Sollte Coca-Cola eine Klimakonferenz sponsern?
Die gute Nachricht zuerst: Coca-Cola will Teil der Lösung sein. Die schlechte: Noch ist der Softdrink-Konzern vor allem das Problem.
Die Getränkeindustrie produziert weltweit jedes Jahr 470 Milliarden Plastikflaschen. Ein Viertel davon stellt ein einziger Konzern her: Ein Unternehmen, das Ende des 19. Jahrhunderts von einem US-amerikanischen Apotheker gegründet wurde – per Zufall. Eigentlich wollte der Mann nur einen Sirup gegen Kopfweh entwickeln. Kurz vor seinem Tod trat er die Rechte seiner Erfindung für 2.300 Dollar ab. Ein schlechter Deal. Die Coca-Cola Company ist heute 236 Milliarden Dollar wert.
Demnächst sponsert Coca-Cola die COP27, die wichtigste Klimakonferenz der Welt. Anfang November kommt im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich die Staatengemeinschaft zusammen, um über die größte Herausforderung der Menschheit zu beraten. Während die führenden Industrienationen ihre Klimaziele seit Jahren verfehlen, geht die Marketingstrategie für Coca-Cola voll auf. Der rote Riese will grün werden.
Mehr als zweihundert Marken gehören zum Unternehmen, unter anderem Fanta, Sprite und Mineralwässer verschiedener Art. Die Flaschen tauchen an den unmöglichsten Winkeln der Erde wieder auf. Zum Beispiel in den Mägen gestrandeter Wale, die elend zu Grunde gingen. Getränkeflaschen machen mittlerweile ein Viertel des Mülls in den Meeren aus. Es gibt unzählige Belege dafür. Vor wenigen Monaten hat der Schweizer Rundfunk „SRF“ die Doku „Coca-Cola und das Plastikproblem“ herausgebracht, die man sich im Internet anschauen kann und sollte.
Ist Coca-Cola schuld am Tod der Wale? Oder daran, dass in Entwicklungsländern Berge von Plastik verbrannt werden, mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Menschen?
Leider Ja. Trotz einer langen Unternehmensgeschichte (120 Jahre) und einem Mega-Jahresumsatz (37 Milliarden) fehlt es dem Konzern an innovativen und überzeugenden Lösungen für das Plastikproblem auf unserem Planeten.
Dabei war man schon einmal da. In den Fünfzigerjahren wurde Coca-Cola noch in Glasflaschen verkauft. Die leeren Flaschen wurden gesammelt und wieder befüllt. Ein nachhaltiges, aber teures System. In den Siebzigerjahren brachte Coca-Cola Zwei-Liter-Gallonen für die gesamte Familie auf den Markt. Ein Highlight für jeden Kindergeburtstag. Fortan setzte sich die wirtschaftlich rentabelste Lösung durch: Einwegplastik. Auch sonst ging man eher rückwärts als vorwärts.
1991 bestanden Coca-Cola Flaschen (zumindest auf einigen Märkten) noch zu einem Viertel aus recyceltem Kunststoff. Dann war wieder Schluss. 1994 schraubte man den Anteil wieder auf null, um sich Ziele zu setzen, die man zuvor bereits erreicht hatte. Marketingtechnisch eine geniale Strategie. Nur, dass man auch diese Ziele nicht erreichte. Die 25 Prozent-Marke für das Jahr 2015 hat der Konzern verfehlt, es wurden bloß sieben Prozent. In den vergangenen dreißig Jahren ist man also in Bezug auf diese Frage nicht nachhaltiger geworden, sondern steht sogar schlechter da als noch Anfang der Neunzigerjahre.
Der Vorwurf, dass Coca-Cola Greenwashing betreibt, ist also faktisch richtig. Ich würde sogar noch weiter gehen: Coca-Cola ist ein Meister des Greenwashing. Das zeigt die Kampagne aus dem Jahr 2018. Im Werbevideo „Eine Welt ohne Müll“ sprudeln plötzlich grüne Blasen aus den Coca-Cola-Flaschen, als hätte das tiefschwarze Gesöff über Nacht seine Farbe geändert.
Bis 2030 will Coca-Cola für jede verkaufte Flasche oder Dose eine leere sammeln und recyceln. Derzeit liegt man im weltweiten Durchschnitt gerade einmal bei der Hälfte. Das zweite Versprechen: Man arbeite an 100 Prozent recycelbarem Material. Die Krux: Rein theoretisch ist schon jetzt jede Coca-Cola Flasche recycelbar. Nur fehlen in weiten Teilen der Welt die Mülltrennungs-Systeme.
Die Lösung liegt nicht unbedingt im Recycling. Wir müssen generell weniger Plastikflaschen verbrauchen und Coca-Cola, der größte Hersteller der Welt, muss uns dabei helfen, ja mehr noch, er muss uns dazu zwingen. So wie in Brasilien. Dort hat Coca-Cola 2018 wiederbefüllbare und dickere PET-Mehrwegflaschen eingeführt. Damit werden jedes Jahr bis zu 200 Millionen Flaschen eingespart. Auch anderorts gibt es Pilotprojekte. Zum Beispiel mit dem französischen Großhändler „Carrefour“ oder mit „Burger King“ in den USA. Nur, dass sich das (noch nicht) in den Zahlen niederschlägt. Im Jahr 2020 stellten Mehrwegverpackungen nur 16 Prozent am gesamten Coca-Cola Produktvolumen.
Warum macht es nicht die ganze Welt wie Brasilien? Weil es teuer ist. Und wirtschaftlich weniger rentabel. Der Gewinn steht Coca-Colas nachhaltigen Zielen im Weg. Die Aktionäre haben mehr Gewicht als die gestrandeten Wale an den Küsten.