Sven Gächter: Mediamarkt

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„Diese Tragödie macht uns alle betroffen“, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. „Es macht natürlich sehr betroffen“, sagte Bundespräsident Heinz Fischer. „Ich bin erschüttert, tief betroffen und zornig“, sagte Justizminister Wolfgang Brandstetter. Auch Werner Faymann, Reinhold Mitterlehner, Sebastian Kurz sowie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigten sich tief betroffen über das Flüchtlingsdrama auf der A4.

Der rituelle Gestus offizieller Anteilnahme ist die Betroffenheit – ein Wort, das tiefes Mitgefühl suggerieren soll (und von den Verlautbarungsroutiniers meist wohl auch so gemeint ist), in Wahrheit aber eine fundamentale semantische Unschärfe verschleiert. Betroffen von einer Tragödie sind zuallererst die Opfer und, als unmittelbare Leidtragende, ihre Angehörigen und Freunde. Alle anderen mögen schockiert, erschüttert, entsetzt, ergriffen, bestürzt oder fassungslos sein – betroffen sind sie definitiv nicht, denn sie leben ja noch. Dabei hätten gerade in der Flüchtlingsfrage die entscheidungsberechtigten Instanzen jede Veranlassung, sich permanent zutiefst betroffen zu fühlen – und zwar nicht von beispiellosen Tragödien, sondern von der unbedingten Verpflichtung, eine die Würde aller (wirklich aller) Menschen respektierende Politik zu betreiben. Es wäre der Beginn einer ganz neuen Betroffenheitskultur.

Innenministerin Mikl-Leitner erklärte sich in der „ZIB 2“ übrigens ein zweites Mal „betroffen“, nämlich davon, „dass man angesichts dieser Tragödie wieder einmal versucht, die Schuld bei der Innenministerin zu suchen“. Worte können vieles bedeuten – und manchmal auch gar nichts.

Sven   Gächter

Sven Gächter