Rainer Nikowitz: Und täglich grüßt das Murmeltier
Heinz-Christian Strache hat wieder einmal eine sehr arbeitsintensive Woche hinter sich gebracht. Zum Ersten wurde eine Würdigung seines Lebenswerkes in Buchform präsentiert, sie trägt den grammatikalisch nicht unbedingt reinrassigen Titel: "HC Strache. Vom Rebell zum Staatsmann." Beckmesser könnten einwenden, dass er das eine nie war und das andere nie sein wird – aber was kümmert es schon die deutsche Eiche, wenn sich die unpatriotische Sau an ihr reibt? In dem Heldenepos fehlen leider auf dem Weg zum Staatsmann sicherlich unerlässlich gewesene, charakterstärkende Stationen wie zum Beispiel die schöne, unbeschwerte Wehrsportlagerjugend. Aber es ist, ähnlich wie beim "Ali-Video", natürlich davon auszugehen, dass Strache bis zum Schluss nicht wusste, was sein, laut Verlagsinformation "kritischer Begleiter Martin Hobek" – dem seine ausgesprochen kritische Begleitung immerhin ein FPÖ-Mandat in Wien eingebracht hat –, da wieder alles nicht hineinschreibt.
Und es stellt sich noch eine Frage: Wer wird das Ding lesen? Straches Gefolgschaft? Hmm. Die wartet vielleicht doch lieber auf die Verfilmung. Ein einmütiges Video bei "FPÖ-TV" wurde dem Vernehmen nach schon in Auftrag gegeben.
Wir lernen: Der Muslim wohnt also im Zelt – und der FPÖler in einer Holzhütte.
Der Vizekanzler erbrachte in weiterer Folge auch gleich den Beweis seiner ausufernden Staatsmännlichkeit, und zwar wie so oft mit einem Posting auf Facebook. Da er ja jemand ist, dem bei seiner allabendlichen Literaturstunde sofort auffällt, was Hadschi Halef Omar für einer ist, blieb ihm klarerweise nicht verborgen, dass der Favoritner Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr eine "muslimische Zeltstadt" war. Ein Unding, das sich heuer durch den unermüdlichen Einsatz der FPÖ wieder in "würdige und traditionelle Holzhütten" verwandelt habe. Abgesehen davon, dass die FPÖ an dieser Änderung überhaupt nicht beteiligt war, lernen wir daraus, dass der Muslim als solcher also in Zelten wohnt – und der gemeine FPÖler in Holzhütten. Und dass die Gestaltung eines Weihnachtsmarktes mit dem Islam rein gar nichts zu tun hat, ist natürlich wurscht, es geht schließlich um die Ausmerzung von frechen Hoheitssymbolen, da kann eine Partei, die den Blick stets auf das Wesentliche gerichtet hat, nicht stumm zusehen. Als Nächstes geht es dem Vernehmen nach türkischem Honig, Araberpferden und fliegenden Teppichen an den Kragen.
An Straches Posting sieht man, welch durchschlagender Erfolg der Gipfel gegen Hass und Hetze im Internet war, den die Regierung kürzlich inszeniert hat. Aber immerhin muss man dem Staatsmann zugutehalten, dass er unter seinem echten Namen hetzt – eine Unannehmlichkeit, die er vielen seiner Fans erspart. Nicht umsonst jubelte das FPÖ-Zentralorgan "unzensuriert.at" vor einer Woche: "Keine Klarnamenpflicht: FPÖ verhindert Anschlag auf Meinungsfreiheit im Internet!" Anonymes Herumrotzen im Netz ist also die Meinungsfreiheit, die sich die FPÖ so vorstellt, ballen sich doch in ihren Reihen vorwiegend wahnsinnig mutige Rebellen und total soignierte Staatsmänner zusammen.
Vor Kurzem war George Soros in Wien – und mehr hat er nicht gebraucht. Dass der Mann, der bekanntlich plant, Europa in eine einzige muslimische Zeltstadt umzubauen, von Kanzler Kurz empfangen wurde, fällt eigentlich an sich schon unter Koalitionsbruch. Außerdem plant Soros, mit seiner von Viktor Orbán aus Ungarn weggemobbten Uni nach Wien zu übersiedeln. Und jede Uni ist der natürliche Feind der FPÖ, dort wird Bildung vermittelt – und die stört das blaue Geschäft.
Kein Wunder also, dass sich im Netz sofort eine Front der Meinungsfreiheitlichen gegen Soros bildete und ihren antisemitischen Dreck absonderte. Und ironischerweise war es ausgerechnet der persönlich über jeden diesbezüglichen Verdacht erhabene Heinz Faßmann, der dafür Prügel kassierte. In der "ZIB 2" formulierte der Bildungsminister eher unglücklich, man müsse das ignorieren. Natürlich hätte sich Faßmann auch hinsetzen und diese Leute als das bezeichnen können, was sie sind: hirn- und anstandsbefreites Gesindel. Angefeuert von einschlägigen Soros-Auswürfen diverser FPÖ-Spitzen. Tat er nicht, denn Paragraf 1 der türkisen FPÖ-Gebrauchsanweisung besagt schließlich: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Aber Faßmann ist auch schon so neben Werner Amon, also dem Mann, der es im BVT-Ausschuss wagt, das Offensichtliche auszusprechen, der größte Dorn im blauen Auge. Möglicherweise fußt die immer stärkere Feindseligkeit gegen ihn auf einem Interview, das er im März dem Zeitungssurrogat "Heute" gab. Dort beantwortete er die Frage "Sie sind ja der Intellektuelle in der Regierung. Haben Sie manchmal körperliche Schmerzen mit Vorgängen bei Ihrem Koalitionspartner?" schlicht mit: "Ich bin schmerzbefreit."
Nun gibt es stichhaltige Gerüchte, dass man ohne diese Eigenschaft niemals gemeinsam mit der FPÖ regieren könnte. Aber mindestens ebenso jobgefährdend wie diese Aussage dürfte die Bezeichnung als "der Intellektuelle in der Regierung" gewesen sein. Denn damit wurde insinuiert, es gäbe nur einen.
Und darüber hat sich Herbert Kickl dem Vernehmen nach irrsinnig gekränkt.