Ja, warum sind wir denn so rechts?
Peter Michael Lingens hat für den Rechtsruck in Europa eine einfache Erklärung. So schrieb der langjährige „profil“-Herausgeber unlängst in seiner „Falter“-Kolumne, dass staatliches Sparen gepaart mit starker Lohnzurückhaltung die Wähler scharenweise in das rechtsnationale Lager treibe. Eine ziemlich steile These, wie ich meine. Hätte Lingens recht, würde die FPÖ in den Umfragen nicht bei 30 Prozent liegen, sondern müsste um den Einzug in den Nationalrat bangen. Von Lohnzurückhaltung ist nämlich weit und breit nichts zu sehen, ganz im Gegenteil: In kaum einem westeuropäischen Industrieland wachsen die Arbeitskosten so schnell wie in Österreich. Heuer werden die realen Nettolöhne laut WIFO um 4,4 Prozent zulegen, die EU-Kommission geht gar davon aus, dass Dänemark das einzige Land in Westeuropa ist, in dem die inflationsbereinigten Arbeitseinkommen noch schneller steigen als in Österreich.
Und gespart hat der österreichische Staat ja noch nie. Allein in den vergangenen 50 Jahren schaffte es der Bundeshaushalt ein einziges Mal (2019) über die Nulllinie, und das auch nur mit Ach und Krach. Weil die Staatsausgaben wachsen wie die Schneeglöckchen im April. Vater Staat ist bereits zur Stelle, bevor nach ihm gerufen wird. Den Bürgern werden nicht nur die Folgen der Inflation abgegolten (bei Niedrigverdienern laut Budgetdienst sogar überkompensiert), der Staat übernimmt für so gut wie jede Krise die Rechnung.
Nein, für den Rechtsruck gibt es einen weitaus schlüssigeren Grund, der vor allem links der Mitte gerne heruntergespielt wird. Die Rede ist von der ungeregelten Zuwanderung. Aus einer dumpfen Vorahnung wurde Gewissheit: So schaffen wir das nicht (mehr)! Mit „wir“ sind vor allem die Schulen gemeint. Sie sollten zuwandernden Kindern eine gute Ausbildung bieten, um ihnen den Weg für ein selbstbestimmtes Leben zu ebnen. Dabei kommen allein aus Syrien Monat für Monat Kinder und Jugendliche in der Größenordnung von 14 Schulklassen nach Wien, wie profil in seiner Ausgabe vom 23. März schreibt. Es fehlt nicht nur an Lehrern, sondern auch an Unterrichtsräumen, weshalb nun eilig „Containerklassen“ aufgestellt werden. Die Stadt war auf die nachkommenden Familienmitglieder ebenso wenig vorbereitet wie der Staat.
Zugewandert wird nicht in den Arbeitsmarkt, sondern in die Sozialsysteme. Schulklassen mit 100 Prozent Migrationsanteil sind keine Seltenheit mehr.
An einen „normalen“ Unterricht ist unter diesen Voraussetzungen nicht mehr zu denken. Klassen mit nahezu 100 Prozent Migrationsanteil sind keine Einzelfälle mehr, sondern in einigen Teilen Wiens der Normalfall. Fröhliches Multikulti existiert nur noch in der bunten Fantasie einiger Bewohner hipper Wiener Innenstadtbezirke, die Realität ist eine knallharte Auslese nach Herkunft. „Wohin soll man sich als syrischer Bub integrieren, wenn man in Favoriten lebt und der einzige Österreicher der Lehrer ist, den du ein paar Stunden die Woche am Pult zu Gesicht bekommst?“, wie es der frühere Pressesprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich Ruşen Timur Aksak via „X“ auf den Punkt bringt.
Allerdings wandern nicht nur Kinder nach Österreich zu, sondern auch potenzielle Arbeitskräfte, die Österreich dringend bräuchte, um seine von der überalternden Gesellschaft bedrängten Sozialsysteme am Laufen zu halten. Bereits in sechs Jahren werden nur noch je 1,5 Erwerbstätige je einen Pensionisten erhalten müssen. Hier könnten Migranten ein wahrer Segen sein. Dafür müssten sie aber mindestens so produktiv sein wie die inländische Erwerbsbevölkerung. Davon sind wir leider weit entfernt, ein großer Teil der Neuankömmlinge muss erst alphabetisiert werden. Zugewandert wird deshalb nicht in den Arbeitsmarkt, zugewandert wird in die Sozialsysteme – und der Staat fördert das: Eine mittellose Familie mit drei Kindern in Wien kommt laut dem Steuerberater Gottfried Schellmann in der Sozialhilfe auf knapp 40.000 Euro netto im Jahr. Das verdienen viele Gutausgebildete nicht.
Niemand verlässt seine Heimat für ein paar Euro Sozialhilfe in einem fremden Land. Die Menschen fliehen vor Krieg oder weil sie sich Aufstiegschancen erhoffen. Doch eines muss klar sein: Menschen aus Syrien und Afghanistan zieht es nicht wegen der weltoffenen Bewohner oder der wild rauschenden Krimmler Wasserfälle nach Österreich. Frieden und bessere Arbeitsbedingungen als zu Hause gibt es in der Slowakei oder in Portugal auch. Für Österreich sprechen die hohen Sozialleistungen. Selbst bestens ausgebildete Migranten werden so in die Untätigkeit gelockt. Während in Dänemark 78 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge arbeiten, sind es in Österreich nicht einmal 30 Prozent. Nimmt eine alleinerziehende Mutter hierzulande einen Job an, verliert sie mit dem ersten Einkommen die günstige Unterkunft. Wollte man einen Wohlfahrtsstaat gezielt in die Unfinanzierbarkeit treiben, man könnte es nicht besser anlegen. Wenn die Regierung hier nicht gegensteuert, wird sie den Aufstieg der FPÖ weiter beschleunigen. Und die Linken brauchen dann wieder ein paar neue kreative Erklärungen für den Rechtsruck.