Satire

Wahlhilfe

profil ermöglicht allen Kandidaten zur EU-Wahl eine unentgeltliche Werbeeinschaltung. Einzige Bedingung: radikale Ehrlichkeit.

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Reinhold Lopatka: Warum man bei der EU-Wahl die ÖVP wählen sollte, liegt ja wohl glasklar auf der Hand. Die Volkspartei ist seit 37 Jahren in Regierungsverantwortung, hatte also am längsten von allen Parteien Zeit, die Bevölkerung besonders nachhaltig zu enttäuschen. Denken Sie nur an alle Luftschlösser, die unser lieber Basti entworfen hat – und von denen dann nicht ein einziges gebaut wurde! Wir stehen mittlerweile eigentlich nur mehr für unsere Posten und Pöstchen, die wir nicht hergeben wollen – und ansonsten für völlige Hilflosigkeit. Oder, wie gerade eindrucksvoll beim Renaturierungsgesetz bewiesen, für vollkommen hirnverbrannte Klientelpolitik für unser nun wirklich allerletztes Aufgebot, im konkreten Fall also jene fünf Prozent der Bevölkerung, die sonst nicht wüssten, wie sie sich den vierten Traktor und den sechsten Mercedes leisten können, deren Profitgier wir also selbstverständlich über die Interessen der restlichen 95 Prozent stellen müssen. Und apropos Personal: Sie wissen ja auch alle, dass sämtliche potenziellen Kandidaten der ÖVP – also jene beiden, die einen Beliebtheitsgrad aufweisen, der zumindest knapp über jenem von eitriger Angina liegt – eher auf eine mit Sicherheit glorreiche zukünftige Karriere in der Innenpolitik schielen. Und darum bin es halt ich geworden. Weil ich einerseits komplett schmerzbefreit bin und mir andererseits auf meiner Hinterbank ja eh urfad war. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass es einen wirklich hervorragenden Grund gibt, mich zu wählen: Mitleid.

Helmut Brandstätter: Wie Sie wissen, war ich immer schon gern im Fernsehen. Oder auf Plakaten. Jetzt war ich aber leider beides schon länger nicht mehr, dieser untragbare Zustand wurde also durch diesen Wahlkampf endlich beendet. Aber es behaupten in Wirklichkeit eh nur ganz wenige Leute, dass ich vielleicht ein bisschen eitel bin: die, die mich näher kennen. Und hinter mir steht ja außerdem auch noch eine Partei, die so proeuropäisch ist wie keine andere. Außer vielleicht die Grünen. Oder die SPÖ. Aber sonst?

Wählen Sie mich! Wenigstens aus Mitleid!

Andreas Schieder: Schauen Sie: Natürlich leidet die SPÖ schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten an einem schrecklichen Burn-out, das sie schon ebenso lang ausschließlich mit Placebos behandelt. Die Realität ist halt leider immer weniger mit unserer für alle Zeiten in allen Details unverrückbar in Stein gemeißelten Ideologie kompatibel – und das nehmen wir der Realität schon sehr übel! Und ja: Wir wissen auch schon gar nicht mehr, wo wir noch ein Orchideenthema hervorkramen sollen, das den Leuten ganz offensichtlich meilenweit am Arsch vorbeigeht – wobei wir diesbezüglich mit Andi Babler zweifellos wieder Fortschritte gemacht haben, denn der macht ja Politik für unsere Leut. Also für weltfremde Kaffeehausrevoluzzer und in geschützten Werkstätten beschäftigte Genderwissenschafterinnen. Aber: Wir haben vor 100 Jahren das allgemeine Wahlrecht erkämpft. Und den 16-Stunden-Tag abgeschafft! Dafür können wir uns jetzt doch wohl hoffentlich endlich einmal ein gerüttelt Maß an Dankbarkeit erwarten! Und außerdem: der Rechtsruck!!!

Harald Vilimsky: Es mag ja sein, dass wir in Wirklichkeit – entgegen unserer manchmal sogar uns selber peinlichen Löwinger-Inszenierung als voll patriotische Alm-Öhis – dem Putin am liebsten ganz Österreich auf dem Silbertablett servieren möchten. Aber wir sind bitte auf der anderen Seite keineswegs mit allem einverstanden, was er sagt. Wir haben ihm zum Beispiel gleich zu Beginn des von der Ukraine losgetretenen Verteidigungsfeldzuges klargemacht, dass wir sehr unglücklich sind, wenn er diesen widerlichen Selenskyj als Nazi bezeichnet. Weil, ich meine: Womit haben wir das verdient? Aber Sie können sich sicher sein: Wenn wir erst einmal an der Macht sind, dann machen wir das, was wir versprochen haben. Wir nehmen den großen Vorschlaghammer – und schlagen alles kurz und klein! Das wird vielleicht eine Hetz! Und nachher setzen wir uns neben den Trümmern hin und fangen langsam an nachzudenken, wie es jetzt weitergehen könnte. Und Sie kennen uns jetzt ja schon lang genug, um zu wissen: Uns werden total suprige Sachen einfallen! Dann.

Lena Schilling: Ich glaube, ich habe in den letzten Wochen genügend Argumente geliefert, mich zu wählen. Und außerdem geht es ja nicht um mich, es geht ums Klima. Also ich meine …, von Rechts wegen sollte es natürlich schon um mich gehen, schließlich gehöre ich ja zur Generation Narzissmus, der schönsten, coolsten und allwissendsten aller Zeiten. Ich meine, die Boomer kapieren ja oft nicht einmal, wo der Selfie-Modus am Handy ist – und die wollen mir was erzählen? Wie cringe ist das denn bitte? Und eines noch: Ehrlich gesagt …

Hihi! Der war gut, oder?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz