Rainer Nikowitz: In guten Händen
Ein diffuses Gefühl der Ohnmacht geht um angesichts mancher Entwicklungen in der Welt. Viele Menschen sind besorgt wegen der Veränderungen, die sich abzeichnen oder schon eingetreten sind. Manche haben gar Angst oder befinden sich überhaupt schon in einem Zustand chronischer Hysterie. Das ist natürlich auch den verantwortungsbewusstesten unter den populismusabholden Staatsmännern aufgefallen, und darum haben sie sich jetzt in einem noch nie dagewesenen, aufsehenerregenden Schritt entschlossen, gemeinsam und konzertiert die von ihnen so umsichtig Regierten zu beruhigen. Ihnen das großflächig verloren gegangene Sicherheitsgefühl wiederzugeben, ihnen nicht nur zu versichern, sondern zu beweisen, dass alles gut wird. Und zwar, weil sie die Dinge jetzt so richtig in die Hand nehmen.
Donald Trump etwa schritt wie immer forsch voran und erklärte den Klimawandel für beendet – oder vielmehr für nicht existent. Wissenschaftliche Studien hätten dies nunmehr eindeutig bewiesen. Seine eigenen nämlich. Jüngst sei er beim Golfen in Miami zwischen dem 13. und 14. Loch von einer dermaßen kühlen Windböe gestreift worden, dass es ihn direkt gefröstelt habe. Ähnliches habe er in Florida noch nie zuvor verspürt, also könne von Erwärmung keine Rede sein. Die einzigen allenfalls klimaschädlichen Emissionen, deren Existenz er nicht in Abrede stellte, seien die Darmwinde der Bohnenfresser in Mexiko, die bislang ungehindert und vor allem unverzollt in die USA heraufwehten. Aber er werde die Mauer an der US-Südgrenze einfach zehn Kilometer hoch bauen lassen, dann müssten die dermaßen hoch aufsteigen, dass sie anschließend bis nach Kanada weiterzögen. Und falls es jemandem trotz allem noch zu warm sei, dann werde man die Hitze eben gleich dort bekämpfen, wo sie entstehe, nämlich unten in Venezuela. Einmarschieren und aus. Oder er lasse Kim Jong-un die Koordinaten von Caracas zukommen für dessen ultimativen Raketentest.
Laut einer St. Petersburger Online-Umfrage wollen 104,3 Prozent aller Letten zu Russland.
Trumps neuer bester Freund Wladimir Putin wiederum – jüngst waren neue Details des jetzt schon legendären Vieraugengesprächs der beiden bekannt geworden, so etwa, dass Trump versprochen habe, Putin dürfe bei seinem Besuch in Washington der Zicke Melania überall hingreifen, wo er wolle – präsentierte seine neue Sicherheitsdoktrin für Europa. Das renommierte St. Petersburger Institut für soziale Medien habe in Lettland eine Online-Abstimmung durchgeführt, bei der sich stolze 104,3 Prozent der Bevölkerung für einen Anschluss an Russland ausgesprochen hätten. Als lupenreiner Demokrat, so Putin, sei er natürlich fest entschlossen, dem lettischen Volkswillen zu entsprechen, notfalls auch mit dem maßvollen Einsatz hoheitsabzeichenloser grüner Männchen. Ähnlich hoch waren die Zustimmungsraten zu einem solchen Schritt übrigens noch in Belgien und auf Fidschi. Putin ließ offen, wie er mit diesen Vertrauensvorschüssen umzugehen gedenkt.
Neben Baschar al-Assad gratulierte auch HC Strache zu diesem überwältigenden Ergebnis – dem übrigens Wahlbeobachter Johann Gudenus nach einem Blick in Facebook vollkommene Sauberkeit attestierte – und erklärte weiters, die FPÖ habe sich immer schon für direkte Demokratie starkgemacht. Strache regte solche Online-Abstimmungen modernen Zuschnitts auch für Österreich an, die Software und alles sei ja vorhanden, Putin werde sie sicherlich bereitwillig zur Verfügung stellen. Die erste Abstimmung solle denn auch sobald wie möglich stattfinden, nämlich über das allerwichtigste Sommer- und auch Zukunftsthema, das Schächten. Das fand Assad zwar wiederum nicht so toll, aber selbst die Vernünftigsten können sich nicht in allem einig sein. Horst Seehofer wiederum, der den Blick stets auf österreichische Erfolgsprojekte gerichtet hat, kündigte sogar eine Liste von 69 Abstimmungen an, weil wo samma denn?
Boris Johnson, englischer Premier in spe, erklärte, der Milch-und-Honig-Brexit, den er in ein, zwei Tagen ausverhandeln werde, wenn er Theresa May dann endlich aus dem Amt geputscht habe, sei ein Zukunftsmodell für die gesamte EU. Weil eigentlich jedes Land ein Recht darauf habe, ausschließlich die Vorteile der Union zu lukrieren. Bis auf Deutschland natürlich, die behielten den Rest. Viktor Orbán assistierte begeistert, genau so habe er das auch schon immer gesehen. So mache die EU endlich Sinn. Bislang habe das allerdings George Soros verhindert – der übrigens darüber hinaus ein Verfechter des Schächtens sei. Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz äußerte sich wie immer sehr ausgleichend, man müsse bei diesem Thema zwei Dinge bedenken, nämlich einerseits und andererseits. Weitere Fragen ließ er bei seiner Wanderung auf den Schafberg nicht zu. Nicht einmal zum Schächten, wiewohl sich dies gerade dort einigermaßen aufgedrängt hätte.
Und sonst? Sonst ist das Wetter schön und das Bier kühl. Worüber sich also Sorgen machen?