Satire

Herbert allein zu Hause

Was sich der Doch-Nicht-Volkskanzler karrieretechnisch noch nicht selbst kaputtgemacht hat, erledigt jetzt Schritt für Schritt Donald Trump für ihn.

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Der Volkskanzler saß allein und missmutig hoch oben in den Karawanken und blickte wie immer ausgesprochen wachsam um sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm das ruchlose System bis hier herauf folgte, war zwar – ob dessen Verweichlichung – gering, aber das bedeutete natürlich nicht, dass er sich entspannen konnte. Herbert konnte sich nirgends und niemals entspannen. Er hatte seine Mission und seinen Eifer. Beides duldete keine Entspannung. Ein anderer hätte sich in seiner Situation ja eher in einen Bunker zurückgezogen, aber das war nicht seine Natur. Herbert brauchte seinen Horst. Nur hier heroben konnte er in Ruhe auf alle anderen hinabsehen. Wieder klaren Kopf bekommen. Neue gute Ideen haben.

Leider musste man sagen, dass Herbert schon einmal besser drauf gewesen war. So eine Feststellung konnte man getrost auch bei einem stets strahlenden Sonnenscheinchen wie ihm treffen, denn es war ja bekanntlich alles relativ. Und so war eben aus seiner chronisch schlechten Stimmung eine akut düstere geworden. Die Winde unten im Tal wehten nicht mehr wie gewohnt ausschließlich günstig, manche Böen fühlten sich in seinem Gesicht schon wie linke Schwinger an. Man musste einräumen, dass die Konjunktur für die ganz, äh …, Kompromisslosen unter den rechten Rabiatperlen, wie der Herbert fraglos eine war, schon einmal besser gewesen zu sein schien.

Das lag natürlich nicht an Herbert selbst. Er hatte ja schließlich in den Koalitionsverhandlungen alles gegeben, war sich, seiner Radikalität, seiner Misanthropie und seinem Hochmut treu geblieben. Er konnte sich also weiterhin in den Spiegel schauen. Er wollte es bloß weiterhin nicht. Und seine Wähler, seine Fans, die wussten seine Unbeugsamkeit auch zu schätzen, da war er sich sicher. Für sie würde er immer der Volkskanzler bleiben, genauso wie Jörg Haider für immer ein dem Mossad zum Opfer gefallener Märtyrer. Also … er war sich zumindest fast sicher. Bei fast allen. Offensichtlich waren in den Umfragen wieder einige vom rechten Glauben abgefallen, nachdem aus dem imaginierten leider kein materialisierter Volkskanzler geworden war. Und: Waren die Lacher am Aschermittwoch in Ried nicht schon brüllender gewesen? Die Schenkel weichgeklopfter?

Und jetzt kam auch noch von Tag zu Tag erschwerender dazu, dass die Welt sich gerade in Echtzeit davon überzeugen konnte, dass bei Donald Trumps „MAGA“ in Wirklichkeit eine Silbe fehlte, nämlich ein zweites „GA“. Selbst Herbert, der ja sogar zu Trumps Krönungsfeier eingeladen gewesen war und in sehr vielen durchaus kühnen Vorstellungen eine Wellenlänge mit ihm teilte, empfand Donalds Gestaltungswillen mitunter als etwas tolldreist. Man musste vielleicht nicht unbedingt ein in der Sandkiste entworfenes Wirtschaftsprogramm fahren – und damit möglicherweise kurz einmal die ganze Welt gegen die Wand. Man musste auch nicht gleich als Geste des guten Willens die Okkupation Grönlands ankündigen. Dass hingegen so ziemlich jeder, der nicht Wladimir Putin war oder bei drei auf dem nächsten Baum, von Agent Orange angepöbelt und/oder erpresst wurde, das konnte Herbert durchaus nachvollziehen – kam es doch seiner Vorstellung vom einzig richtigen Umgang, den man miteinander pflegen sollte, auch sehr nahe.

Aber erstaunlicherweise waren bei den Menschen in Europa, die sich von Trumps Wortmeldungen zumindest mitgemeint und von ihnen abgestoßen fühlten, auch zusehends eigentlich rechte Wähler dabei. Die dann doch lieber so einen weichgespülten Faserschmeichler-Populismus wollten, der zwar eh irgendwie rechts ist – aber eben das System nicht zertrümmerte. Herbert schnaubte verächtlich in seinen Teebecher. Was sollte das denn bitte sein? Die waren ja fast noch schlimmer als die Linken. Diese Rechten – die es dann nicht ernst meinten. Die dann doch nicht Trump sein wollten. Oder gleich Putin. Oder eben: der Volkskanzler.

Und leider fanden diese Schwachmaten offenbar auch innerhalb seiner Partei mehr und mehr Zulauf, die potenziellen Brutusse waren deutlich mehr geworden. Am Burschenschafterball wurde sogar Systemjournalisten Herbert-Feindliches frei Haus in den Notizblock gemault, Parteihistoriker Lothar Höbelt wagte es, in einem Kommentar den Volkskanzler als „Alberich aus Radenthein“ – also auf weniger Altgermanisch gesagt: als Kärntner Giftzwerg – zu verunglimpfen. Da war etwas im Gange. Etwas, das Herbert nicht gefallen konnte.

Aber der Volkskanzler wäre nicht der sozial intelligente Meisterstratege gewesen, der er erwiesenermaßen war, wenn er nicht schon einen Plan gehabt hätte, wie er dem allen zu begegnen gedachte: Er würde in Zukunft – noch viel öfter in den Bergen sein! Dann konnte zumindest keiner behaupten, er wäre nicht ganz allein.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz