Warum mich manche jungen Syrer enttäuschen
Von Tarek Shoushari.
Vor einigen Monaten geriet Favoriten, Wiens 10. Bezirk, in den Fokus als Hotspot für Kriminalität. Junge Männer mit Migrationshintergrund wurden verdächtigt, in Gesetzesverstöße verwickelt zu sein. Syrer, die dem Krieg in ihrer Heimat entflohen sind, standen plötzlich im Scheinwerferlicht, da einige Jugendliche in Straftaten verstrickt waren. Dies ist zweifellos besorgniserregend. Und die Folge ist: Diese Minderheit beschädigt den Ruf der Mehrheit der Syrer in Österreich.
Das konnten wir im vergangenen Monat erneut erleben. In Wien lieferten sich Jugendgruppen, die aus dem Osten Syriens stammen, Schlägereien mit tschetschenischen Jugendlichen. Diese Gruppen geraten häufig in größere Konflikte, weil einige ihrer Mitglieder eingreifen, um ein Stammesmitglied in einem Streit zu unterstützen. Diese starke traditionelle Bindung und Solidarität zwischen den Mitgliedern eines Beduinenstammes in Syrien und anderen Ländern im Nahen Osten ist die gleiche, die man auch unter in Europa lebenden Stammesmitgliedern finden kann. Unabhängig davon, ob einige Syrer durch eine Einzelperson oder durch eine Gruppe in kriminelle und gewalttätige Vorfälle verwickelt sind, sollte dies jedoch nicht von der Tatsache ablenken, dass diejenigen, die dies tun, eine Minderheit innerhalb einer großen Gemeinschaft darstellen.
Als in Damaskus geborener und aufgewachsener Mensch, der vor 29 Jahren nach Wien kam, bin ich heute stolz, wenn ich erlebe, dass viele junge Syrer, etwa zehn Jahre nach ihrer Ankunft als Flüchtlinge in Österreich aufgrund des Krieges in ihrem Land, erfolgreich in verschiedenen Sektoren tätig sind, in denen es bereits an Fachkräften mangelt. Sie arbeiten im Gesundheits-, Sozial- und Dienstleistungssektor, manche gründeten auch eigene Unternehmen. Viele syrische Jugendliche konnten ihren ernsthaften Einsatz für eine erfolgreiche Zukunft in Österreich unter Beweis stellen.
Gleichzeitig bin ich, wie viele dieser wunderbaren Syrer, enttäuscht und sogar wütend, weil eine kleine Anzahl syrischer Jugendlicher durch ihr Handeln dem Ruf anderer gesetzestreuer Syrer schadet. Ich habe darüber in meiner arabischsprachigen Zeitung bereits geschrieben und rufe sie auch heute noch auf, sich um ihre Zukunft zu kümmern. Sie können die wertvollen Chancen nutzen, die dieses Land ihnen bietet, um sich eine sichere und gute Zukunft aufzubauen.
Einige österreichische Politiker innerhalb und außerhalb der Regierung sowie einige Syrer selbst schlagen vor, Gewalttäter und Gesetzesbrecher abzuschieben. Im Fall Syriens erscheint diese vorgeschlagene Maßnahme völlig falsch. Vielen Syrern droht in ihrem Land der sichere Tod.
Gleichzeitig bin ich, wie viele dieser wunderbaren Syrer, enttäuscht und sogar wütend, weil eine kleine Anzahl syrischer Jugendlicher durch ihr Handeln dem Ruf anderer gesetzestreuer Syrer schadet.
Aber es ist durchaus verständlich, dass starke Maßnahmen seitens der Regierung und der Sicherheitsbehörden notwendig sind, um sicherzustellen, dass sich alle an die Gesetze halten. Dazu braucht es auch Initiativen der syrischen Gemeinschaft selbst. Es gibt bereits eine Gruppe qualifizierter und selbstbewusster Syrer, die mit diesen jungen Männern Kontakt aufnimmt, um bei ihnen Bewusstsein zu schaffen und ihren Wunsch zu wecken, eine gute Zukunft und ein sicheres und stabiles Leben aufzubauen.
Eltern müssen auch die Verantwortung für die Handlungen ihrer Kinder tragen und dürfen ihre Bewegungen außerhalb des Hauses nicht unbeaufsichtigt lassen. In der syrischen Community sprechen wir von dem Phänomen „Burschen vom Bahnhof“. Das sind Teenager, die sich in ihrer Freizeit innerhalb oder in der Nähe von Bahnhöfen versammeln und dort Probleme und Streit verursachen oder sich manchmal darauf einlassen. Diese jungen Menschen brauchen mehr Kontrolle und Unterstützung.
Ein wichtiger Schritt wäre eine Reform der Sozialhilfe für junge Flüchtlinge unter 40 Jahren. Sie sollen einen stärkeren Anreiz erhalten, noch eine Ausbildung abzuschließen. Aus meiner Sicht muss die Höhe der Sozialhilfe, die ein junger Flüchtling erhält, daher an seine Fortschritte beim Erlernen einer Sprache oder eines Berufs für den Einstieg in den Arbeitsmarkt angepasst sein.
Ein problemloses Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen und Kulturen in einer Gesellschaft ist möglich und gleichzeitig sehr schwierig. Diejenigen, die dies einfach und möglich machen oder schwierig und unmöglich machen, sind wie immer die Menschen selbst.