Siobhán Geets: Achtung, eilt!
Bevor Sie aufhören zu lesen, ohne richtig angefangen zu haben: Ich lese auch nicht gern Warnungen über das Weltklima. Das tun wohl die wenigsten, abgesehen vielleicht von einigen masochistischen Rechthabern, die sich selbst in der Katastrophe noch gern bestätigt sehen.
Wer will schon darauf hingewiesen werden, dass künftige Generationen noch mehr Wetterextremen ausgesetzt sein werden? Wer will schon lesen, dass die eigenen Kinder darunter leiden werden?
Nur: Es ist leider dringend. Der Weltklimarat (IPCC) hat soeben vor den unumkehrbaren Folgen des Klimawandels gewarnt. Fazit: Aufzuhalten ist er nicht mehr, es geht jetzt um Schadensbegrenzung. Bereits 2030 könnten 1,5 Grad Erderwärmung erreicht sein – zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. In Österreich gehen Experten von einem Temperaturanstieg von bis zu fünf Grad bis Ende des Jahrhunderts aus. Das würde die Alpenrepublik komplett auf den Kopf stellen.
Die Vereinten Nationen nennen den Klimawandel eine „unmittelbare Bedrohung“, vor der niemand mehr sicher ist. Seit Jahrzehnten werde vor den Gefahren des Klimawandels gewarnt. Die Politik habe das gehört, aber nicht reagiert.
Leider sieht es ganz danach aus, als hätte sich daran nichts geändert.
So wollen etwa China und Australien ihren bisherigen Kurs fortsetzen. Die Volksrepublik, der weltweit größte Umweltverschmutzer, möchte sich keine neuen Ziele zum Klimaschutz setzen. Die Kommunisten setzen nach wie vor auf Kohle und wollen in den kommenden Jahren neue Kraftwerke bauen. Australiens rechtskonservativer Premier Scott Morrison lehnt weitere Verpflichtungen zur Reduzierung der -Emissionen kategorisch ab. Vor Kurzem hat er angekündigt, die Gas- und Kohleindustrie weiter auszubauen. Dass darunter auch das Weltnaturerbe Great Barrier Reef leidet, eine riesige Touristenattraktion vor der Nordostküste des Landes, ist ihm herzlich egal.
Am Beispiel Australien lassen sich die katastrophalen Folgen mangelnder Klimapolitik besonders gut ablesen. Morrisons Liberal Party betreibt seit Jahrzehnten „wirtschaftsfreundliche“ Politik ohne Rücksicht auf die Umwelt. Down Under hat eine der höchsten -Emissionsraten pro Kopf und ist der weltweit größte Exporteur von Kohle. Die Konservativen haben natürlich gute Verbindungen zur Kohleindustrie. Sie spielen die Gefahren des Klimawandels seit jeher herunter, dabei ist Australien besonders hart davon betroffen: Dürren, Überschwemmungen und Buschfeuer werden für den Kontinent immer mehr zum Problem.
Und in Österreich?
Die Wirtschaftspartei ÖVP interessiert sich nicht für Umweltschutz. Das ist insofern inkonsequent, als die allermeisten Unternehmen durchaus Interesse an einem stabilen Klima – und damit an Planungssicherheit – haben. Mittlerweile kommen die Türkisen nicht mehr an dem Thema vorbei. In den besseren Momenten sehen sie die Lösung in neuen Technologien, die uns schon irgendwie retten werden. In den schlechteren übernehmen Politiker wie Sebastian Kurz die Rhetorik von Klimaleugnern des äußersten rechten Randes. (Einen „Klima-Lockdown“ werde es mit ihm nicht geben, meinte er etwa, dabei hatte das auch niemand gefordert.)
In der Debatte über die Erderhitzung sprechen Konservative und Neoliberale gerne von Hysterie, das war auch nach der Veröffentlichung des Weltklimaberichts wieder so. Mich hat das gewundert, immerhin sind das dieselben Leute, die bei jedem Flüchtling an der Grenze in wilde Panik ausbrechen und den Einsatz des Heers sowie härtere Asylgesetze fordern. Es sind auch dieselben, die vor der Einschränkung der persönlichen Freiheit im Kampf gegen die Erderhitzung warnen – ganz so, als wäre es das erste Mal, dass das Recht Einzelner auf unsolidarisches und egoistisches Verhalten im Sinne der Allgemeinheit eingeschränkt wird.
Soll es nicht noch viel schlimmer werden, braucht es einschneidende Veränderungen, auch in unserem Verhalten.
Es wird nicht reichen, auf Kurzstreckenflüge zu verzichten und den SUV einmal in der Woche stehen zu lassen. Auf die Mittelschicht zugeschnittene Lifestyle-Lösungen wie vegane Ernährung und Bahnfahren helfen bestimmt weiter, wenn es um den Schutz der Umwelt und eine Verbesserung der Lebensqualität aller geht. Sie reichen aber nicht aus, um die -Emissionen maßgeblich zu reduzieren.
Die aktuelle Agrarförderung macht die falschen Lebensmittel billig.
Die Hoffnung, dass die Politik irgendwann zur Vernunft kommt, wenn wir in unserem Konsumverhalten mit gutem Beispiel vorangehen, ist, um es freundlich zu formulieren, naiv. Solange etwa regionale Lebensmittel mit geringem ökologischen Fußabdruck doppelt so teuer sind wie billige, umweltschädlich produzierte Nahrung, wird sich der Konsum der allermeisten Menschen nicht ändern. Die aktuelle Agrarförderung macht die falschen Lebensmittel billig. Hier den Konsumenten in die Pflicht zu nehmen, ist perfide.
Immerhin eine gute Nachricht steckt in der Tatsache, dass der Klimawandel menschengemacht ist: Wir können ihn durch unser Verhalten wenn schon nicht stoppen, dann zumindest bremsen. Die kommenden Jahre werden dafür ausschlaggebend sein. Was jeder Einzelne tun kann, ist, Druck auf die Politik zu machen – und Parteien zu wählen, denen Klimaschutz nicht egal ist.