Satire

Alles anders!

Auch diese Woche wieder: Disruptionen, wohin man schaut. Kein Wunder, dass dieser rasche gesellschaftliche Wandel viele Leute verunsichert!

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Ein großes Problem unserer unstet gewordenen Zeiten ist ja, dass wir Zivilisationsgeschädigte uns nicht mehr auf das Tempo einstellen können, in dem die immer zahlreicheren Neuerungen auf uns einprasseln. Egal ob technologische oder gesellschaftliche. Nehmen wir nur das erstaunliche Geschehen in Österreich vergangene Woche: Auf einmal, völlig aus heiterem Himmel und nur knapp acht Wochen nach der Nationalratswahl – werden Koalitionsverhandlungen aufgenommen! Einfach so! Damit war nicht zu rechnen. Ich meine, es wurde zwar eh über die ganze Zeit der Koalitionssondierungen hinweg kommuniziert, dass es zwar nicht einfach sei, aber immerhin konstruktiv verlaufe. Aber dennoch! Ich meine, man musste ja quasi bei null beginnen. („Hallo Beate, ich bin der Andreas. Meine Freunde sagen aber Andi zu mir!“ – „Hallo. Andreas.“) Außerdem hatte man sich als Breaking-News-Junkie schon irgendwie an die aktuellen Wasserstandsmeldungen gewöhnt („Wir stehen hier vor der SPÖ-Parteizentrale, wo sich vor Kurzem beinahe Beate Meinl-Reisinger zur dem Vernehmen nach möglicherweise schon vorvorletzten Sondierungsrunde mit Andreas Babler getroffen hätte – wenn sie heute Lust gehabt hätte. Es scheint aber, dass man hier und heute die Mineralwasserflasche und das Soletti-Sackerl verfrüht angebrochen hat. Und für den offenen Liptauer muss jetzt überhaupt rasch eine Lösung gefunden werden. Zurück zu dir, Tarek!“)

Darum ist es ja umso erstaunlicher, dass hier so rasch Bewegung in die Sache gekommen ist. Aber viele Leute werden jetzt klarerweise von dieser abrupten Zeitenwende wieder überfordert sein, bei leicht labilen Menschen kann das schon was auslösen. Das lässt sich aber in diesem Fall leider nicht vermeiden.

Wie auch die nächste aktuelle Disruption wohl eine notwendige war – vielerorts aber wohl noch deutlich langsamer verdaut werden wird als die überfallsartig vom Zaun gebrochenen Koalitionsverhandlungen. In der Geschichte von Twitter gibt es nämlich nunmehr zwei entscheidende Tage. Der erste war sicherlich die Übernahme durch Elon Musk, mit der es zur Akte X wurde. Der zweite ereignete sich völlig überraschend am vergangenen Sonntag. Denn mit einem Mal war X – leer. Und das liegt nicht zuletzt an unserer Social-Media-Nationalmannschaft. Armin Wolf, Florian Klenk und einige andere Stars der heimischen Medienbranche wechselten geschlossen zu Bluesky – und wurden von Armin Thurnher völlig zu Recht als „Helden“ gefeiert, unter bescheidener Einschließung seiner selbst, sicher nur der Vollständigkeit halber.

Noch hat sich Musk nicht dazu geäußert. Das wird der Schock sein. Es ist auch überhaupt noch nicht abzusehen, was das für X wirtschaftlich bedeuten wird, erste Tendenzen an der Börse lassen eine für alle Trumpisten doch sehr enttäuschende temporäre Seitwärtsbewegung vermuten. Aber viel wichtiger sind ja zwei andere Dinge. Zum ersten: Was wird jetzt aus den vielen Followern? Werden denn auch alle unfallfrei den Weg ins Licht, also zur neuen Plattform, finden? Es ist leider davon auszugehen, dass dem nicht so sein wird. Und dass doch eine erkleckliche Anzahl zurückbleiben wird, gestrandet irgendwo in den Weiten des Netzes. Und auf einmal kein Klenk mehr da, der sie an seinem Leben teilhaben lässt. Was wird das mit all den Verlassenen machen? Und das bringt uns zur zweiten, noch viel wichtigeren Frage: Was wird es aus Klenk machen? Es ist für alle Beteiligten ein Schritt ins Ungewisse …

Auch angesichts der bisher bekannt gewordenen Liste von Ministern und sonstigen hochrangigen Mitarbeitern, die Teil der Trump-Regierung sein werden – und an deren merkbar zeitaufwendiger Erstellung Elon Musk wohl beteiligt gewesen ist, was sein Schweigen zum #eXit zumindest teilweise erklären würde –, muss befürchtet werden, dass mit ihrem weiteren Anwachsen Änderungen einhergehen könnten, über deren Tragweite wir uns heute allesamt noch nicht im Klaren sind. So müssen wir uns möglicherweise bald mit der Frage befassen, wer „Chucky, die Mörderpuppe“ in seinem angestammten Beruf ersetzen soll, wenn Chucky erst einmal ranghöchster General der US-Streitkräfte ist. Die Wahl, die Trump wiederum für den neuen Chefverhandler für internationale Krisen getroffen hat, mag ja durchaus weise sein – aber für Fans von „Tom und Jerry“ könnten harte Zeiten anbrechen. Und ja, er wäre für das US-Kulturministerium selbstverständlich ein Jackpot – aber die Lücke, die der späte David Hasselhoff auf den Konzertbühnen zwischen Memmingen und Brunn am Gebirge damit reißen würde, ließe den Krater des Krakatau zur niedlichen Kuhle verkommen.

Ihnen wird das alles jetzt auch zu viel? Kein Wunder.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz