Leitartikel

Rosemarie Schwaiger: Taschengeld für die braven Kleinen

Die Regierung sollte endlich wieder anfangen, uns Bürger wie Erwachsene zu behandeln.

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Die vergangene Woche ging ordentlich ins Geld. Man kommt derzeit kaum hinterher mit dem Milliardenzählen. Allein die bei einer zweitägigen Regierungsklausur im Bundeskanzleramt beschlossenen Hilfsmaßnahmen belaufen sich auf rund 15 Milliarden Euro. Insgesamt soll der Wiederaufbau nach Corona laut aktuellen Schätzungen etwa 50 Milliarden verschlingen. Aber das muss nicht das letzte Wort gewesen sein; die Krise ist ja noch jung.

Die Geldschwemme liegt im globalen Trend. Reihum werden derzeit Fantasiesummen ausgegeben, um die Wirtschaft nach dem Virus-Lockdown wieder halbwegs zu stabilisieren. Sollten die staatlichen Interventionen nicht greifen, gehen wir also wenigstens nicht als Einzige pleite. Ein österreichisches Spezifikum ist allerdings die gönnerhafte Attitüde, mit der Türkis-Grün das Geld verteilt. Ständig ist von "großzügigen Hilfspaketen" die Rede - gerade so, als müssten die Mitglieder der Bundesregierung ihre Sparbücher auflösen und fortan nur noch Kartoffelsuppe essen, damit unsereins weiterhin in Saus und Braus leben kann. Gelegentlich würde der Hinweis nicht schaden, dass es sich bei den absurden Summen um Kredite handelt, die wir Bürger in den nächsten Jahren und Jahrzehnten abstottern werden. Keiner kriegt etwas geschenkt, auch nicht das Baby, dem Arbeitsministerin Christine Aschbacher neulich vor der Linse des Regierungsfotografen einen Hunderter ins Patschhändchen drückte.

Aschbachers befremdlicher Einsatz, reportiert von der "Kronen Zeitung", wurde zu Recht von allen Seiten kritisiert. Aber die sorgfältig komponierte Szenerie warf immerhin ein Schlaglicht auf die Art, wie diese Regierung seit Pandemiebeginn mit den Bürgern umgeht: Das Volk ist nicht länger der Souverän, sondern ein Haufen Kinder, die man mit einer ausgewogenen Mischung aus Strenge und Güte durchs Leben führen muss. Erst galt es, brav zu sein und ohne Murren daheim zu bleiben, damit das Virus die Lust verliert. Weil das so gut geklappt hat, gibt es jetzt Extra-Taschengeld für alle, die besonders arm dreinschauen. Manche der beschlossenen Leistungen basieren, wie das bei Taschengeld so üblich ist, auf reiner Willkür. Wer etwa zwischen Juli und September mindestens zwei Monate arbeitslos ist, bekommt einmalig 450 Euro überwiesen. Alle Parteien außer der ÖVP und viele Experten hatten sich für eine zumindest vorübergehende Erhöhung des Arbeitslosengelds ausgesprochen. Sebastian Kurz wollte das nicht, weil es gerade in niedrig qualifizierten Bereichen attraktiv bleiben solle, sich so schnell wie möglich um eine neue Stelle zu bemühen, wie er sagte. Aktuell wird es zwar nicht so einfach sein, einen Job zu finden. Aber natürlich darf der Sozialstaat nicht zu gemütlich werden, da hat der Bundeskanzler schon recht. Nur warum dann die 450 Euro? Und warum nur für jene, die im Sommer arbeitslos sind? Kriegen Menschen, die ihre Arbeit erst im Oktober verlieren, vielleicht auch noch ein paar Hunderter, wenn sie recht nett bitte sagen?

Einmalzahlungen kommen als Geschenk von oben daher, nicht als Erfüllung eines Anspruchs. Auch deshalb sind sie derzeit so beliebt: Familien erhalten für jedes Kind 360 Euro - und zwar alle, ob sie von der Wirtschaftskrise betroffen sind oder nicht. Die wirklich Betroffenen können sich schon länger um eine Auszahlung aus dem Familienhärtefonds anstellen. Da gibt es allerdings nur 50 Euro für höchstens drei Monate. Wer aller sonst noch warum wie viel aus den diversen anderen Hilfsfonds bekommen hat oder vielleicht erst bekommen wird, ist trotz täglich mindestens einer Pressekonferenz noch immer unklar. Es soll ja spannend bleiben.

Ein Lockdown lässt sich nur umsetzen, wenn man die Bürger weitgehend entmündigt. Das war überall so, wo die Virusbekämpfung mithilfe dieser drastischen Maßnahme angegangen wurde. Irgendwann sollte die Politik aber wieder anfangen, erwachsene Menschen auch wie Erwachsene zu behandeln. In Österreich gibt es diesbezüglich sehr viel Luft nach oben - und das gilt nicht bloß für die Hilfsmaßnahmen: Gesundheitsminister Rudi Anschober etwa hielt es vor ein paar Wochen für angebracht, bei einer Pressekonferenz Babyelefanten aus Pappe zwischen sich und den anderen Gesprächspartnern aufzustellen. Thematisch ging es um die Corona-App, die Anschober promoten wollte. Und wer genau hinschaute, konnte an den Rüsseln der Elefanten auch tatsächlich kleine Mobiltelefone baumeln sehen. Die Inszenierung passt gut zum Tonfall, den Anschober seit ein paar Monaten grundsätzlich anschlägt, wenn er sich an die Öffentlichkeit wendet, und der irgendwo zwischen Volksschullehrer und Schlafsaalaufsicht im Internat liegt. Immer schön vorsichtig sein, gell.

"Wir haben natürlich die Aufgabe, relativ komplexe Verordnungen oder rechtliche Regelungen so zu übersetzen, dass man sie verstehen kann", erklärte Sebastian Kurz jüngst im "ZIB 2"-Interview auf die Frage, warum die Regierung wochenlang vor der Übertretung gar nicht existierender Ausgangsbeschränkungen gewarnt hatte. Man müsse in einer Krisensituation "möglichst einfach kommunizieren",meinte der Kanzler. Unter uns: So blöd sind wir gar nicht. Wir könnten wieder anfangen, uns halbwegs normal miteinander zu unterhalten.

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Rosemarie Schwaiger