Rainer Nikowitz: Ich war’s!

Es ist jetzt wirklich höchste Zeit, diesen entgleisten Wahlkampf wieder zu beruhigen. Mit einem Geständnis.

Drucken

Schriftgröße

Was Sie, kritische Leserin, skeptischer Leser, hoffentlich eh schon längst geahnt haben, ist natürlich wahr: Alle sind unschuldig. Keiner hat was getan, niemand was gewusst.

Außer mir.

Aber es war doch alles nur ein Witz! Und es tut mir unendlich leid, dass er sich so monströs ausgewachsen und die bislang völlig zu Recht untadelige Reputation unserer Parteien dermaßen darunter gelitten hat. Das haben sie nun wirklich nicht verdient. Und Tal Silberstein auch nicht. Hätte ich ihn nicht damals im Flugzeug auf die Idee zu den beiden mittlerweile berühmtesten Facebook-Seiten Österreichs gebracht, fände sich im nächsten Wahlkampf sicher wieder eine Partei, die ihn brauchen könnte. So sorry, Tal! Nach unserem netten Plausch habe ich ihn damals übrigens zu Sebastian Kurz weitergeschickt, der in demselben Flugzeug saß. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass man es vielleicht einmal gewinnbringend verwerten können würde, Zeuge dieser Begegnung zu sein.

Tja.

Befüllt wurden die Seiten dann von meinem von mir eingeschleusten Stiefneffen vierten Grades, weil der kann nämlich Internet. Unnötig zu erwähnen, dass er ausschließlich mir Bericht erstattete und nicht etwa der SPÖ. Einmal wären wir aber dennoch beinahe aufgeflogen, weil ein anderer dort sehr prekär Beschäftigter nach einem Streit darüber, ob eine geplante Pointe auch wirklich tief genug sei, zu Herrn Niedermühlbichler ging und fragte: „Wollen Sie eigentlich wissen, was wir so auf Facebook treiben?“ Glücklicherweise antwortete der aufgrund seiner Expertise zum Wahlkampfleiter Gewordene aber erstens mit „Nein!“ und zweitens mit: „Was ist Facebook?“ (In diesem Zusammenhang sollte ich vielleicht auch erwähnen, dass ich einst Christian Kern bei einem unserer gemeinsamen Urlaube nach der sechsten Bloody Mary an der Bar Niedermühlbichler überhaupt erst eingeredet habe; dies aber nur, weil mir damals aufgrund meines Zustandes einfach nicht mehr einfallen wollte, dass Marika Lichter Marika Lichter heißt, ich schwöre! Und was Christoph Matznetter betrifft: Seinen formschönen Aluhut hatte ich in kaum fünf Minuten fertig gefaltet.)

Ich habe ja kein Honorar bekommen. Von niemandem. Ich bin diesfalls kein Söldner gewesen, sondern Überzeugungstäter.

Und die Suche nach dem Maulwurf, welche die SPÖ jetzt mit wesentlich mehr Einsatz betreibt, als jene nach ihren abgängigen Prinzipien, kann auch sofort eingestellt werden. Es wäre doch sehr schade gewesen, wenn die hübschen Berichte meines Stiefneffen bei mir versauert wären. Vorher galt es aber noch, eine falsche Spur zu legen, also bot ich Peter Puller 100.000 Euro und eine neue Existenz als Seiltänzer in einem sibirischen Wanderzirkus für eine Tätigkeit als Doppelagent. Nicht, dass ich die 100k gehabt hätte, aber ich war mir ohnehin sicher, dass er ablehnen würde. Der Mann hat schließlich auch seine Ehre. Gerald Fleischmann, der Pressesprecher von Sebastian Kurz, hat mit dieser Sache selbstverständlich nichts zu tun. Der möglicherweise missverständliche SMS-Verkehr zwischen den beiden kam überhaupt nur zustande, weil ich Fleischmann eingeflüstert habe, Puller würde nach Ende seines roten Zwischenspiels gerne auf die Siegerstraße zurückkehren und eine Kampagne kreieren, die den neuen Bundeskanzler nach dem Vorbild der Möbel-Lutz-Werbung im Kreise seiner Familie zeige – also in Gesellschaft von Vater und Heiligem Geist. Dafür wäre das Honorar gedacht gewesen – und jeder Cent davon gut investiert, aber hallo.

Ich habe ja kein Honorar bekommen. Von niemandem. Ich bin diesfalls kein Söldner gewesen, sondern Überzeugungstäter. Ich erwarte aber natürlich nicht, dass man mir wenigstens das hoch anrechnet, dazu habe ich einfach viel zu viel angerichtet. Ich betone nochmals: Nie im Leben hätten sich die Parteien von allein zu dem Schauspiel hinreißen lassen, das sie jetzt bieten. Viel zu wertvoll ist ihnen unsere Demokratie, um sie dermaßen flagrant zu beschädigen, wie sie es gerade tun – aber natürlich nie tun würden, wenn sie nicht der Teufel geritten hätte. Also ich.

Seien Sie also bitte nicht denen böse, sondern mir. Noch dazu, wo Sie ja noch gar nicht alles wissen. Der grüne Bundeskongress in Linz. Wer, glauben Sie, hat dort in 14 verschiedenen Verkleidungen – zum Beispiel als alleinerziehende, arbeitslose Transgender-Mutter, als 53-jähriger Soziologie-Doktorand oder, besonders perfid, als Peter PilzPeter Pilz abgewählt und die Grünen von ihrem gewohnten Chaos in ein ungewohntes gestürzt? Woher hat Matthias Strolz wohl den Ausdruck „Fürsten der Finsternis“, Irmgard Griss und seine täglichen 14 großen Espressi, die er mit Red Bull süßt? Wer gibt Roland Düringer die Gewissheit, dass alles, was er so macht, wirklich ungemein komisch ist?

Und schließlich, was mit Sicherheit am schlimmsten ist: Wer hat sich einzig von der FPÖ ferngehalten und ihr so die Gelegenheit verschafft, neben SPÖ und ÖVP beinahe seriös zu wirken?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz