Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Länder unter!

Jetzt wackeln auch noch die Landesfürstentümer – die ÖVP erodiert echt schneller als die Pasterze.

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Jetzt war schon die halbe Woche vergangen. Johanna Mikl-Leitner sah einen leisen Grund zur Hoffnung. Es ging wieder aufwärts, kein Zweifel! Denn obwohl schon Mittwoch war – war noch immer war kein ÖVP-Landeshauptmann zurückgetreten oder seinem darob haltlos erschrockenen Bundesland sonst wie abhandengekommen! Das hatte es jetzt doch schon länger nicht mehr gegeben. Und daran konnte man, allen Unkenrufen zum Trotz, auch wieder einmal sehen, wer der Garant für Stabilität in diesem Land war. Wenngleich der ÖVP diese unverbrüchliche Stärke, diese selbstlos eingenommene Position als Rückgrat der Republik von einer verwöhnten Bevölkerung zusehends weniger gedankt wurde, das war nicht zu übersehen. Und Johanna war ja leider eine derjenigen, die darunter am meisten zu leiden hatten. 

Denn gerade am Land, also dort, wo Welt und Wahlergebnisse die längste Zeit bewegungslos in gottgewollter Ordnung verharrt hatten, musste man sich jetzt langsam auch schon Sorgen machen. Früher hatte man sich eisern darauf verlassen können, dass sich, mochten die Tollereien der Bundespolitik im fernen und ungeliebten Wasserkopf auch noch so exorbitant sein, draußen auf der Scholle niemals etwas änderte. Schon gar nicht politisch. Man hatte sein kleines Königreich, man hatte den nie versiegenden Finanzausgleich, man hatte Jobs zu vergeben und Inserate zu verkaufen. Wie es halt immer gewesen war. Eine Hand wusch die andere, und diejenigen, die dabei ungewaschen blieben, waren selbst schuld. 

Eine Zeit lang hatte es nach dem unrühmlichen Abgang von Sebastian Kurz sogar so ausgesehen, als würde jener dem schwarzen Provinzadel nicht nur nicht schaden, sondern ihm sogar neue Macht verleihen. Unvergessen die Nacht der langen Spritzen am Achensee, als die Landeshauptleutekonferenz im Beisein von Bundeskanzler und Gesundheitsminister die Impfpflicht beschloss. Aber jetzt? Alles vorbei. Auf einmal wurde an dieser urösterreichischen Form des Föderalismus, dieser Grundfeste der Republik, herumgemäkelt. Plötzlich wurde so getan, als sei es etwas Unredliches, wenn man sein Fürstentum so betrieb, wie man es für richtig und fruchtbringend hielt. Ganz so, als dürfte man in Österreich auf einmal mit seinem Eigentum nicht mehr machen, was man wollte. 

Und dann kamen eben in weiterer Folge Umfrageergebnisse heraus, wie jenes für die kommende niederösterreichische Landtagswahl. Johanna Mikl-Leitner zerbrach mit einem mehr als grimmigen Zug um die Lippen einen Erwin-Pröll-Kuli zwischen Zeige- und Mittelfinger. Die Umfrage sagte: minus fünf Prozent – und Absolute weg. Damit kam man in Niederösterreich eher nicht in die Hall of Fame. Aber das war ja sogar noch Gold gegen die Umfragen, die vermutlich dem armen Günther Platter endgültig die Lust genommen hatten, sich tagtäglich für sein heiliges Land aufzuopfern. Die Tiroler ÖVP war im Moment in der Nähe von 30 Prozent – und das nach 44,3 Prozent bei der Landtagswahl 2018. So was kann einem die glorreiche Landesvaterkarriere schon ordentlich zusammenhauen, wenn am Ende der Wähler so gemein zu einem ist. Da ist der schnelle Abgang schon deutlich besser, möge der nächste die Katastrophenernte einfahren. 

Aufgeben war für Johanna im Gegensatz zu Platter aber natürlich keine Option. Zum Ersten schien es ihr doch ratsam, wenn es in der versammelten ÖVP-Spitzenriege, Bund und Länder gemeinsam, zumindest noch zwei oder drei Leute gab, die eine längere Amtszeit vorzuweisen hatten als der durchschnittliche Fußballtrainer bei einem Abstiegskandidaten. Aus der ÖVP waren in letzter Zeit dermaßen viele bekannte Gesichter verschwunden, so viele hatten sie in zehn Staffeln „Dschungelcamp“ nicht. Und wenn nach allem, auch nach den Problemen in Vorarlberg und der Pension des Langzeit-Fixsterns Helmut Schützenhöfer auch noch Niederösterreich ein bisschen Platz an der Spitze ließ – wer weiß, vielleicht muckte ja dann der Nehammer auf und kam am Ende noch auf Ideen! Die von mehr Eigenständigkeit und solchen Blödheiten handelten. Und es setzte sich ganz am Ende wieder ein ungesunder Zentralismus durch, der einem Riesenstaat wie Österreich, in dem die Sonne niemals unterging, einfach nicht guttat.

Johanna musste dem Stelzer Thomas dringend ihre Müsli-Mischung zukommen lassen, der ernährte sich nicht gut. Aber wenigstens hatte der seine Wahl schon hinter sich. Der Haslauer Wilfried nicht, der musste sich auch noch der MFG-Peinigung stellen. Und er brauchte eine Style-Beratung. Die verbliebenen Granden mussten einfach zusammenhalten, alles tun, um wichtig zu bleiben. Sie selbst würde in Erinnerung an das Duo Häupl/Pröll sogar eine Männerfreundschaft mit Michael Ludwig beginnen. Was tat man nicht alles. Die Zeiten waren nun einmal schlecht. „Michl, gemma auf an Spritzwein“, konnte sie übrigens schon sagen. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz