Royal Flush für Herbert Kickl
Rien ne va plus – nichts geht mehr. Das neue Jahr startet wie das alte endete: schwierig. Die Neos („Wir sind bereit Verantwortung zu übernehmen“) zogen sich nach Wochen des Herumverhandelns am Freitag aus den Koalitionsgesprächen zurück. Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger sprach für ihre Verhältnisse lange in einer Pressekonferenz und erklärte wortreich die Entscheidung der Pinken. Hauptpunkt: Angeblich gibt es zu wenig Reformwillen und in Österreich gäbe es viel zu tun.
Damit hat Meinl-Reisinger Recht. Es gibt riesige Baustellen und die Beharrungskräfte der Politik sind stark. Auch wenn ÖVP-Chef Karl Nehammer gebetsmühlenartig ein „Kein weiter wie bisher“ vor sich herträgt, übrigens nachdem seine Partei nach Jahrzehnten in der Regierung sitzt.
Trotzdem: Die Pinken wussten von vornherein, mit welchen Parteien sie verhandeln, dass man sie eigentlich nicht braucht und dass sie insofern kein besonders wichtiger Player am Verhandlungstisch sind. Denn Schwarz und Rot haben miteinander eine Mehrheit – insofern konzentrierten sich die Koalitionsverhandlungen darauf, dass diese Parteien gemeinsame Nenner finden und das war schwierig genug. Staatsräson bedeutet nämlich auch, Opfer zu bringen, sich zu verbiegen und Kompromisse einzugehen – wie das im Übrigen die letzte schwarz-grüne Regierung vorexerziert hat.
Die Neos waren offensichtlich beleidigt, dass sich in erster Linie die Erwachsenen unterhielten und sie in den Verhandlungen eher geduldet als gehört wurden. Aber was hat man geglaubt? Dass man als 9-Prozent-Partei alles umreißen kann? Das ist eher nicht realistisch. Auch wenn Meinl-Reisinger jetzt behauptet, es sei der fehlende Reformwille, der die Pinken dazu treibt, sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen. Das ist nur eine Seite der Wahrheit. Die andere ist: Sie hat es einfach nicht geschafft, die Skeptiker in ihren Reihen ins Boot zu holen – von vornherein stand die in sich gespaltene Partei diesem Experiment kritisch gegenüber und es gab intern etliche Querschüsse. Und das war wohl das Hauptproblem.
Man konnte Meinl-Reisinger am Freitag ansehen, dass sie das schlechtes Gewissen plagte. Wohl auch deswegen stellte sie Schwarz-Rot Mehrheiten im Parlament in Aussicht. Nur: Was soll das bitte sein? Regierungsverantwortung übernehmen will man nicht, aber dann die Regierung vor sich hertreiben? Daumen hoch, wenn es gerade passt, Daumen runter, wenn man keine Lust hat? Das ist kein Zustand und es ist nicht davon auszugehen, dass Nehammer mit dieser Instabilität weiterarbeiten will.
Die große Frage lautet: Und was jetzt? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man könnte doch noch mit den Grünen reden – Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird wohl darauf drängen, die Lust in der ÖVP für eine Neuauflage ist aber enden wollend.
Klar ist: Diese Situation ist ein Royal Flush für FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er hatte damals, als Van der Bellen den Regierungsauftrag an Nehammer erteilte, wütend gesagt, es sei noch nicht aller Tage Abend. Da hatte er Recht gehabt. Kickl ist ein geduldiger Mensch, und das hat sich auch jetzt ausgezahlt. Er geht abermals als großer Gewinner hervor. Schwarz, Rot und Pink haben gezeigt, dass sie zusammen nichts zustande bringen, das Experiment ist gescheitert, bevor es begonnen hat. Vielleicht gibt es am Ende nun doch einen „Volkskanzler“ Kickl, falls er einen Koalitionspartner findet.
Wenn es die ÖVP sein soll, dann wohl nicht mit Karl Nehammer – er wird die Kickl-Nummer nicht machen. Vielleicht also doch wieder Sebastian Kurz? Der dementiert zwar jegliche Rückkehrgerüchte – aber er ist ein politisches Tier und hier noch nicht fertig. Auch in der ÖVP mehren sich die Rufe nach seiner Rückkehr. Wenn man ihn lang genug lieb bittet, wird er es vielleicht doch tun.
Theoretisch sind die Schwarzen nicht die Einzigen, die als Koalitionspartner infrage kommen. Auch die SPÖ wäre denkbar – allerdings ebenfalls nicht mit der aktuellen Parteispitze. Auch hier müsste es wohl einen Wechsel geben, um ein blau-rotes Experiment zu wagen, die Partei müsste sich öffnen.
Freilich kann es auch sein, dass beide Parteien weiterhin nicht mit der FPÖ koalieren wollen. Was dann?
Dann gäbe es noch die Option von Neuwahlen – es ist davon auszugehen, dass Kickl nach diesem Verhandlungsdesaster weiter an Stärke gewinnt.
Egal was kommt: Für Österreich ist das momentan alles eine Katastrophe. Während sich die Parteien in taktischen Planspielchen ergehen, geht das Land den Bach hinunter. Österreich ist in einer massiven Wirtschafts-, Bildungs- und ehrlicherweise Sinnkrise. Vielleicht sollte die Politik nicht nur darüber reden, Verantwortung übernehmen zu wollen – sondern es auch tun. Auch wenn, der Preis dafür manchmal hoch ist, denn uns läuft die Zeit davon.