Sven Gächter

Sven Gächter Anpatzungsdruck

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Am Dienstag der Vorwoche wurde das durch permanente Knalleffekte ohnehin massiv ramponierte Kärntner Politparkett von einem weiteren Paukenschlag erschüttert: Die FPK drohte der Opposition mit einer Anzeige! Man hatte in deren Umfeld einen veritablen „Korruptionssumpf“ ausgemacht. Eine Agentur namens TopTeam soll von der Kärntner SPÖ zwischen 2005 und 2009 Aufträge im Wert von rund 1,2 Millionen Euro erhalten haben. „Damit wird sich jetzt die Korruptionsstaatsanwaltschaft beschäftigen müssen“, donnerte FPK-Landtagsklubchef Kurt Scheuch. FPK-Landesrat Christian Rugger brachte auch noch andere ominöse Geldflüsse ins Spiel und stellte ein paar äußerst kritische Fragen in den Raum: „Welche Leistung hat es gegeben? Hat es Ausschreibungen gegeben? Welches Firmengeflecht hat die SPÖ gehabt? Welcher Schaden ist dem Land entstanden?“ Die Unerschrockenheit, mit welcher hier rückhaltlose Aufklärung gefordert wurde, war auf maximale ­Signalwirkung in der Öffentlichkeit ausgelegt. Dumm nur, dass die Öffentlichkeit seit Monaten vollauf damit beschäftigt ist, den Schaden zu ermessen, den die Kärntner Freiheitlichen dem Land zugefügt haben.

Die nassforsche FPK-Gegenoffensive taugt als Musterbeispiel angewandter politischer Chuzpe, die im erweiterten Klagenfurter Einzugsbereich seit Längerem besonders üppige Blüten treibt. Wer immer in der Landesregierung dem Korruptionsverdacht unterliegt – und das ist inzwischen mehr als die Hälfte der Mannschaft! –, lächelt diesen mit der dreisten Anmaßung eines angeblich vollkommen Unbeteiligten weg oder reicht ihn einfach schulterzuckend weiter: Irgendwas wird schon hängen bleiben. Es bleibt schließlich immer etwas hängen, und ist man selbst einmal ordentlich angepatzt, patzt man umso lustvoller andere mit an. Das war seinerzeit im Sandkasten schon ein Mörderspaß!

Der Sandkastenmentalität sind nicht wenige der Verantwortungsträger in Kärnten offenbar nie ernsthaft entwachsen: Die Schauferln fliegen tief, und die Burgen fallen früher oder später kläglich in sich zusammen. Dass der sportliche Renommieranlass des Landes, das Beachvolleyball-Turnier in Klagenfurt, ebenfalls auf Sand stattfindet, ist eine durchaus stimmige Nebenpointe.

All den zahlreichen und immer massiveren Unschuldsvermutungen in seiner amtlichen Entourage zum Trotz sieht Landeshauptmann Gerhard Dörfler, vor Kurzem selbst ­wegen des Verdachts auf illegale Parteienfinanzierung im Zusammenhang mit einer Wahlbroschüre einvernommen, nicht den geringsten Anlass zum Durchgreifen. Die Forderung nach Neuwahlen wies er mit brüskem Nachdruck ­zurück und lamentierte im Brustton keimfreier Empörung: „Diese Menschenhatz ist unerträglich.“

Das Richtmaß für die Hygienestandards einer Demokratie ist weniger die Beschaffenheit ihrer Skandale im Besonderen als vielmehr der Umgang damit im Allgemeinen. Unverfrorenes Leugnen evidenter Regelwidrigkeit konstituiert einen Tatbestand, der die Regelwidrigkeit selbst noch in den Schatten stellt. Seit geraumer Zeit arbeitet sich Österreich an den schier unüberschaubaren Regelwidrigkeiten in der schwarz-blau-orangen Ära ab, und ein erheblicher Teil des kollektiven Unmuts – sei es bei den ermittelnden Instanzen, sei es bei der immer fassungsloseren ­Öffentlichkeit – rührt daher, dass die mutmaßlich Verantwortlichen sich ungeniert jedweder Zuständigkeit entschlagen. Manfred Herrnhofer, Richter im Klagenfurter Hypo-Gutachten-Prozess, brachte die weit verbreitete Missstimmung mit fast schon rabiater Deutlichkeit auf den Punkt: „Herr Martinz! Ist es Ihre Prozessstrategie, wie ein Schwerverbrecher nur zuzugeben, was nicht zu widerlegen ist?“ Immerhin hatte der nunmehrige Ex-ÖVP-Landesparteichef Josef Martinz danach den Anstand, die fälligen Konsequenzen zu ziehen – im Unterschied zu anderen landesüblichen Verdächtigen.

Es wäre unfair, Kärnten ein Alleinstellungsmerkmal in der realpolitischen Disziplin Korruption und Kungelei zuzuweisen. Als ausgewiesener Sonderfall taugt das malerische Bundesland im Süden jedoch allemal: Nirgendwo sonst sind die einschlägigen K&K-Parameter in so unverstellter Reinkultur zu bestaunen, so als hätte sich das Phänomen die perfekten Laborbedingungen gesucht – und rund um den Wörthersee gefunden.
Von außen betrachtet, gewinnt man unweigerlich den Eindruck, die jeweils Regierenden hätten Kärnten immer gleichsam in Geiselhaft gehalten und ihr Treiben dadurch umso solider abgesichert. Verwunderlich daran erscheint nur, warum die Bevölkerung dies nach wie vor in einer merkwürdigen Ausprägung des Stockholm-Syndroms klaglos bis frenetisch hinnimmt. Politikverdrossenheit ist jenseits der Turracher Höhe zwar durchaus bekannt, aber stets ­gegen Restösterreich, insbesondere das verhasste Wien, ­gerichtet. Höchste Zeit, dass sie endlich auch in Kärnten selbst ihre verdienten Adressaten findet! ■

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Sven   Gächter

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