Rainer Nikowitz: Höchst hinaus
8:00 Uhr. Eintreffen BK Kurz in Funktionshose und auf das jeweilige Bundesland abgestimmtem Trachtenjanker. Quasi Goretex meets Gabalier, also genau die Art von Hightech-Heimatverbundenheit, die die runderneuerte Volkspartei so unwiderstehlich macht. Der BK verteilt Autogramme, Kusshände und Müsliriegel mit dem Aufdruck „Wir – bergwärts, die anderen – Bergwerk!“ Nach einigen Fotos mit rotbackigen Kleinkindern (Wichtig: Unbedingt dafür Sorge tragen, dass sie frisch gewickelt sind!) geht es los.
9:00 Uhr. Die Wandergruppe ist schon gut vorangekommen, der BK geht an der Spitze und gibt das zügige Reformtempo vor. Bei aller Ambition ist es aber auch essenziell, dass niemand zurückfallen darf. Also hat das Vor-Ort-Eventteam schon vor dem Aufbruch die Lahmen und Schwachen von der Gruppe getrennt, sie beim Wirten im Tal auf eine Brettljause eingeladen und ihnen eine Startzeit genannt, die eine halbe Stunde nach der tatsächlichen liegt.
10:00 Uhr. Der BK bleibt zum wiederholten Mal kurz stehen und macht eine ausladende, das herrliche Bergpanorama in diesem großartigen Teil unseres Kleinods von einem Land umfangende Armbewegung und nickt dann ebenso zufrieden wie bedeutungsschwer. Außerdem ist er in der Zwischenzeit einem knorrigen, von der Last der Jahre gebeugten Bergbauern beim Flicken seines elektrischen Weidezauns zur Hand gegangen – ohne den Strom vorher abzudrehen.
11:00 Uhr. Der BK stoppt einen wild gewordenen Almochsen, der im Begriff ist, auf die Wandergruppe loszugehen, durch sofortiges Schließen der Kuhfladenroute mittels eines durch bloße Willenskraft herbeigeführten Felssturzes. Danach fächelt er einer durch den Schock in Ohnmacht gefallenen Marketenderin heiße Luft ins pralle Dirndldekolleté und bringt sie solcherart in ein eigenverantwortliches Leben zurück.
12:00 Uhr. Mittagspause in der Berghütte. Der BK bestellt ein Eiweißomelette von einem Ei und ein kleines Gletscherschmelzwasser und demonstriert solcherart sowohl eiserne Disziplin wie auch uferlose Bescheidenheit. Er unterhält sich ebenso launig wie verständnisvoll mit der Kellnerin, die sehr glücklich darüber ist, in dieser herrlichen Umgebung täglich freiwillig zwölf Stunden arbeiten zu dürfen und dafür ab Mitte November jede Menge Zeitausgleich lukrieren zu können. Der BK wertet dies völlig zu Recht als Erfolg seiner Politik, die die Menschen punktgenau dort abhole, wo sie nie sein wollten.
13:00 Uhr. Nach dem Essen lässt sich der BK eine Zither bringen und gibt ein Potpourri der größten Hits seiner persönlichen Spotify-Playlist zum Besten. Dabei wird er seinem Ruf als Stimmungskanone, der ihm sogar schon zu EU-Gipfeln vorauseilt, wieder einmal eindrucksvoll gerecht, denn spätestens bei seiner Polka-Version von „Ich will nen Cowboy als Mann“ der unvergesslichen Gitte gibt es kein Halten mehr. Auf der Terrasse der Almhütte wird wild getanzt und abgerockt. Der BK erklärt sein Publikum daraufhin taxfrei zur Achse der Chilligen.
14:00 Uhr. Beim Passieren eines dem „Schützenden Sebastian“ geweihten Marterls hat der BK eine Marienerscheinung. Er nimmt dies zum Anlass, die EU-Flüchtlingspolitik heftig zu geißeln und droht Maria mit sofortiger Abschiebung in den Vatikan. Die Wandergruppe, die sich natürlich ausschließlich aus nächstenliebenden Christdemokraten zusammensetzt, applaudiert begeistert und stimmt dann spontan die österreichische Bundeshymne in der nicht gegenderten Fassung an – der vermutlich feierlichste und mit Sicherheit heimatverbundenste Moment des Tages.
15:00 Uhr. Beim Abstieg kommt die Gruppe bei einem idyllischen kleinen Bergsee vorbei. Einige Mitglieder der Gruppe nützen schwimmend die mehr als willkommene Chance zur Abkühlung. Auch der BK wird aufgefordert, ins Wasser zu kommen. Er hat wieder einmal alle Lacher auf seiner Seite, als er erklärt, das ginge leider nicht, da er sich durch seine Fähigkeit, übers Wasser zu gehen, mit dem Eintauchen in selbiges leider etwas schwertue.
16:00 Uhr. Auch der schönste Tag geht einmal zu Ende. Die Gruppe kommt wieder im Tal an, der BK erkundigt sich bei jedem einzelnen Wanderer nach seinem Wohlbefinden und heilt dann einige aufgetretene Blasen sowie eine schwere Wadenzerrung mittels Handauflegen. Dann wirft er seine verschwitzten Socken in die Menge, die Glücklichen, die sie auffangen, werden heftig beneidet, Handgreiflichkeiten können aber gerade noch vermieden werden. Auch die Menschenkette, die den Wagen des BK am Wegfahren hindern will, einfach, um ihn noch länger hierbehalten zu können, löst sich bald wieder friedlich auf.