Rainer Nikowitz: Der Spion, der sich liebte

Rainer Nikowitz: Der Spion, der sich liebte

Angeblich verrät Kickls Geheimdienst keiner mehr irgendwas? Um mit seinem Freund Gernot Blümel zu sprechen: „So ein Blödsinn!“

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Zum Glück stand Herbert da so was von drüber. Wenn er nicht so ruhig gewesen wäre! Weil, was die schon wieder alles erzählten über ihn und sein Ressort … Dass sein Geheimdienst angeblich keine Informationen bekam. Und das nur, weil der oberste Boss halt ein wenig mit Rechten, Russen oder aber auch rechten Russen sympathisierte. Ungeheuerlich diese Behauptungen! Oder wenn schon nicht die Behauptungen selber, dann zumindest die Tatsache, dass es jemand wagte, sie auch auszusprechen! Da hätte man sich schon ärgern können auch. Hätte sich zum Beispiel hinstellen können wie ein aufgrund zarter, aber wenigstens altersadäquater Frustrationsintoleranz kurz vor der Explosion stehender fünfjähriger Giftzwerg und eine peinliche Suada über Peter Pilz ablassen – und sich nicht einmal zu entblöden, auch noch krause Andeutungen über dessen Kontakte zu fremden Geheimdiensten abzusondern.

Aber nicht so Herbert. Der stand da wie gesagt drüber.

Es war erstaunlich, wie man das auf Dauer durchhalten konnte. Denn selbst Herbert war ja – ungeachtet aller Indizien, die mitunter vielleicht andere Verdachtsmomente aufkeimen lassen mochten –, nur ein Mensch. Aber diese Gelassenheit war nun einmal eine seiner Kernkompetenzen. Neben galoppierender Klugheit, gewinnendem Auftreten und einer magischen Wirkung auf Frauen, die mit zweitem Vornamen Hildegund hießen natürlich. Aber dann kam schon diese souveräne Coolness, mit der Herbert alle Anwürfe und Zumutungen, denen er ausgesetzt war, lächelnd an seinem gestählten Körper abperlen ließ. Tonfall. Körpersprache. Nichts ließ Zweifel offen. Alles hatte Klasse. Es war schon ein Segen, von der Natur dermaßen reich beschenkt worden zu sein.

Wobei, Natur, was hieß Natur? Herbert wusste sehr gut, wem er sein so durch und durch adorables Selbst zu verdanken hatte. Darum umklammerte er ja so oft mit weißen Knöcheln das Kruzifix in seiner Tasche. Oder überwand so manche Stagnation seiner Aggression mit Flagellation. Darum bemühte er sich auch so sehr darum, dem Christentum einen zeitgemäßen Anstrich zu geben. Wenn der Herrgott damals Zugang zu allen Informationen gehabt hätte, über die Herbert heute verfügte – er hätte sich manche Sachen garantiert zweimal überlegt. Also auf alle Fälle einmal die Bergpredigt; es konnte ja wohl nicht angehen, dass jeder Dahergelaufene einfach so einen Anspruch auf Seligkeit hatte, ohne ins System eingezahlt zu haben. Und wahrscheinlich hätte sich der Herrgott ja überhaupt gleich das ganze Neue Testament geschenkt, denn nach einer halben Stunde mit Herbert hätte er eingesehen: Das verwässert die Sache nur unnötig.

Alle Linksextremen in der Caritas waren enttarnt, seit Herbert satanistische Skinheads eingeschleust hatte.

Herbert besaß halt nun einmal tatsächlich Informationen, die sonst keiner hatte. Ur viele! Das war doch wohl klar, in seiner Position. Information war alles, ein Profi wie er wusste das natürlich. Und was dieser Anfänger Gridling herumerzählte, was der Pilz behauptete oder manche Medien – das … mochte schon stimmen. Ja, Österreichs Geheimdienst wurde von den anderen geschnitten. Einerseits. Aber andererseits wurde völlig außer Acht gelassen, was Herberts eigene Schnüffler so zusammentrugen. Und das war auch nicht von schlechten Eltern. Es war sogar wesentlich nützlicher – fand Herbert.

So wusste er zum Beispiel dank der todesmutigen Thusnelda, seiner von ihm persönlich in diesen gefährlichen Einsatz entsandten V-Männin, alles über diese potenziell gewalttätige Binnen-I-Zelle, die sich sicher nicht mehr lang mit wütenden Leserbriefen an unzensuriert.at und einem vagen Vagina-Graffito in der Meldemannstraße zufrieden geben würde. In der Caritas werkte kein einziger Linksextremist mehr unerkannt, seit es Herbert gelungen war, eine Gruppe von mit Prinz-Eisenherz-Perücken unkenntlich gemachten satanistischen Skinheads dort einzuschleusen. Seine Hassposter achteten peinlich genau auf jedes Aufflackern demokratischer Diskussionskultur, seine Blockwarte protokollierten jeglichen Verdacht auf Humanitätsduselei, seine Taxler meldeten die Adressen nichtsnutziger Nachtschwärmer und unpatriotischer Urscheln. Und nicht zuletzt hatten ihn die Identitären, diese völlig zu Unrecht verfemten Buben (auch alle, die sich wirklich ganz ehrlich von denen distanziert hatten, hatte sich Herbert notiert; auf einem Bierdeckel), hatten ihn also diese grundguten Heimatschützer mit einer Liste versorgt, auf der alle draufstanden, die ihnen nichts gespendet hatten! Das war vermutlich der umfangreichste Datensatz mit suspekten Individuen, über den irgendein Geheimdienst weltweit verfügte! Und da wagten seine Gegner, ihn als unwissend hinzustellen?

Oh, nein. Herbert wusste genug. Er wusste, was er wissen musste. Auch alles, das jemals über ihn geschrieben und gesagt worden war. Es war alles gespeichert. Niemand würde sich dereinst rausreden können, wenn der Tag der Abrechnung kam. Und der würde kommen.

Herbert war bereit.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz