Rainer Nikowitz: Der Neue

Schon eine Woche vor seinem Antritt, bevor er noch mit seinen Ministern und seiner Partei gesprochen hatte, wählte Christian Kern die Telefonnummer des Österreichers Rainer Nikowitz, der gerade in Stammersdorf ist. Es war halb fünf Uhr früh.

Drucken

Schriftgröße

Kern: Herr Nikowitz, ich wollte Ihnen nur als einem der Ersten auch persönlich sagen, dass ich nächste Woche antreten werde und warum – und wie’s jetzt weitergehen soll. profil: Nichts anderes hätte ich von Ihnen erwartet. Und natürlich das ob meiner blendenden Kontakte und der daraus erwachsenden exklusivsten Wichtigkeit in atemloser Bewunderung verharrende Land von mir. Also gut: Warum treten Sie an? Kern: Warum nicht? profil: Hören Sie, es ist schon halb fünf. So viel Zeit hab ich jetzt echt nicht. Kern: Es gibt doch wohl Schlimmeres, als „SPÖ-Vorsitzender“ und „Bundeskanzler“ im Lebenslauf drinstehen zu haben. profil: Das steht bei Alfred Gusenbauer auch drin. Und schauen Sie sich an, was für schlimme Jobs der Ärmste heute annehmen muss. Kern: Ich glaube, ich kann das. profil: Oho! Und das, wo doch eine der prägendsten Politikerinnen der Zweiten Republik über Sie gesagt hat: „Politik ist nicht seine Stärke. Und er ist intelligent genug, das auch zu wissen.“ Kern: Doris Bures? Alter Schwede. profil: Vielleicht können Sie sich damit trösten, dass Sie, wenn der zweite Teil der Aussage von Frau Bures stimmte, ihr damit ja durchaus einiges voraus hätten. Kern: Das haben Sie gesagt. Das würde ich in den Gremien natürlich niemals so formulieren. profil: Apropos Gremien. Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Ein Tisch. Links sitzt Sonja Wehsely – und rechts Hans Niessl. Also ein Fall von: Was Gott getrennt hat, soll der Mensch nicht vereinen. Kern: Gott spielt ja in der Sozialdemokratie traditionellerweise eher nicht so die tragende Rolle. profil: Aber Sie jetzt schon. Sie werden künftig blöderweise genau zwischen diesen beiden sitzen. Kern: Ich nehme jetzt kurz eine Anleihe aus meinem bisherigen Job: Was machen die ÖBB, wenn eine neue Hochleistungsstrecke über einen tiefen Graben führen soll? profil: Noch mehr Schulden? Kern: Eine Brücke bauen! profil: Nicht zuletzt daran ist Ihr Vorgänger schlussendlich gescheitert. Kern: Werner Faymann und ich sind unterschiedliche Typen. profil: Am Tag seines Rücktrittes haben Sie auf Facebook Selfies vom coolen Konzert von „Muse“ in der Wiener Stadthalle gepostet. Von Werner Faymann weiß man, dass er Wolfgang-Ambros-Fan war. Ein völliger Paradigmenwechsel also? Kern: So weit würde ich nicht gehen. Aber vielleicht könnten wir zumindest die Einzugsmusik bei den Parteitagen dahingehend abändern. profil: Das fände ich auch stimmig. Einer der größten Hits von „Muse“ heißt ja schließlich: „Time Is Running Out“. Kern: Da gibt es auch noch andere, die deutlich passender wären. profil: „Supermassive Black Hole“ – als Einstimmung auf die Programmdebatte? Kern: Sozialdemokratische Inhalte werden in Zeiten wie diesen immer wichtiger. profil: Aber welche wären das denn? Die von Wehsely oder eher die von Niessl? Egal, wie Sie es anlegen – ein Flügel wird schon ziemlich bald von Ihnen enttäuscht sein. Und falls es der linke ist, sollten Sie sicherheitshalber gleich einmal für den 1. Mai 2017 eine Fernreise buchen. Kern: Ich fahre immer mit der Bahn auf Urlaub. profil: Dann würde sich die Transsibirische aufdrängen. Kern: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der linke Flügel meine Rolle bei der Flüchtlingskrise im vergangenen Herbst so schnell vergisst. profil: Es ist aber wohl um einiges einfacher, Fahrdienstleiter beim „Train Of Hope“ zu sein, als der Kanzler, der die Grenzen wieder öffnet. Was der Großteil der Bevölkerung davon hielte, hat sich an Norbert Hofers Wahlergebnis gezeigt. Außerdem haben Sie einen Koalitionspartner auch. Noch. Kern: Das „noch“ hätten Sie jetzt nicht so betonen müssen. profil: Na ja. Mitterlehner spürt gerade seine Muskelmasse beträchtlich anwachsen. Wenn er jetzt auch noch grün wird, ist er der Hulk. Im Wesentlichen stellt er sich glaube ich vor, dass Sie so ungefähr sämtliche ÖVP-Positionen übernehmen. Dann steht einer gedeihlichen Fortsetzung der Koalition eigentlich nichts im Wege. Kern: Ich denke, die ÖVP weiß sehr gut, dass es das so nicht spielen wird. profil: Und was, wenn es Neuwahlen geben sollte? Damit Sie gar nicht erst die Gelegenheit bekommen, zu zeigen, was Sie können? Kern: Dann tragen wir dieses Match halt aus. Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten. Da kann alles passieren. profil: Sie sind Fan von Austria Wien, oder? Kern: Ja. profil: Und Optimist. Bemerkenswerte Kombination.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz