Rainer Nikowitz: Steuerfeuer
Meine Damen und Herren, ich melde mich hier aus dem Finanzministerium, einem jener Orte, an dem die verschiedenen , nun ja, Arbeitsgruppen zur Steuerreform tagen. Hier in der Himmelpfortgasse schenken Hans Jörg Schelling und Andreas Schieder einander nach wie vor nichts, der schwarze Platzhirsch agiert heute allerdings eindeutig defensiver als in den Tagen zuvor, nachdem er gestern bei einem Überraschungsangriff des Herausforderers auf dem falschen Fuß erwischt worden ist. Sie erinnern sich sicher: Schieder war im Schutz einer Verwaltungsreform-Nebelgranate von hinten durch den Höchstbeitragsgrundlagenwall durchgebrochen und hat es geschafft, Schelling die linke Hälfte seines Schnurrbarts auszureißen. Heute ist dieses Duell aber wieder in die Bahnen zurückgekehrt, die wir ohnehin schon kennen: ein gegenseitiges Belauern, ein Abwarten, wer zuerst die Deckung vernachlässigt oder etwa durch einen Fehltritt stolpert und dadurch dem Gegner die Möglichkeit gibt, das Feld als weißer Ritter zu verlassen. Es tut sich also im Moment nicht allzu viel, möglicherweise ist das ja in der Sozialpartner-Arena anders, schließlich sind weder der ÖGB noch der Wirtschaftsbund unbedingt dafür bekannt, jedes Jahr den Fair-Play-Award zu gewinnen oder Kollege Heinzberger?
Das kann man durchaus so sagen, Kollege Neukirchner, und damit wünsche auch ich einen schönen guten Abend aus der Sozialpartner-Arena. Wir werden hier gerade Zeugen eines Konters von Christoph Leitl, der sich, nachdem er von Erich Foglar mit einem Substanzsteuer-Schwinger, gefolgt von einer linken Umverteilungsgeraden ins Männerklo hineingetrieben worden ist, nunmehr aus dieser Bredouille zu befreien sucht, indem er den Gegner nicht nur mit Beckensteinen bewirft, sondern sein Trommelfeuer auch noch mit einem Schutzschild abwehrt, den er aus Ausnahmenstreichungen und Hakle feucht gebastelt hat. Ich glaube nicht, dass wir an diesem Schauplatz hier und heute schon alles gesehen haben, dieser Kampf hat durch die unkalkulierbaren Volten der Akteure und vor allem ihre unbedingte Bereitschaft, durchaus auch dorthin zu gehen, wos weh tut, schon zu oft die Richtung gewechselt, um noch irgendeine seriöse Prognose über seinen Ausgang zuzulassen. Aber apropos brutal dar-über kann unser Reporter am nächsten Live-Schauplatz ja wohl ein Liedchen singen, oder etwa nicht Kollege Aschenbichler?
Das kann man wohl sagen, Kollege Heinzberger! Wenn man bedenkt, dass diese Front hier, dieser unüberbrückbare Graben zwischen den Kontrahentinnen, eigentlich überhaupt nur aufgerissen wurde, um der Quote Genüge zu tun, auf die Gabriele Heinisch-Hosek auch in diesem Fall gepocht hat dann kommt man nicht umhin, sich verwundert die Augen zu reiben angesichts dessen, was daraus geworden ist. Beginnend von der ersten Sekunde, der Provokation der ÖVP, den Ruf der SPÖ nach einer Frauenquote zu ignorieren und Johanna Mikl-Leitner in den Ring zu schicken, hat sich hier so viel böses Blut aufgestaut, dass ,Grand Theft Auto V zum Kindergeburtstag verkommt angesichts der Ereignisse, deren Zeuge wir in den vergangenen 64 Verhandlungsrunden bereits wurden. Mein persönlicher Favorit bleibt dabei immer noch jene Szene, in der Mikl-Leitner, eigentlich schon fast rettungslos im Erbschaftssteuer-Doppelnelson Heinisch-Hoseks gefangen, die Bundeshymne mit dem alten Text intonierte, woraufhin die Frauenministerin im Zustand höchster Anwiderung losließ. Das zeigt auch, dass bei aller rohen Körperlichkeit, die hier vorherrscht, auch die feine Klinge nicht außer Acht gelassen wird, die psychologische Komponente eine immer größere Rolle spielt, vor allem, wenn die Kräfte nach einem so langen, so zehrenden Kampf langsam erlahmen. Aber letztgültig entschieden wird dieses epische Ringen wohl ohnehin anderswo, oder Kollege Brunnmeier?
Davon ist natürlich auszugehen, Kollege Aschenbichler, davon ist auszugehen. Und das spürt man auch hier im Bundeskanzleramt in jeder Sekunde, beide Lager sind sich der Bedeutung dieses zentralen Kampfgebietes hier bewusst, und dementsprechend herrscht hier atemlose Spannung, deren Intensität sich keineswegs verringert hat, im Gegenteil.
Ob es wirklich zielführender ist, dass sich Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner im Gegensatz zu ihren Parteifreunden auf den anderen Schauplätzen für eine andere Art der Auseinandersetzung entschieden haben, bleibt abzuwarten, ich persönlich glaube jedenfalls nicht, dass das Spiel ,Wer zuerst zuckt, hat verloren angesichts der Dauer von nunmehr doch schon sieben Wochen weniger körperliche Schmerzen verursacht als eine Gnackwatschen dann und wann. Aber die beiden erfahrenen Schlachtenlenker werden schon gewusst haben, worauf sie sich einlassen. Und da muss man jetzt schon auch einmal eine Lanze für unsere Politiker brechen: Was die sich selbst mitunter zumuten das würden wir normale Leute ja gar nicht aushalten! Kollege
Neukirchner?