Rainer Nikowitz: Im Westen nichts Neues
Orbán: Mein lieber Freund! Wie geht es meinem Bruder im Geiste? Heute schon irgendetwas Grundvernünftiges blockiert? Völlig unangemessene Forderungen an irgendjemanden gestellt? Jegliche zivilisatorische Mindeststandards vermissen lassen? Kurz: wieder einmal so richtig Sie selbst gewesen?
Erdoğan: Ich habe selbstredend kaum, dass ich heute früh die Augen geöffnet habe, umgehend damit weitergemacht. In jeder Beziehung letztklassig und dabei gleichzeitig auch noch hochgradig lächerlich zu sein, ist schließlich ein 24-Stunden-Job.
Orbán: Wem sagen Sie das! Aber beklagen wir uns etwa?
Erdoğan: Äh, nun ja … Ja! Andauernd. Denn sonst nimmt ja trotz unserer exorbitanten Wichtigkeit wieder einmal niemand Notiz von uns. Womit haben Sie gerade so zu tun?
Orbán: Nun, ich habe die vergangene Woche damit verbracht, als Einzelkämpfer gegen 26 Mickey-Maus-Staaten das Öl-Embargo der EU gegen unseren geschätzten Partner Putin so weit zu verwässern, dass aus einer mächtigen Waffe eine mächtige Peinlichkeit geworden ist.
Erdoğan: Hervorragend! Aber auch nur allzu verständlich. Schließlich ist Ungarn beim Öl dermaßen von Russland abhängig, wie sonst nur Österreich beim Gas! Da braucht es Einsicht und Hilfe der Partner.
Orbán: Ja. Vor allem dann, wenn man so weitblickend wie ich war und noch wenige Tage vor Kriegsbeginn in Moskau gewesen ist, um dort ein bisschen mit Wladimir zu kuscheln und dann noch schnell eine ausgesprochen günstige Liefervereinbarung zu unterzeichnen. Die mir die anderen EU-Staaten jetzt halt leider, leider teuer ablösen müssen.
Erdoğan: Und da haben diese Armleuchter schon gedacht, sie könnten Ihnen irgendwelche Forderungen kürzen, weil … Warum noch einmal?
Orbán: Ach, das Übliche. Irgendwas mit Rechtsstaat und Medienfreiheit, was weiß ich. Ich les das nicht einmal mehr.
Erdoğan: Dieses Einstimmigkeitsprinzip ist ja so etwas von praktisch! Jeder Furz auf Beinen kann einen ganzen Kontinent in Geiselhaft nehmen, wenn ihm gerade danach ist. Das haben sie in Brüssel wirklich wieder einmal bis ins letzte Detail durchdacht.
Orbán: Man redet ja öfter einmal von Elitenversagen. Zum Glück gibt es das aber bei der EU nicht. So schade, dass Sie da nicht dabei sind, mein lieber Freund!
Erdoğan: Ja, wirklich. Das wäre vielleicht ein Spaß! Aber ich habe zum Glück wenigstens die NATO, bei der ich tun kann, was ich am besten kann.
Orbán: Sie meinen, Ländern, die im Gegensatz zu dem Ihren über Dinge wie Vernunft oder gar Anstand verfügen, hemmungslos auf den Sack zu gehen?
Erdoğan: Ja! Und diese Skandinavier sind mir schon lang ein Dorn im Auge. Die sind so … anders.
Orbán: Aber was wollen Sie denn nun genau von denen? Was sollen die mit den Kurden machen?
Erdoğan: Zuerst einmal: sie auch „Bergtürken“ nennen, wie ich. Und sonst … Ach, eigentlich ist das ja gar nicht so wichtig. Hauptsache, ich hab wieder einmal meine 15 minutes of fame, und alle anderen müssen so tun, als wäre ich ein ernst zu nehmender Gesprächspartner und nicht nur ein ständig herumkrakeelender Wirtshausraufer mit religiös verbrämtem Caesarenwahn.
Orbán: Ich habe gehört, Sie haben gerade auch ein paar Probleme mit der ausufernden Inflation in der Türkei? 70 Prozent? Wie bekämpfen Sie die?
Erdoğan: Das Problem wird von zwei Seiten angegangen: Zum einen verlangen wir gerade von Griechenland zwölf Inseln in der Ägäis. Und zum anderen haben wir eine internationale Kampagne gestartet, die die unsäglichen Beleidigungen bekämpft, denen die Türkei, diese stolzeste aller Nationen, tagtäglich international ausgesetzt ist.
Orbán: Oh! Welche sind das denn?
Erdoğan: Auf Englisch nennt man uns „Turkey“. Das muss ein Ende haben! Denn was findet man, wenn man „Turkey“ googelt? Truthähne!
Orbán: Unerhört!
Erdoğan: Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Vögel an sich. Immerhin bin ich mit einem stummen Pinguin verheiratet. Aber das geht zu weit.
Orbán: Es gibt ja noch so viel zu tun!
Erdoğan: Hand aufs Herz: Werden Ihnen all diese ungeheuren Aufgaben, dieses tägliche Als-Lichtgestalt-in-die-Geschichte-Eingehen nicht manchmal zu viel?
Orbán: Nein.
Erdoğan: Mir auch nicht. Denn schließlich wissen wir ja, wofür wir das alles tun, nicht wahr?
Orbán: Ganz genau. Nämlich einzig und allein …
Beide: … für uns!