Rudi Klein: Schluss mit lustig
Werde ich wohl nach meiner langen Arbeitstätigkeit zum Abschied von profil eine goldene Uhr geschenkt bekommen? Eventuell mit Gravur („Tschüss mit Linsen“)? Bei der Auswahl des Zeitmessers könnte ich jedenfalls behilflich sein. „Leitwitz“ wurde redaktionsintern die Illustration des wöchentlichen Leitartikels genannt. Das „Leitwitz“-Ende fällt mir nicht nur schwer.
Die politische Zeichnung in Zeitungen und Zeitschriften ist mehr oder weniger ein Auslaufmodell. Kaum jemand kann noch sagen, wozu sie dient. Inzwischen verzichten viele Druckwerke ganz darauf. Dazu kommt, dass der Humor im deutschsprachigen Raum bekanntermaßen ein Mauerblümchendasein fristet. Zumindest jene Humorform, die für Menschen mit einem Intelligenzquotienten über 30 erträglich ist. Dabei spielt sich das analog zur Politik ab: Zunehmend werden die größten Idioten als Zielgruppe angepeilt.
Die politische Zeichnung ist mehr oder weniger ein Auslaufmodell.
Das Ergebnis lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Verdummung der Menschheit schreitet fröhlich voran,
angetrieben von fantasielosem Gewinnstreben wird das gern in Kauf genommen, dabei buchstäblich jede Form der Zensur verzichtbar gemacht: Der von Verlagen umschmeichelte Zeitungsleser bekommt genau das, was er ohnehin schon kennt: endlose Wiederholungen von gezeichneten Belanglosigkeiten, die den Konsum nicht stören. Und Cartoonisten, die sich als moralische Instanzen gerieren. Und die alles Mögliche sind – nur nicht lustig. Natürlich fand auch ich es ermüdend, mich über Jahrzehnte hinweg mit verhaltensoriginellen, psychologisch leicht zu entschlüsselnden Figuren beschäftigen zu müssen (siehe Schüssel, Haider, Kurz, Strache etc.), um am Ende deren Bekanntheitsgrad zu steigern. Da ist viel Leidensfähigkeit vonnöten.
Außerdem zweifelte ich im Lauf der Zeit zunehmend an der Wirksamkeit der humorigen Zeichnung, wobei ich in diesem Fall kein Einzelschicksal bin: Viele Journalistinnen und Journalisten können das nachfühlen. Der Schriftsteller Kurt Vonnegut antwortete einst auf die Frage eines Interviewers, welche Brisanz eigentlich Vonneguts politische Schriften hätten: „Die haben die Sprengkraft einer Bananencremetorte.“ Selbstverständlich führt das ständige Anrennen gegen den täglichen Wahnsinn zu brummender Abstumpfung. Dies ist ein weiteres Argument, sich zurückzuziehen, nur noch Katzen haarlos zu streicheln und sich dem einzigen Lochgott anzuvertrauen.
Die Illustration von Christian Rainer finden Sie in der profil-Ausgabe 3/2022 - hier als E-Paper.
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