Zuvorsicht
Da gibt man sich zu Silvester alle Mühe, höflich zum neuen Jahr zu sein, köpft den guten Sprudel und nicht den, den man zu Essenseinladungen mitbringt, die dann hoffentlich zum letzen Mal stattfinden, macht auch pyrotechnisch die freundlichsten Nasenlöcher, Walzer sowieso. Und der Reibach? Sehr mäßig. Schon wieder.
Die Rückversetzung von Norbert Gerwald, dem somnambulen Ursus, in die treudeutsche Tiefebene war so ziemlich das Einzige, das dieses Jahr ein bisschen rausreißt. Ansonsten hätten wir gleich das alte behalten können. Krieg, Flucht, Terror. In Amerika regiert ein Las-Vegas-Mussolini nach einem B-Movie-Drehbuch. Irgendwann twittert er wahrscheinlich seine Atom-Codes. Und die spinnen, die Briten! Und überhaupt: Die ganze Welt blinkt rechts. Die Arktis passt bald in ein Cocktailglas. Und die Fußballer haben auch nichts gewonnen. Bowie. Bud Spencer. Ich weiß, man soll optimistisch sein. Man muss schon fast. Da gibt es einen gewissen sozialen Druck. Die Optimisten, das waren die, die Van der Bellen gewählt haben, sagt die Meinungsforschung. Das kann zumindest nicht zu 100 Prozent stimmen. Das weiß ich zufällig aus erster Hand. Und außerdem: Wien. 66 Prozent Van der Bellen. Alles Optimisten? Schon einmal U-Bahn gefahren? Gut, die Meinungsforschung sagt viel. Was die schon alles gesagt hat, da hätte Hillary Clinton gerne eine Air Force One drum.
Optimisten waren sicher auch schon vor einem Jahr optimistisch. Hat ja blendend funktioniert.
Natürlich ist es gut, dass wir Optimisten haben. Wo wären wir ohne sie? Aber: Optimisten waren sicher auch schon vor einem Jahr optimistisch. Hat ja blendend funktioniert. Wenn das kein überzeugender Grund für fortgesetzten Optimismus ist, dann weiß ich auch nicht. Denken sich Optimisten angesichts des Tschinellen-Bedieners in der Hare-Krishna-Bigband auf der Mariahilfer Straße eigentlich: "Sieh nur, dieser nette junge Herr im gelben Leintuch mit dem entrückten Lächeln! Der ist sicher auch Optimist!"? Aber eines ist natürlich auch klar: Als Pessimist ist man zweifellos in weitaus schlechterer Gesellschaft.
Die Parole dort lautet: "Wir zerschlagen das System!" Das klingt nach echtem Widerstand, in Zimbabwe oder China. Oder nach der Fraktion "Nein zum Biennialsprung" in der Beamtengewerkschaft. Oder nach 1968. Klar, das ist es: Die Rechtspopulisten sind die neuen Achtundsechziger. Ohne Dope und Sex. Und mit Mekka statt Vietnam. Man sollte unzensuriert.at einen Artikel über dieses interessante Phänomen anbieten.
Jedenfalls ist "zerschlagen" letztlich eher nicht völlig positiv besetzt. Zerschlägt man etwas, ist es nachher hin. In seltenen Fällen kann das zugegebenermaßen auch ein Gewinn sein. Bei Kokosnüssen. Oder natürlich bei einem Ei. Wenn Leute gern etwas zerschlagen, könnten Eier die Lösung sein. Man sollte da etwas unternehmen. Dem Pensions-Hunderter muss ein Eier-Fünfziger folgen. Sparen ja, aber bitte nur dort, wo es sinnvoll ist. Das begleitende Eier-Kochbuch machen Andi & Alex, es wird über "Licht ins Dunkel" gratis an Pessimisten verteilt. Und wenn alle eiermäßig ausreichend dem Zerschlagen gefrönt haben, dann denken sie sich in der Wahlkabine vielleicht: "Ach, das ist jetzt auch schon fad." Mir gefällt die Eier-Idee. Ich muss mich bei Gelegenheit bei dem Tschinellen-Bediener von der Hare-Krishna-Bigband bedanken.
Pessimisten packen nicht an. Da geht nie was weiter. Das ist auch schlecht für die Wirtschaft.
Pessimisten können natürlich furchtbar sein. Wenn alle Pessimisten wären, dann hätte Alexander Fleming damals gesagt: "Geh, das mit dem Penicillin wird eh nichts. Bleiben wir beim Kamillentee." Pessimisten packen nicht an. Da geht nie was weiter. Das ist auch schlecht für die Wirtschaft. Pessimistische Maurer sind der Schrecken jedes Häuslbauers. Pessimistische Masseure bekommen selten Trinkgeld. Manchmal spricht man jedoch auch von gesundem Pessimismus -ein von Pessimisten erfundener Begriff, damit sie sich besser fühlen. Gesunder Pessimismus wäre zum Beispiel, dass man, nachdem man drei Mal mit dem Kopf gegen den Türstock gerannt ist, vor dem vierten Mal eher nicht davon ausgeht, dass man in den letzten zehn Minuten überfallsartig kleiner geworden ist. Wenn man es dabei bewenden lässt, ist es gut. Wenn man sich aber ärgert, dass man sich bücken muss, wird es auch schon wieder ungesund. Bei manchen geht das dann bis hin zum Vorschlaghammer. Dann sollten besser Eier im Kühlschrank sein.
Nein, Optimismus ist natürlich wesentlich gewinnbringender, für einen selbst und auch für die Mitmenschen. Er kann in der Wirkung sicher mit anderen Placebos mithalten. Er ist halt nur nicht jedem von sich aus gegeben. Vieles davon ist schon einmal Mentalitätssache. Wenn man uns zum Beispiel mit den Amerikanern vergleicht - die sind so viel lockerer und sonniger. Solche Optimisten werden wir nie. Oh, wait!
Aber selbst wenn einen die Mentalität nicht begünstigt -man kann Optimismus auch lernen.
Aber selbst wenn einen die Mentalität nicht begünstigt -man kann Optimismus auch lernen. Man kann Einradfahren und Fingerstricken lernen, also warum nicht Optimismus? Wer fingerstrickt, wird zwar für den Moment eher auch nichts zerschlagen, aber ich habe Zweifel an der Massentauglichkeit. Die Eier-Sache ist da zielführender. Oder eben Optimismus. Für den, der Optimist werden will, zum Beispiel weil seine Freunde nicht mehr "The Walking Dead" mit ihm schauen wollen, wenn er immer so eine Endzeit-Stimmung verbreitet, für den gibt es Seminare. Sicher macht Armin Assinger so eines. Nach einem Wochenende mit Armin sieht man die Welt garantiert mit anderen Augen. Darum sollte man auch keinesfalls zu ihm gehen, wenn man schon Optimist ist.
Kleine Schritte kann man aber auch zu Hause machen, ohne die Hilfe von Experten. Man muss sich die Welt einfach ganz fest so lange besser vorstellen, bis sie es endlich ist. Das kann doch nicht so schwer sein. Hilfreich ist sicher auch, öfter bewusst an zukünftige Ereignisse denken, auf die man sich freuen kann, die Anlass zu Optimismus geben. Ich für meinen Teil habe mir etwa die Curling-WM in China im Kalender angestrichen. Die wird sicher nett. Ich glaube ja, Curling-Spieler sind optimistische Menschen. Und man kann fingerstricken beim Zuschauen. Außerdem sollte man für mögliche Optimismus-Rückschläge immer gleich eine Medizin parat haben. Das fröhlich stimmende Kontrastprogramm, das einen wieder an die Welt glauben lässt. Und da empfiehlt es sich, vorausschauend zu handeln. So mag zwar am 20. Jänner die Inauguration von Donald Trump sein. Ich lasse mich davon aber sicher nicht lange unterkriegen, denn am 21. Jänner ist Internationaler Jogginghosentag, und da habe ich große Pläne. Und gleich nach meinem Tschinellenkurs wählt am 23. April Frankreich zwar vielleicht Marine Le Pen, aber hey: Das ist auch der Tag des Deutschen Bieres!
Mir geht es schon viel besser.
Und dann machen wir am besten noch Folgendes: Wir geben uns zu Silvester alle Mühe, höflich zum neuen Jahr zu sein, köpfen den guten Sprudel und nicht den, den man zu Essenseinladungen mitbringt, die dann hoffentlich zum letzen Mal stattfinden, machen auch pyrotechnisch die freundlichsten Nasenlöcher, Walzer sowieso. Man weiß ja nie.