Rainer Nikowitz: Stockholm-Syndrom
Nehammer: Kömma endlich anfangen?
Anschober: I hätt dazu a prinzipielle Frage: Anfangen womit eigentlich?
Kurz: Mit der wöchentlichen Debatte, wo überall was verschärft wird. Nach der wir dann vor die Presse treten, von den Vorzügen der Regionalität erzählen und von Ampelfarben, die entweder regional etwas Unterschiedliches bedeuten oder je nach Anwendungsgebiet, kurz also: die letzten Klarheiten beseitigen.
Anschober: Dann wär der Faßmann aber auch gut, oder? Wenn die Klarheitenbeseitigung irgendwo klaglos funktioniert, dann in den Schulen.
Kurz: Es fehlt scho no einer. Aber net der.
Nehammer: Wer dann?
Hacker: Morgen! Sorry, i bin a bissl spät dran.
Nehammer: Jessas. Da Weana.
Hacker: Servas, Heimwerker-King! No, scho was gflext heut?
Anschober: Schaffen wir es heut möglicherweise erstmalig, dass ma normal miteinand reden? Der Wiener Wahlkampf is ja jetzt Gott sei Dank vorbei.
Kurz: Tschapperl! Nachm Wahlkampf is vorm Wahlkampf!
Hacker: First things first.
Nehammer: Aber nachdem jetzt die Türken eh scho alle brav SPÖ gwählt ham, könnt ma ja vielleicht endlich amal ansprechen, dass des größte Problem in Wien de Türkenhochzeiten und de Balkandiscos san.
Anschober: Da bin i bitte dagegen!
Nehammer: Weil’s net stimmt?
Anschober: Naa. Weil unsere Wähler schon von Moria so verstört san, dass sie jetzt net no mehr Ausländerfeindlichkeit ertragen. Und im Homeoffice ham s’ no viel mehr Zeit zum Twittern!
Hacker: So weit i des mitkriegt hab, gibt’s de Türkenhochzeiten aber keineswegs nur in Wien – durchaus a weiter westlich. Wo sie eurer Wintersaison vielleicht noch a bissl abträglicher san oder?
Kurz: Des is wieder typisch für das fehlende Wiener Nationale-Schulterschuss-Gen. Unser Wintersaison is nämlich auch euer Wintersaison!
Hacker: Mhm. Wenn i mir eure Alpinkaiser so anhör, de ernsthaft jetzt des ganze Land in an Lockdown schicken wollen, damit sie zu Weihnachten wieder ihre Gondeln mit Bsoffene anfüllen können, dann muss i sagen: Ja, die Wintersaison is wirklich für alle da!
Kurz: Und was is mit die Wiener Hoteliers? Die san dem Wiener Gesundheitsstadtrat natürlich wieder einmal wurscht.
Hacker: Naa. Aber de ham scho de ganze Zeit ka Gschäft. Und nur, weil’s jetzt eure Schröcksnadels betrifft, sollen wieder alle hupfen. Apropos, Herr Bundeskanzler: Was steht da im Ischgl-Bericht? Wie war des mit Ihrer Rolle bei der Abreise-Panik?
Kurz: Das ist schnell erklärt. Erstens: Es war eine Ausnahmesituation. Zweitens: Ich bin nicht schuld. Drittens: Weil ich nie schuld bin.
Hacker: Vielleicht sollten si die Liftkaiser langsam der Realität stellen: Die Wintersaison wird’s schlicht net geben.
Nehammer: Weil ihr euch ja auch gegen überhaupt alles sperrt’s! Net amoi de Sperrstund wird in Wean vorverlegt.
Hacker: Angenommen, wir täten’s: Was würd’s denn bringen?
Nehammer: Na ja … Eh nix.
Hacker: Da schau her!
Kurz: Aber wir wissen doch bitte alle, dass es in der Seuchenbekämpfung sehr viel um Psychologie geht.
Anschober: Da muss i dem Basti recht geben. Ma muss ein Bewusstsein schaffen.
Kurz: Ganz genau! Nämlich ein Bewusstsein, dass die Regierung unter meiner umsichtigen Führung etwas tut. Was genau, is dabei net so wichtig. Hauptsach, ma tuat guat so, als tät ma was Guates.
Anschober: Äh … da hätt i jetzt mehr an a anderes Bewusstsein gedacht.
Hacker: Vielleicht sollt ma den Leuten a einfach sagen, dass wir jetzt Schweden san.
Kurz: Bist arg? Nachdem wir de im Frühling als gewissenlose Massenmörder hingstellt ham?
Anschober: Außerdem … samma überhaupt Schweden?
Nehammer: Hmm. Wir können net no an Lockdown machen. A wenn’s de Hoteliers im Westen gern hätten.
Kurz: Aber wir können bald wahrscheinlich a net keinen Lockdown machen. Obwohl alle anderen den net wollen.
Hacker: Wir können aber a net die Schulen zusperren.
Anschober: So richtig offenlassen kömma s’ aber auf die Dauer a net.
Kurz: Darum is die Regionalität so super! Und genau des müssen wir den Leuten offensiv kommunizieren!
Hacker: Föderalismus als Feigenblatt dafür, dass ma leider kan Plan ham?
Anschober: Dann hätt er wenigstens amoi irgendan Sinn.
Kurz: Okay. Irgendwie samma Schweden. Wahrscheinlich.
Nehammer: Wir sollten wenigstens die Besucherzahlen für Veranstaltungen reduzieren. I bin für 342 indoor und 758 draußen.
Anschober: Warum?
Nehammer: So halt.
Kurz: No bitte! Hamma ja doch einen Plan!