Kommentar

Im Namen des Patriotismus

Europas Rechte steigen zur drittgrößten Fraktion im EU-Parlament auf. Doch die nationalistische Internationale steckt voller Widersprüche.

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Jahrelang haben Europas Rechtsextreme und Rechtspopulisten versucht, sich zu einer großen Fraktion zusammenzuschließen, Anfang der Woche war es dann so weit. Im Europäischen Parlament in Brüssel präsentierte FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky gemeinsam mit seinen Mitstreitern die „Patrioten für Europa“.

Angeführt wird die Fraktion vom Spitzenkandidaten des Rassemblement National (RN) bei den EU-Wahlen sowie bei den Parlamentswahlen in Frankreich, Jordan Bardella. Der RN stellt mit 30 Abgeordneten die größte Partei in der Gruppe, die insgesamt auf 84 Abgeordnete aus zwölf Ländern kommt. Damit sind die „Patrioten“ die drittgrößte Fraktion im EU-Parlament nach der konservativen EVP und der sozialdemokratischen S&D. Die europaskeptischen bis rechtspopulistischen „Europäischen Reformer und Konservativen“ unter Führung der Fratelli d’Italia kommen nur noch auf Platz vier.

In der neuen Fraktion hat auch die ungarische Fidesz von Viktor Orbán eine Heimat gefunden. Als sich die „Patrioten“ in Brüssel versammelten, war Ungarns Regierungschef gerade von seiner „Friedensmission“ in Moskau zurückgekehrt. Der Besuch kurz nach Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft sorgte EU-weit für Kritik, in Brüssel wurde sogar erwogen, Ungarn die sechsmonatige Ratspräsidentschaft wieder abzunehmen.

In der neuen Fraktion störte das Treffen mit Wladimir Putin offenbar niemanden. Dabei war der Umgang mit Russland lange der größte Stolperstein im Vorhaben, Europas Rechte zu vereinen. Während Rechtspopulisten aus dem Baltikum und aus Osteuropa, allen voran die polnische PiS, in Putin den Hauptfeind sehen, suchten andere die Nähe zum Kreml. Doch die PiS ist der neuen Fraktion nicht beigetreten, und der einzige Balte, Abgeordneter der rechtspopulistischen Partei „Lettland zuerst“, zeigt sich von der Russland-Nähe seiner Fraktionsfreunde unbeeindruckt.

Einigkeit besteht in der Heraufbeschwörung eines Kulturkampfs, in der Forderung nach einer Rückkehr der Kompetenzen an die Nationalstaaten sowie im Kampf gegen illegale Migration und Green Deal. Die Formulierungen sind vage, vieles wird ausgespart.

Offenbar haben Europas Rechte aus den Streitereien der Vergangenheit gelernt. Im „patriotischen Manifest“ der neuen Fraktion kommen der Umgang mit Russland und der Krieg in der Ukraine nicht vor. Man wolle sich für Frieden, Sicherheit und Entwicklung einsetzen anstelle von Krieg, Migration und Stagnation, heißt es. Damit bleibt die Tür auch für jene Parteien offen, die eindeutig für die Ukraine einstehen.

In der Vergangenheit scheiterte die nationalistische Internationale an ihrem inhärenten Widerspruch. Im Jahr 2007 beschimpfte Alessandra Mussolini, Abgeordnete der „Forza Italia“ und Enkelin des einstigen italienischen Diktators, Rumänen pauschal als „Zigeuner“ und „Kriminelle“. Daraufhin sprengten die rumänischen Abgeordneten die gemeinsame Rechtsaußen-Fraktion; „Identität – Tradition – Souveränität“ war nach nur zehn Monaten Geschichte. Die Nationalisten waren über ihren eigenen Rassismus gestolpert.

Man wolle jetzt die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen, hieß es bei der Pressekonferenz in Brüssel.

Einigkeit besteht in der Heraufbeschwörung eines Kulturkampfs, in der Forderung nach einer Rückkehr der Kompetenzen an die Nationalstaaten sowie im Kampf gegen illegale Migration und Green Deal. Die Formulierungen sind vage, vieles wird ausgespart.

Es bleibt die Frage, wie harmonisch es in so einem Club der Nationalisten langfristig zugehen kann.

Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nationale Interessen über alles stellen. Kein anderer macht das besser vor als Viktor Orbán. So hat Ungarns Regierungschef etwa eine Sondersteuer für ausländische Unternehmen eingeführt. Das widerspricht den Grundfreiheiten der EU und schadet auch österreichischen Konzernen. Die Handelskette „Spar“ ist in Ungarn ins Minus gerutscht, hat Beschwerde eingelegt – und wird seither von den ungarischen Behörden schikaniert. Außenminister Alexander Schallenberg fordert von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest.

Im Namen des Patriotismus behindert Orbán österreichische Unternehmen in seinem Land. In Namen des Patriotismus ziehen Nationalisten die Grenzen ihrer Solidarität entlang der Nationalstaaten und schaden damit allen anderen – auch den Gesinnungsfreunden jenseits der Grenze.

Wie gehen Österreichs Nationalisten damit um? Gratuliert die FPÖ den Ungarn, die im Namen des Patriotismus österreichischen Unternehmen schaden? Ruft Herbert Kickl in Budapest an, um Viktor Orbán bei der Abstrafung ausländischer Konzerne beizustehen?

Konsequenterweise müsste er das tun.

Vor den Parlamentswahlen von 2022 hat Viktor Orbán Wahlgeschenke verteilt und die Staatskassen geleert. „Wir verpflichten die Banken, die Versicherungen, die großen Handelsketten, die Energiekonzerne, die Telekom-Unternehmen und die Fluggesellschaften, den größten Teil ihres Extra-Profits in zwei Fonds einzuzahlen“, sagte er damals. Ungarische Unternehmen werden verschont, dabei haben sie in den vergangenen Jahren große Profite mit staatlichen Aufträgen eingefahren. Zahlen müssen die ausländischen Unternehmen.

So machen sie das, die Nationalisten.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.