Rainer Nikowitz: Die Liebe in den Zeiten der Cholera
Grasser: Ich ruf ihn jetzt an! Fiona: In deinem Zustand? Lieber nicht. Grasser: Ssustand? Von welchem Sssustand redest du? Fiona: Sagen wir so: Da am Boden liegen vier leere Flaschen. Bei unseren Pool-Partys haben früher schon immer vier Gläser Nuttensprudel ausgereicht, um dich zu deinen eineinhalb Salti rückwärts mit doppelter Schraube zu motivieren. Grasser: Die Gäste waren immer beeindruckt. Fiona: Ja. Vor allem weil du dabei immer nackt warst. Ich erinnere mich noch gut an den Blick von der Frau vom Schüssel. Grasser: War er begehrlich? Lüssstern? Fiona: Durchaus. Ich glaube sogar, sie hat jetzt auf der Terrasse auch so einen Oleander, wie den, den sie damals ohne Pause peinlich berührt angestarrt hat. Grasser: Du meinst also, sie hat sich nicht für mich interessiert? Was für eine niedersssmetternde Enttäuschung. Fiona: Ach, Baby! Man kann eben nicht immer Everybody’s Darling sein. Grasser: Alle anderen vielleicht nicht. Aber ich muss! Everybody’s Darling ist mein Beruf! Und meine Berufung! Ich war das immer! Schon im Kindergarten habe ich die meisten Zuckerl gekriegt! Fiona: Weil du so süß warst. Grasser: Das auch. Aber vor allem als Provision vom Theo dafür, dass er in der Ecke vom Rüdiger einen Turm bauen hat dürfen. Fiona: Du wirst immer so schrecklich sentimental, wenn du trinkst. Grasser: Ich ruf ihn jetzt an!! Fiona: Und stur! Stur wirst du auch! Weißt du noch, wie ich dich bei unserer Party zum liechtensteinischen Nationalfeiertag nicht und nicht davon abbringen konnte, meine Heels anzuziehen? Grasser: Die passen mir besser. Ich hab schlankere Fesseln. Fiona: Und genauso stur bist du jetzt. Grasser: Damals haben mich auf dem Weg zur Bar zwei Freier angemacht. Ich hatte also recht. Fiona: Baby, du weißt genau, dass ich auch mal für ausgefallenere Spiele zu haben bin. Aber da geht mir deine Gefallsucht echt zu weit. Jetzt sag: Warum musst du denn den Schüssel auf einmal unbedingt anrufen? Was willst du von ihm? Grasser: Ich will wissen, ob er mich eh noch lieb hat. Fiona: Na bitte, da haben wir’s! Wie weit willst du dich denn noch erniedrigen? Grasser: The floor is the limit. Fiona: Du musst damit aufhören! Egal, was auch immer du tust – es wird nicht mehr so wie früher. Grasser: Der Meischi hat mir erzählt, dass ihm wer erzählt hat, dass mein Poster immer noch in vielen Zimmern von Teenie-Mädchen hängt. Wie früher, als die Mütter ihren Töchtern damit sagen wollten: So einen sollt ihr mir nach Hause bringen! Fiona: Er hat aber schon dazugesagt, dass der Grund, warum du heute dort hängst, ein anderer ist? Grasser: Woraus schließt du das? Fiona: Aus den Pfeilen, die auf dein Gesicht gedruckt sind. Sie markieren die Stellen, an denen der Schlagring die größte Wirkung erzielt, wenn man sich dich vom Leib halten will. Grasser: Du bist grausam. Dabei früher? Bei der Hochzeit, bei den Partys. Überall hast du dich in meinem Glanz gesonnt. Fiona: Und du dich in meinem Geld. Grasser: Dein Geld! Das war ja das Verhängnis! Ich meine, wenn die Abende immer so enden, dass man mit einer Rose zwischen den Zähnen und einer Straußenfeder zwischen den Arschbacken dasitzt, nur weil die liebe Gattin fürs Übernehmen der Rechnung eine Gegenleistung sehen will – dann muss ein Mann eben irgendwann einmal tun, was ein Mann tun muss. Fiona: Und zwar was? Grasser: Geld verdienen. Wenn es sein muss, eben auf kreativeren Wegen. Fiona: Mir hat ja die Nummer gefallen, wo du quasi der Anlageberater von meiner Mamsch gewesen bist. Grasser: Ja? Ich und die Hochfinanz? Hat dich das erotisiert, wie souverän ich mit Begriffen wie Bulle und Bär jongliert hab? Fiona: Äh … das natürlich auch. Aber vor allem hab ich mich ständig bei der Vorstellung weggekekst, irgendwer könnte die Geschichte tatsächlich glauben! Grasser: Eines musst du mir versprechen: Wenn der Prozess vorbei ist, dann packen wir unsere Sachen und hauen von hier ab! Nur wir beide! Fiona: Das machen wir auf alle Fälle! Ich nach Costa Rica und du halt nach … Welches Gefängnis kommt denn überhaupt infrage? Grasser: Ich hoffe auf die Fußfessel. Fiona: Sogar jetzt denkt der kleine Mistkerl noch ans Vergnügen! Also so depressiv kannst du auch wieder nicht sein. Grasser: So, jetzt ruf ich ihn an. Also … Aha. Rufnummer geändert. Fiona: Das darfst du jetzt aber nicht persönlich nehmen. Grasser: Willst du sehen, wie gut ich den Vogeltanz kann? Oder soll ich dir die afrikanischen Hauptstädte alphabetisch von hinten nach vorne aufsagen? Fiona: Nein. Grasser: Niemand kann einsamer sein als ich.