Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Starke Stimme

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Friesenbichler hatte schon mehr gelacht. Er musste eindeutig konstatieren, dass sich dieser Sommer summa summarum eindeutig nicht nach seinem Geschmack entwickelte.

Da war einmal diese Geschichte mit Israel und Gaza. Die war zwar natürlich nicht ganz so ärgerlich wie das Wetter, das in Friesenbichlers Lieblingszeitung „Österreich“ wahlweise „irre“, „total irre“ oder aber auch „komplett irre“ war. Aber schon auch. Nicht, dass Friesenbichler da Genaueres gewusst hätte. Und auch nicht, dass ihn Genaueres wahnsinnig interessiert hätte. Er wusste nur, dass die sich da unten wieder einmal gegenseitig die Schädeln einhauten, was ihm ja an sich auch wurscht gewesen wäre, wenn nicht die Börsenkurse darunter gelitten hätten. Und die konnten dem Friesenbichler leider nicht mehr wurscht sein, seit er damals beim Abschluss der dynamischen Lebensversicherung bei der Frage nach seinem persönlichen Anlagerisikoprofil augenzwinkernd „hoch“ angekreuzt hatte, weil er bei der Versicherungstante, die doch ganz schön viele Blusenknöpfe offen gehabt hatte, ein paar Meter machen hatte wollen.

Aber wie gesagt: Dieses Wetter! Friesenbichler hatte sich zwar noch gefreut, dass durch diese permanente Feuchtschwüle heuer wenigstens ein super Schwammerl-jahr war. Aber dann hatte er letztens am Semmering sieben von den neun Kilo Steinpilzen, die er gebrockt hatte, wieder hergeben müssen, weil ihn so ein gschissener Kontrollor erwischt und ihm erklärt hatte: Zwei Kilo – und nicht mehr! Typisch. Dafür hatten sie ein Geld. Um die Blätterdiebe in Grinzing, die ganze Weinberge systematisch entlaubten und wegen denen die FPÖ jetzt sogar eine parlamentarische Anfrage stellen hatte müssen, weil sich ja ein jeder denken konnte, woher diese Verbrecher kamen, um die kümmerte sich natürlich keiner. Aber dafür ließen sie da einen im Wald herumrennen, der anständigen Bürgern die hart erkämpften Schwämme wieder aus der im Geiste schon an ihnen angekleisterten Panier riss. Friesenbichler verstand das durchaus als Anschlag auf seine bürgerlichen Freiheiten.

Gut, er musste einräumen, dass es anderswo Anschläge auf ganz andere bürgerliche Freiheiten gab, was man so hörte. Bei den Türken. Wobei die diesen Erdogan ja sogar selber gewählt hatten. Oder bei den Russen, also da in der Ukraine drüben. Wobei die diesen Putin ja irgendwie auch selber gewählt hatten – wenn man von den Stimmen für ihn einmal absah, die erst nach Wahlschluss in die Urnen gekommen waren.

Und dann erst im Iran, was da gerade los war! Oder war das jetzt der Irak, wo sie mit den Köpfen von den gerade Massakrierten Fußball spielten? Man kannte sich da ja gar nicht mehr aus. Friesenbichler hatte es ja immer schon gesagt: Es gab eben einfach Völker, die waren noch nicht reif für die Demokratie. Erst unlängst beim Wirten hatte er das gesagt, als er den anderen empört von der Geschichte mit den Steinpilzen berichtet hatte und die Weinblätter dann auch erwähnt hatte. Wobei bei den Weinblätterterroristen vermutlich nicht einmal so viele Iraker dabei waren, aber dennoch: Was die da unten beinander hatten! Kaum, dass man einmal kurz nicht hinschaute und sie sich selber überließ, ging es schon zu wie in einem Zombiefilm. Und jetzt war der Friesenbichler, das gab er selber zu, nicht unbedingt einer, der politisch so ding war, weil die Politiker ja eh nur alle schauten, dass sie an den Trog kamen. Aber da musste man schon sagen, dass man da auch einmal froh sein musste, in einem Land zu leben, wo normalerweise eher keine Köpfe zum Fußballspielen verwendet wurden. Politikverdrossenheit hin oder her.

Und so hatte dieser Sommer, in dem Friesenbichler konstatieren musste, dass er schon mehr gelacht hatte, auch sein Gutes. Denn er spürte, dass er jetzt doch einmal so etwas wie ein politisches Bewusstsein entwickelte. Ja, doch. Und das ging sogar so weit, dass er, zum ersten Mal in seinem Leben, das Gefühl hatte, etwas tun zu müssen. Also so als Staatsbürger. Das Gefühl, jetzt doch einmal aufstehen und sich für etwas einsetzen zu müssen. Für die Demokratie nämlich. Die musste man verteidigen. Da musste man genau hinschauen und aufpassen, denn wenn man es nicht tat, ging es vielleicht auch bei uns auf einmal zu wie nicht gescheit. Und da musste man dann schon auch einmal seinen Arsch heben. Irgendwann kam einfach der Tag, an dem man Farbe bekennen musste. Und für Friesenbichler war dieser Tag heute.

Also nahm an der Internet-Abstimmung teil, die die Wiener Stadtregierung ausgerufen hatte, weil man – ganz der ruhmreichen Wiener Volksbefragungstradition folgend – in so einer wichtigen Frage wie der Farbgebung für die neue U5 klarerweise nicht über die Bevölkerung drüberfahren wollte. Friesenbichler bekannte Farbe. Und zwar Rosa.

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