Satire

Wahlkampf brutal

Die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner vor der Wahl nimmt an Härte zu. Am brutalsten bislang sicherlich: die SPÖ gegen die Roten.

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Ludwig

Kinder! Jetzt beruhig ma uns alle wieder, so bringt des ja nix. Und bitte: Keine Tränen mehr! Du weißt ja: Ich kann dich einfach nicht weinen sehen!

Bures

Ich hab eh net gweint.

Ludwig

Dich mein ich auch nicht.

Babler

… und des Ur-Arge is ja: Ohne euch wär ich ja überhaupt gar net Parteichef! Und jetzt? Jetzt kann ich’s mit euch net bleiben!

Ludwig

Aber geh! Des stimmt do gar net, Andi. Ich versprech dir: Wir stehen nach wie vor felsenfest hinter dir.

Babler

Ja. Nur habt’s halt mittlerweile a Messer in der Hand.

Bures

Jetzt mach amoi halblang! Sachliche Einwände wie die, die ich in meinem Mail ghabt hab, san bittschön no lang ka Messer.

Babler

Stimmt. Außer vielleicht, ma schickt’s ans „Freie Wort“ in der „Krone“. Und zwar einen Monat vor der Wahl.

Bures

Des war net ich, des weißt du ganz genau.

Babler

Aber du hast eigentlich wissen müssen, dass des passiert.

Bures

Wo soll i denn bitte eine interne Kritik äußern, wenn net im Bundesparteipräsidium?

Babler

Damit’s in der SPÖ intern bleibt? Da gibt’s eigentlich nur eine Möglichkeit: Mit einem an mi persönlich adressierten analogen James-Bond-Brief, der sich zehn Sekunden nach dem Lesen selbst zerstört.

Ludwig

Glei werd ich zum Dr. No …

Bures

Ich hab mir denkt, du stehst so ungeheuer auf Basisdemokratie? Warum machst du dir dann unser Wahlprogramm nur mit deine Revolutionsgarden aus und fragst sonst niemand?

Babler

Lustig! Ihr Wiener wart’s die Ersten, die mir zu meiner Idee, dass die Basis unsere Vorsitzenden in Bund und Ländern wählen soll, ausgrichtet ham: Träum weiter, Burschi! Und jetzt auf amoi is die Basis wieder wichtig.

Bures

Ich hätt mir ja auch nie denkt, dass ich irgendwann auf einmal wieder zu der dazugehör …

Ludwig

Wir müssen jetzt wirklich mit der Streiterei aufhören! Und stattdessen alle miteinander daran arbeiten, dass wir bei der Wahl den Platz belegen, der …, äh, der uns … die meisten Möglichkeiten für die Zukunft bietet.

Babler

Na ja. Des macht’s ihr doch eh, oder? Ihr wollt’s, dass ich Dritter werd. Und daran arbeitet’s ihr mit aller Kraft.

Ludwig

Also, bitte! Was sind denn des für Unterstellungen?

Babler

Als Dritte simma sicher in der nächsten Regierung. Wenn ich hingegen Zweiter werd und den Anspruch auf den Bundeskanzler stellen kann – dann geht die ÖVP vielleicht doch lieber mit der FPÖ zusammen als mit dem Kryptokommunisten. Richtig?

Bures

Wennst es eh weißt, warum bist dann einer?

Babler

Wie hab ich einmal so schön gesagt?

Ludwig

Wurscht, was es is: Es war sicher net nur einmal.

Babler

Wir müssen keine Wahlen gewinnen – wir müssen Sozialdemokraten sein!

Bures

Der Kreisky tät dir jetzt so eine auflegen, du blöder Bub. Der hat immer a große Freud ghabt mit euch Jusos.

Ludwig

Die Jusos hat’s ja immer geben. Aber früher sind sie halt erwachsen worden, bevor sie den Parteivorsitz übernommen haben.

Babler

Ihr habt’s einfach net verstanden, dass es net so weitergehen kann. Wie so viele in der Partei. Aber damit is jetzt Schluss. Ich hab mir viel zu lang viel zu viel gfallen lassen. Ich mach jetzt des, was ich im „Sommergespräch“ im ORF ankündigt hab: Ich werd die SPÖ von Grund auf reformieren, mich von Altlasten trennen und wenn es sein muss eine kantige Oppositionspolitik machen, die …

Bures

Des Faszinierende bei eam is ja, dass er des alles wirklich glaubt. Des is ka Überschmäh. Der is wirklich so naiv!

Ludwig

Welche Altlasten tätst denn gern verlieren? Die letzten paar Stammwähler?

Babler

Diejenigen, die nicht und nicht begreifen wollen, dass unsere Zukunft einzig und allein in der radikalen Rückbesinnung auf einen Verstaatlichten-Siebzigerjahre-Staatssozialismus liegen kann! Diejenigen, die dem alten Denken verhaftet sind und beim Besteuern des überall lauernden Klassenfeinds das Weiße in dessen kalten Augen belassen wollen – und solcherart das revolutionäre Ziel von gratis Vanilleeis für alle gefährden! Diejenigen, die …

Bures

Des wär jetzt scho so ungefähr … die Hälfte der Partei? Und ich meld mi a glei freiwillig!

Ludwig

Andi, Du willst net nur a Politik machen, die nur ein Fünftel der Wähler begeistert, sondern eine, die zusätzlich grad einmal die Hälfte deiner eigenen Partei begeistert.

Babler

Und wie viel wären es dann eigentlich bei eurer Politik, ha? Womöglich a net mehr als nur – die andere Hälfte?

Bures

Eh … Wie ham wir es eigentlich gschafft, so klein zu werden – und trotzdem so gespalten?

Ludwig

Ich weiß.

Bures

Ja?

Ludwig

Mit Anlauf!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort