Schuldig, im Namen der Demokratie
Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wurde am Dienstag zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft brachte in ihrem Schlussplädoyer ein strafverschärfendes Argument: Sie habe durch ihr Verhalten das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen des Staates und die Demokratie massiv erschüttert. Wenn es danach ginge, müsste die SPÖ viele Jahre Buße tun. Unbedingt.
Der Machtkampf um den SPÖ-Vorsitz bringt das charakterlich Hässlichste der einst so stolzen Partei zum Vorschein. Es wird augenscheinlich, wer schon seit Jahren mit wem im politischen Bett liegt und von der Kuschelei beruflich profitierte. Es ist erstaunlich, wer langjährige Beziehungen für einen schnellen Flirt mit der vermeintlich künftigen Macht wegwirft, wenn es brenzlig wird. Und es bleibt unglaublich, wer plötzlich die Seiten wechselt, weil man sich davon offenbar doch mehr erhofft und nicht übrigbleiben will.
Es gibt unschöne Intrigen und riesiges Misstrauen. Noch bevor die Mitgliederbefragung um den Parteivorsitz überhaupt begonnen hatte, sprach man schon von möglichen Wahlbetrügereien. Klar, eine parteiinterne Abstimmung ist keine Nationalratswahl, aber trotzdem: Was ist denn von einer die Demokratie anführenden Organisation zu halten, die derart über ihre eigenen Instrumente denkt? Am Ende des wochenlangen Abstimmung-Elends wurde ein Gewinner ausgezählt: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil kam mit einem dünnen Vorsprung von zwei Prozentpunkte auf Platz eins. Dicht dahinter folgten die Konkurrenten Andreas Babler und die bis dato Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
Aber freilich ist es damit nicht ausgestanden: Denn aus – absolut nicht nachvollziehbaren Gründen – hatte die Partei es zuvor nicht geschafft, ein klares Prozedere für eine solche (durchaus wahrscheinliche) Situation zu definieren. Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch unprofessionell. Für klare Spielregeln zu sorgen, wäre Aufgabe von Vorstand und Präsidium gewesen – weder Babler noch Doskozil sind Mitglieder in diesen Parteigremien.
Wer dort aber ebenso bedeutende wie unrühmliche Rolle spielt, ist die Wiener Landespartei. Die hatte auf Rendi-Wagner gesetzt, und mit diesem Kalkül wohl auch ihre Delegierten für den Bundesparteitag ausgewählt. Der findet nächstes Wochenende, am 3. Juni, in Linz statt. Dort soll der neue Parteichef dann bestätigt werden.
Natürlich kamen auch dagegen wieder Einwände – warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig fiel nach absolvierter Mitglieder-Abstimmung ein, gleich noch einmal eine abzuhalten; Eine solche Stichwahl war vorab nicht vereinbart, auch das war eine große Fehlleistung der Partei. Weil das den internen Konflikt noch wochenlang am Köcheln halten würde, haben sich die Gremien für eine finale Entscheidung am Parteitag ausgesprochen. Aber selbst die wollte manch Wiener Funktionär dann wieder verschieben – vielleicht um Zeit zu haben, die Delegierten strategisch passend zum Wunschkandidaten auszuwählen? Das ist nach Rendi-Wagners Rücktritt neuerdings Andreas Babler. Zwischen Doskozil und Ludwig hat sich über die letzten Jahre eine große Abneigung angestaut. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da marschierten Wien und Burgenland Seite an Seite.
Als Doskozil Rendi-Wagner das erste Mal lautstark kritisierte, stellte sich Ludwig hinter sie; ein Affront für Doskozil, aus Wiener Sicht aber logisch: Ludwig weiß, dass Doskozil nicht kontrollierbar ist, und dass der Wiener Machteinfluss mit ihm an der Parteispitze wohl enden wollend wäre. Rendi-Wagner hatte sich dem Willen des Bürgermeisters oft gebeugt. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch war ihr zu Amtsantritt zur Seite gestellt worden – der hatte für Ludwig zuvor schon oft die Kohlen aus dem Feuer geholt. Teils mit unschönen Methoden, wie 2017 der Wien-interne Machtkampf zwischen Michael Häupl und Ludwig demonstrierte. Deutsch sorgte schließlich im Bund dafür, dass Wiener Interessen gewahrt blieben.
Ludwig kann nicht verlieren. Doskozil will nicht verlieren. Babler will nicht verlieren. Am Ende verlieren sie alle: An Reputation, an Ansehen, an Respekt. Wäre die SPÖ ein Unternehmen, sie würde mit einem solchen Ruf wohl kaum noch Mitarbeiter finden. Die SPÖ ist aber eine Partei und damit eine wichtige Säule der Demokratie, die von Steuergeld finanziert wird – und wir brauchen sie auch. Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Das sollte mit vorbildlichem, staatstragendem Verhalten einhergehen. Was hier abgeliefert wird, ist eher staatstragisch.