Rainer Nikowitz

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Mark: Larry, du kennst mich, ich bin vorsichtig mit Superlativen, egal, ob ich hier unser fabelhaftes, unser herausragendes 98-teiliges Messerset „Daisy Cutter“ mit dem patentierten Samurai-Schliff präsentieren darf oder den fantastischen, den ultimativen Massagestab „Hercules“ mit seinem zeitlos eleganten anatomischen Design und unserer neuartigen stufenlos verstellbaren „Scream!“-Schockwellen-Vibrationstechnologie. Aber diesmal, Larry, diesmal sage sogar ich: Was ich heute für Sie habe, meine Damen und Herren an den Schirmen, hat es in der Geschichte des Homeshoppings noch nie gegeben. Es ist eine absolute Sensation!

Larry: Ich bin schon so gespannt wie die Geduld eines Durchschnittswählers, Mark! Was ist es? Zeig es uns endlich!

Mark: Larry, ich habe die große Freude, heute dieses einmalige Angebot machen zu können: Meine Damen und Herren, kaufen Sie sich einen Politiker!

Larry: Mark, das ist großartig, das ist fantastisch! Ich wollte schon immer ­einen Politiker haben! Aber was sagst du jetzt den Skeptikern da draußen, die sich vielleicht denken: Nun ja, schön ist er nicht gerade. Da stelle ich mir lieber einen Gummibaum ins Wohnzimmer.

Mark: Larry, du kennst doch sicher das berühmte Schweizer Taschenmesser.

Larry: Oh ja, Mark, natürlich. Das hat 20 oder sogar 30 verschiedene Funktionen. So ein Messer ist ungeheuer praktisch.

Mark: Aber sieht es für dich irgendwie besonders aus, Larry?
Larry: Nein, Mark, nein. Das könnte ich nicht sagen. Eher langweilig und bieder. Und manchmal hat es ein Kreuz drauf.

Mark: Siehst du, Larry? Genau dasselbe könnte man über das Design des Politikers sagen. Ein bisschen langweilig und bieder. Und wenn du einen aus der Kollektion Volkspartei nimmst, hat er wahrscheinlich auch irgendwo ein Kreuz drauf. Aber, Larry: Design ist nicht alles – wichtig sind die Funktionen! Und ich sage dir: Mit einem Politiker wird dein Alltag so ungeheuer erleichtert, du wirst dir gar nicht mehr vorstellen können, keinen zu haben!

Larry: Das klingt unglaublich verlockend, Mark! Lass doch mal sehen, was er alles kann.

Mark: Hier habe ich zum Beispiel das Einsteigermodell „Newcomer“, erhältlich in den Farben Orange oder Blau. Sehr robust, durch die simple Mechanik absolut bedienerfreundlich – dafür braucht man kein Harvard-Diplom, Larry! Und er funktioniert vollkommen klaglos. Du brauchst ein bestimmtes Gesetz? Du willst etwas verkaufen? Du willst dir einen unlauteren Vorteil gegenüber deinen Konkurrenten verschaffen, die glauben, auf einen Politiker verzichten zu können? Kein Problem! Der „Newcomer“ erledigt das für dich! Und du sparst Zeit, Geld und Nerven!

Larry: Das ist der absolute Hammer, Mark! Aber sag, ist so ein Politiker nicht wahnsinnig teuer?

Mark: Larry, es ist uns ein wirkliches Anliegen, dass sich jeder seinen Politiker leisten kann. Deshalb haben wir schon bei der Produktion darauf geachtet, dass wir alles Überflüssige, alles, was das Endprodukt verteuern könnte, weglassen. Edle Materialien? Charisma? Wer braucht denn so was? Überzeugungen? Gott, was für ein luxuriöser Schnickschnack! Ehrlichkeit? Ein Gewissen? Ich sage dir eins, Larry: Gerade so ein Gewissen macht einen Politiker nicht nur wahnsinnig unhandlich, sondern auch unerschwinglich. Also weg damit!

Larry: Du hast mich überzeugt, Mark! Ich will einen haben. Wie viel kostet er nun?

Mark: Also, Larry, du bekommst von mir: den Politiker; zusätzlich die auf fünf Jahre verlängerte Legislaturperiodengarantie; den Sprachchip mit den schönsten Plattitüden für Spatenstiche, Zeltfeste und Sparpakete plus den Extra-Bonus-Sprachchip mit den sorgenvollsten Äußerungen über Demokratie im Wandel der Zeiten und – wenn du dich für das Fortgeschrittenenmodell „Regierung“ entscheidest – mit den schlimmsten Bedenken über den Aufstieg des Rechtspopulismus. Und das alles nicht um zehn Millionen Euro! Auch nicht um eine Million Euro! Nein, Larry, wir verschleudern das ganze Paket um sagenhafte 100.000 Euro!

Larry: Das ist toll, Mark! Aber manche werden vielleicht finden, dass das immer noch sehr viel Geld ist, Mark.

Mark: Ja, Larry, und deshalb sage ich dir etwas: Die ersten 20 Anrufer, die einen Minister bestellen, bekommen von mir einen Staatssekretär obendrauf. Völlig kostenlos!

Larry: Und wenn einer aber jetzt trotzdem keine 100.000 hat, Mark?

Mark: Dann sagen wir eben 25.000, ­Larry!

Larry: Das muss doch noch billiger gehen, Mark! Komm schon, wir reden hier von einem österreichischen Politiker!

Mark: Okay, Larry, ich verstehe das Problem. Dann habe ich immer noch unser Kennenlernangebot: Einen Tourbus für den Sohn – und wir reden nicht mehr drüber!

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