Rainer Nikowitz: Schlammbademeister
Wir kennen unsere Parteien: Niemals nicht würde eine von ihnen auch nur im Entferntesten auf die verwerfliche Idee verfallen, die Mitbewerber irgendwie zu diskreditieren. Das ist nobel – aber auch sehr schade. Denn der Verzicht auf Dirty Campaigning macht in Wirklichkeit niemanden so richtig froh. Bei Licht besehen ist es nämlich ein absoluter Klassiker unter den Win-win-Situationen. Das Publikum mag Dirty Campaigning sowieso, vor allem, wenn im Fernsehen gerade kein „Dschungelcamp“ ist. Die Kommentatoren sind auch glücklich, können sie dann doch fortgesetzt und streng ihrer Sorge Ausdruck verleihen, wohin denn das alles noch führen wird. Und nicht zuletzt haben natürlich die handelnden Personen selbst mit Dirty Campaigning eine Riesenfreude. Der Anpatzer, weil er jetzt endlich die Chance nützen konnte, das andere Arschloch als das hinstellen zu können, was es ja zweifellos und allgemein anerkannt ist: ein Arschloch. Und wie sich in diesem Wahlkampf eindeutig herauskristallisiert hat, ist der Angepatzte in diesem Reigen überhaupt der Glücklichste von allen. Weil er ja schließlich voll arm ist, so schiach, wie die anderen über ihn reden. Trost findet man da allenfalls noch in den Stimmen jener Wähler, die das hoffentlich genauso sehen.
Also, wie gesagt: Total schade, dass es keiner macht. Obwohl es dann trotzdem manchmal passiert. Also, nicht absichtlich natürlich. Sondern zum Beispiel aufgrund eines „Datenklaus“, wie SPÖ-Wahlkampfmanager – ja, so etwas haben die tatsächlich! – Georg Niedermühlbichler anlässlich des Auftauchens eines „für den internen Gebrauch“ bestimmten Anti-Kurz-Videos beteuerte. Das glaubt ihm zwar eh niemand, aber dennoch steht zu befürchten, dass man ab jetzt mehr Vorsicht walten lässt. Und was dann? Wie soll denn bitte Sebastian Kurz einen vernünftigen Wahlkampf führen, wenn er sich nicht ständig über Bekleckerungen seines Heiligenbildes beklagen kann? Mit seinem Steuerkonzept vielleicht? Die FPÖ, an sich hauptgemeldet in der Opferrolle, ist überhaupt schon so verzweifelt, dass sie mittlerweile dazu übergegangen ist, Zitate von diversen blauen Hoffnungsträgern, die der Gegner wiederholt, als dirty zu brandmarken. Diese Einordnung hat zwar in diesem speziellen Fall durchaus etwas für sich, zeigt aber auch die Richtung auf, in die es gehen könnte: Wenn die Mitbewerber nicht einmal mehr das können, dann macht man sich sein Dirty Campaigning am besten gleich selber.
Das Publikum mag das. Vor allem, wenn im Fernsehen kein ' Dschungelcamp' ist.
Die SPÖ nimmt auch hier eine Vorreiterrolle ein, allerdings sind Hans Niessls bravouröse Versuche in diese Richtung schon noch ausbaufähig. Man kann zwar davon ausgehen, dass viele Mitleid mit Christian Kern haben, weil der Mann, der im Burgenland nach den Rechten sieht, schließlich in derselben Partei ist wie er. Aber um diesen Effekt in Stimmen umzumünzen – da müsste Niessl wohl doch eher anonym desavouieren. Aus diesem Fehler werden die anderen hoffentlich lernen. Wenn also demnächst eine hässliche Geschichte über Irmgard Griss aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf die Runde macht, in der ein Prosecco zu viel, ein Hotelzimmer und Norbert Hofer tragende Rollen einnehmen, dann besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Datensatz, aus dem diese Schmuddelgeschichte stammt, nicht geklaut wurde, sondern vielmehr neben ihr steht und in seiner Freizeit gerne Bäume umarmt.
Wird ruchbar, dass Sebastian Kurz für das Geilomobil nicht einmal ein Pickerl gehabt, dass er seine Putzfrau vor zwei Jahren vom Fleck und aus ihrem Schlafsack, in dem sie in Traiskirchen unter einer Eibe lag, weg engagiert und schließlich auch noch ein Tinder-Profil unter dem Pseudonym „Josef Pröll“ angelegt hat, dann muss man auf der Suche nach dem Urheber dieser interessanten Informationen vielleicht gar nicht mehr in die wie geschmiert laufende Wahlkampfzentrale der SPÖ schauen. Sondern sich vielmehr – und zwar erstmals in den vergangenen 30 Jahren – dafür interessieren, was Werner Amon, der schließlich mit der Fibel, in der Christian Kern als Marxist entlarvt wurde, schon eine tolle Talentprobe abgelegt hat, nunmehr so mit seiner vielen Tagesfreizeit anstellt. Peter Pilz könnte sich von hinten herum selbst bezichtigen, sich trotz seines Bruchs mit den Grünen immer noch zwei Mal die Woche mit Alev Korun bei der „Bauch, Bein, Po“-Stunde im Fitnesscenter zu treffen, HC Strache könnte der „Krone“ ein paar Urlaubsfotos der schönsten Sangria-Kübel samt Anhang aus den vergangenen 20 Jahren Ibiza zuspielen oder, falls ihm das zu riskant erscheint, sie nachts bei Ewald Stadler ins Postkastl schmeißen.
Falls das alles aber doch nicht passieren sollte, dann müsste man fast schon Angst vor einem faden Wahlkampf-Finale bekommen. Wenn da nicht die 50 oder so Konfrontationen wären. Die werden uns nämlich rausreißen. Jede einzelne. Garantiert.