Satire

Herbert I.

Eigentlich verhandeln wir gar nicht mehr über die Dritte Republik, sondern schon über eine noch fortschrittlichere Staatsform.

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Herbert, der zukünftig I., stand an diesem entscheidenden Wintermorgen vor dem Fenster und sah hinaus auf sein Land. Und er sah, dass es gut werden würde. Wenn es denn erst einmal so richtig seines wäre. Ganz. Mit Haut und Haaren.

Er hatte es gleich gewusst. Sofort in dem Moment, in dem die Verhandlungen der lächerlichen antifaschistischen Triade gescheitert waren. Mit einem Mal ging es in diesem historischen Moment, in dem die Unfähigkeit aller anderen ihm tatsächlich die Schlüssel zur Republik auf den Tisch gelegt hatte, nicht mehr bloß um die Teilhabe an der Macht. Nein. Jetzt ging es gleich um das große Ganze. Und: Er würde es bekommen. Entweder jetzt gleich. Aber von ihm aus gerne auch erst etwas später. Wenn er die Gegner endgültig aufgerieben hatte.

Er hatte das recherchiert. Und zwar schon vor dem legendären Video, mit dem er gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP deren bedingungslose Kapitulation gefordert hatte. Und seine Recherche hatte ergeben: Noch nie zuvor in der Geschichte hatte es irgendwo auf der Welt einen Monarchen namens „Herbert I.“ gegeben. Keinen König, keinen Kaiser. Und schon gar keinen, der mit der absoluten Mehrheit von 28,8 Prozent der Untertanenstimmen dazu ausersehen wurde.

Dann wurde es aber verdammt noch mal Zeit!

Donald, der Heiland aller Vernunftbegabten, zeigte ja in den USA gerade vor, was mittlerweile alles möglich war. Jedenfalls weit mehr, als der nunmehr verdient ins Burgenland verräumte Amateur Norbert Hofer damals zu träumen gewagt hatte, als er noch die Gelegenheit bekommen hatte, sich wichtigzumachen. Also würde, bei allen bisherigen Unterschieden im Hairstyling, auch aus Herbert ein kleiner Donald werden. Denn auch er würde nämlich nichts weniger tun als Österreich erobern. Und zwar so, wie es schon die Vorväter getan hatten. Und wie es sich er und seinesgleichen schon seit Langem mit triefenden Lefzen ausgemalt hatten: im Sturm!!

Herbert würde ein Monarch für alle Untertanen sein. Ja, doch. Sofern diese auch anerkannten, welche zu sein, selbstverständlich.

Warum sollte er von der ÖVP denn bitte nicht ebenso kühn wie unnachgiebig verlangen, ihm das Land gefälligst auf einem Silbertablett zu servieren? Auch wenn jenes von dieser Aussicht mit deutlicher Mehrheit gar nicht begeistert war. Wer sollte ihn denn daran hindern, es im Falle von Neuwahlen sowieso zu bekommen – um es dann lüstern zu tranchieren? Die devastierte ÖVP? Die geistig umnachtete SPÖ? Lächerlich. Also warum sich nicht diese Ehrenrunde ersparen? Her damit! Mit allem!

Die Forderung, die FPÖ müsse nicht nur den Bundeskanzler stellen, sondern auch Finanz-, Innen-, Sozial- und Gesundheitsminister, war doch bitte nur logisch. Die ÖVP hatte ihre Erbhöfe Wirtschaft und Landwirtschaft, Volkstribun Norbert Totschnig saß also weiterhin fest im Sattel. Und was sollte die FPÖ mit Bildung? Oder mit Frauen? Eben. Und dass Herbert, der zukünftig I., darüber hinaus darauf bestand, als Schlagobershäubchen auf diesem bescheidenen Stück vom Kuchen auch noch die Agenden EU, Medien und Kultur direkt bei ihm im Kanzleramt anzusiedeln, war nur rein praktisch und ressourcenschonend gedacht. Da musste der Stiel des Vorschlaghammers, mit dem all diese Bereiche beamtshandelt gehörten, nicht gar so lang sein, hehe!

Es war eben alles möglich in Zeiten, in denen sich die Weltpolitik ernsthaft mit der Frage zu befassen hatte, ob man aus Gaza nicht einfach einen Golfplatz machen sollte. Und in denen der islamistischen Gefahr tapfer mit einem Burkaverbot im niederösterreichischen Landesdienst Einhalt geboten wurde. Keine Forderung war zu frech, kein Anspruch zu großspurig, kein Wahnsinn zu wahnsinnig. Und die Unterwerfung musste allumfassend sein.

Gleichwohl: Herbert würde ein Monarch für alle Untertanen sein. Ja, doch. Sofern diese auch anerkannten, welche zu sein, selbstverständlich. Da musste schon auch eine Hand die andere waschen. Und man sagte ihm zwar nach, er sei unnahbar und misstrauisch – aber das stimmte gar nicht. Seine engsten Freunde etwa durften ihn Kickl nennen. Also plante er seinem Naturell entsprechend auch, ein volksnaher Regent zu sein. Mit vielen Auftritten in volksnahen Medien, die dann endlich auch entsprechend gefördert wurden. Mit russischen Eiern gratis zu Ostern. Und Ivermectin in der Schulmilch. Das würde vielleicht eine schöne, eine segensreiche Zeit werden!

Wobei: Ab und zu, in einer stillen Stunde, würde sich der Herbert durchaus immer noch selber zwicken müssen, um sicherzugehen, dass das alles auch wirklich wahr sein konnte.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz