Rainer Nikowitz: Himpathy For The Devil
Jetzt ist der Internationale Frauentag in den Medien auch schon wieder vorbei, so ein Monat vergeht ja manchmal wie im Flug. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo gendermäßig die größten Probleme liegen. Das sicherlich fundamentalste wurde von Ela Angerer, Beziehungskolumnistin im „Standard“, aufgeworfen. Sie sah sich aufgrund der erdrückenden Beweislast leider gezwungen, den „Heteromann“ schon im Titel ihrer Tiefenanalyse als „Montagsmodell“ zu entlarven. Denn: „Wer als Singlefrau auf Partnerschaftsportalen nach einer Romanze sucht, braucht nur eine Woche lang die Zuschriften von bindungswilligen Kandidaten zu lesen und kommt zum Schluss: Das ratloseste Wesen auf diesem Planeten ist der Heteromann.“ Und „diese Spezies steht dann all den emanzipierten, anspruchsvollen, ,neuen‘ Frauen gegenüber und benimmt sich wie der Kartoffelbauer beim Galadinner im Schloss Versailles. Linkisch und wütend verschlingt er den Braten, macht sich aber auf alles ,seinen eigenen Reim‘“.
Ich mag mir die Härten einer Undercover-Recherche als anspruchsvoller Braten nicht einmal vorstellen. Aber das Ergebnis überzeugt, schafft es doch auch gleich ein Grundverständnis für überhaupt alle Gender-Baustellen. Montagsmodell! Noch Fragen?
Der Sexismus wird leider auch keinen Deut besser. Direkt zum Frauentag platzte die Bombe. Der Presserat habe befunden, der misogyne Platz 83, den Nadja Bernhard in der Best-of-Böse-Ausgabe des „Falter“ wegen ihrer Fensterglasbrillen in der „ZIB“ errungen hatte, sei gar nicht sexistisch. Ist es zu fassen? Grüß Gott, Backlash! Bei Wikipedia musste man auch geharnischten Sexismus feststellen, die diesbezügliche Beweisführung war ähnlich beeindruckend wie beim Kartoffelbauern.
Der Fall von Beatrice Frasl, deren Wikipedia-Eintrag nach einer erniedrigenden öffentlichen Diskussion darüber, ob sie für eine Enzyklopädie auch relevant genug sei, wieder gelöscht wurde, machte völlig zu Recht Schlagzeilen. Zuerst im profil, ein paar Tage später auch im „Standard“ – und man stellt sich schon die Frage, wo CNN ist, wenn man es einmal braucht. Frau Frasl macht einen feministischen Podcast, und ihr jetzt verblichener Wiki-Eintrag war um einiges umfangreicher als zum Beispiel jener von Brigitte Bierlein oder auch Johanna Dohnal. Aber die wusste ja nicht einmal, was ein Podcast ist. Auch Literaturwissenschaftlerin Sandra Folie kam in dieser Causa zu Wort, sie geißelte die überkommenen Relevanzkriterien von Wikipedia – denn die sind nämlich für alle gleich. Aber: „Der gleiche Maßstab ist nicht automatisch gerecht, nur weil er gleich ist!“
Ich glaube ja, das ist neben dem Montagsmodell die zweite wirklich zentrale Erkenntnis. Auch wenn sie nicht ganz neu ist. „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“, schrieb schon George Orwell in „Animal Farm“. Ob der in der feministischen Literaturwissenschaft noch relevant ist?
Altersdiskriminierung trifft ja bekanntlich auch ausschließlich Frauen. Weil, alte weiße Männer haben es ja verdient. Kürzlich tat die Schauspielerin Mavie Hörbiger kund, sie habe eine Rolle nicht bekommen, weil man sie für zu alt befunden habe. Ihr bitteres Fazit: „Aus dem Leben einer Schauspielerin mit 41. Fühlt sich Scheiße an!“ Die Empörung in der wichtigsten und wirklichsten aller Welten, also auf Twitter, war riesig. Frauenverachtend! Ekelhaft!
Aber dann kam Kathrin Zechner. In einem Interview, ebenfalls im „Standard“, sagte sie: „Dass man eine im Buch als 20-jährig Ausgewiesene nicht mit einer 40-Jährigen besetzt, hat nichts mit Altersdiskriminierung zu tun.“
War das wirklich nötig? Echt jetzt. Mir scheint, das ist ein mittelschwerer Fall von „Himpathy“. So heißt unter Feministinnen nämlich das Krankheitsbild, das Frauen in den Wahnsinn, also zur Kollaboration mit dem Feind treibt.
Aber keine Angst, die Kavallerie ist auch in der Filmbranche schon unterwegs, Rettung naht. Wie zu lesen ist, kämpft dort „FC Gloria“, eine Initiative feministischer Filmschaffender, erbittert gegen ihre uferlose Unterprivilegierung an – und also für eine Kohle-Quote: 50 Prozent der Filmfördergelder der öffentlichen Hand sollen für Frauen reserviert werden. Derzeit kriegen sie nämlich nur 30 Prozent. Was natürlich an dieser vermaledeiten strukturellen Diskriminierung liegt – und nicht etwa daran, dass auch nur 30 Prozent der zur Förderung eingereichten Projekte von Frauen kommen. Der gleiche Maßstab ist ja nicht automatisch gerecht, nur weil er gleich ist.
Und bei der Expertinnenkommission, die jetzt über die Vergabe entscheidet, werden sicher auch erniedrigende Diskussionen über Relevanz geführt. Das kann klarerweise nur verhindert werden, indem man sie durch einen Gender-Bankomaten ersetzt.
Und zu all diesen chronischen Problemen mit den Montagsmodellen kommt jetzt auch noch der Corona-Backlash hinzu. In den letzten Frauentagen jagte eine Horrormeldung vom Arbeitsmarkt die andere. Frauen viel stärker betroffen als Männer! 40 Prozent mehr arbeitslos, am Land sogar zwei Drittel! Nun, diese Zahlen stimmen. Die Schlussfolgerung allerdings … Wenn man absolute Zahlen verwendet, schaut es so aus: Aktuell sind um horrende 54.000 Frauen mehr arbeitslos als vor einem Jahr. Insgesamt erschreckende 187.000. Bei den Männern macht der Zuwachs hingegen bloß schlappe 50.000 aus – auf insgesamt recht erfreuliche 250.000. Aber es ist ja alles relativ. Bis auf das Gender-Pay-Gap vielleicht. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.