimpfte ja tatsächlich vorbei – wenn man, wie Ihnen nun wirklich jeder Experte bestätigen wird, die Impfung nicht nur alle paar Monate auffrischt, sondern eben auch regelmäßig mit einem Lockdown kombiniert. Die Statistik beweist: Geimpfte, die allein zu Hause sitzen, tragen zum Infektionsgeschehen so gut wie nichts bei. Sie kommen nur zu 0,007 Prozent auf die Intensivstation. Größere Sicherheit kann man von einer gesundheitspolitischen Maßnahme eigentlich nicht erwarten. 

Nun ist aber Dank bekanntlich keine politische Kategorie. Und das Publikum ist halt leider auch ein wenig verwöhnt und findet die mittlerweile turnusmäßige Vollbremsung des gesamtgesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Lebens mitunter leicht lästig. Allerdings verkennt es dabei völlig die Chancen, die diesen Phasen des Innehaltens, des Atemholens innewohnen. Man kann nämlich auch sehr viel Gutes daraus ziehen, Hausarrest zu haben! Und das werden Ihnen nicht nur Menschen bestätigen, die durch die elektronische Fußfessel dem Gefängnis entgangen sind. Nein, nicht zuletzt sind es die Architekten des heimischen Corona-Wunders, die uns vorzeigen, wie man richtig und gewinnbringend lockdownt. 

Bundeskanzler Schallenberg etwa hat jetzt endlich die Muße, auf eine alte Leidenschaft aus seiner Gymnasialzeit zurückzukommen: das experimentelle Theater. Er bearbeitet gerade „Der eingebildete Kranke“. Menschen, die vergangene Woche bei den Proben anwesend waren, kamen aus dem Staunen nicht heraus. Der Theaterkritiker des angesehenen Online-Mediums exxpress.at lobte allerdings vor allem den Souffleur, dessen Rollengestaltung „auf den Schwingen der Unschuldsvermutung hin zur Resilienz eines modernen Lazarus“ schon jetzt an ganz große Momente der darstellerischen Kunst erinnere. Dies ist umso erstaunlicher, als sich der Souffleur neben seiner Theaterarbeit auch noch seinem Fernstudium der Winkelschreiberei widmen muss – und selbst für einen Sebastian Kurz hat ja der Tag nur 24 Stunden.

Dass man auch richtig viel Spaß haben kann, wenn man den Klassiker „Trivial Pursuit“ online über Landesgrenzen hinweg spielt, beweisen Thomas Stelzer und Wilfried Haslauer. Die beiden halten mittlerweile den Weltrekord für die längste Partie, haben sie die ihre doch schon im allerersten Lockdown vor eineinhalb Jahren begonnen. Es hat sich ein wahrhaft zäher Titanenkampf daraus entwickelt, und es ist immer noch nicht absehbar, wer am Ende obsiegen wird, fehlt doch beiden Kombattanten genau dasselbe Stück zum Glück: das gefürchtete grüne Eckerl! Hinter dem sich – und das kommt jetzt vielleicht nicht gänzlich unerwartet – das Gebiet „Wissenschaft“ verbirgt. Gespickt mit gemeinen Fangfragen und teuflischen Fallstricken! Aber das macht ja den Spaß erst aus. Und die Hauptsache ist  ohnehin, dass man etwas dabei lernt. Salzburgs Landeshauptmann etwa weiß jetzt mit ziemlicher Sicherheit, dass die Silbe „ex“ vor „ponenziell“ eher selten bedeutet, dass etwas vorbei ist. Aber das ist nur der Anfang, schließlich kann er sich in den kommenden Wochen ja wieder vermehrt dem Spiel widmen – und nicht dauernd nur der doch recht anstrengenden Politik. 

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger wiederum lädt auf einer Internetplattform, die ähnlich beeindruckend aus dem Boden gestampft wurde wie „Kaufhaus Österreich“, zu „Ellis Hüttengaudi“, einem virtuellen Einkehrschwung in einen Winter, wie er durchaus sein hätte können. In ihrer Bauernstube reicht sie Jagatee aus dem Tetrapack und Germknödel aus der Mikrowelle, wechselnde Gäste wie die Adlerrunde oder Hans Knauß tanzen in Skischuhen zu DJ Ötzi, es ist – wenn schon nicht einträglich – so doch wenigstens wahnsinnig gemütlich!

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein versucht sich jetzt einmal in der Pantomime ohne Publikum, mit kennt er sie ja schon. Aber so ist die introspektive Erfahrung sicher noch intensiver. Parteifreund Werner Kogler hingegen widmet sich der Handarbeit, genauer gesagt dem schönen alten Handwerk des Webens. Die Personaldecke der Grünen, an der er arbeitet, wird immer dicker. Er hatte aber auch Hilfe, nicht nur von Mückstein, sondern auch von Rudolf Anschober, Ulrike Lunacek oder Birgit Hebein, das muss man fairerweise sagen. 

Und Herbert Kickl schließlich, dessen ebenso intellektuell aufrichtiger wie moralisch höchststehender Beitrag zum Gemeinwohl niemals wieder vergessen werden sollte, kann jetzt endlich sein Fernstudium der gesamten Heilkünste an der renommierten Universität von Tegucigalpa abschließen. Es gibt schließlich so viele Leute auf den Intensivstationen, die auf richtige Hilfe warten. Da kann einer wie Herbert doch nicht tatenlos zusehen. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz