Trump und das Ende der Konservativen
Wieso das Ende der Konservativen? Hat nicht eben die Republikanische Partei in den USA mit Donald Trump die Präsidentschaft und zugleich die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus errungen? Ja, hat sie. Aber die Republikanische Partei ist keine konservative Partei mehr. Sie hat ihre Werte über Bord geworfen, oder vielleicht sollte man es neutral formulieren: Sie hat sie gegen andere Werte eingetauscht, die nie die ihren waren. Dahinter steckt der dramatischste politische Umbruch ihrer Geschichte. Werden andere konservative Parteien ihrem Beispiel folgen?
Was geschehen ist: Donald Trump hat am Montag, wenige Stunden nach der Angelobung zum Präsidenten, in Form einer „Executive Order“ (einer Durchführungsverordnung) einen Bruch der Verfassung verfügt, auf die er kurz zuvor einen Eid geleistet hatte. Konkret verweigert er Kindern, die in den USA geboren werden und deren Eltern illegale Einwanderer sind, das Anrecht auf die US-Staatsbürgerschaft. Dieses Recht ist seit 1868 im 14. Zusatzartikel der Verfassung festgehalten.
Die Treue zur Verfassung zählte zu den unantastbaren Grundsätzen der Republikanischen Partei. Sie zu bewahren, war der Inhalt des allerersten Beschlusses auf ihrem allerersten Parteitag im Juni 1856.
Die Republikanische Partei der USA ist ein Beispiel dafür, wie sich eine konservative Partei durch einen Umsturz von innen in eine autoritäre, verfassungsfeindliche Kraft verwandelt.
Auch die Verfassung kann geändert werden, allerdings nur mittels Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses und nach Zustimmung von mindestens 38 der 50 Bundesstaaten. Nicht jedoch durch eine Executive Order des Präsidenten. Trump setzt sich – unter dem Beifall seiner Partei – darüber hinweg und demoliert damit die Gewaltenteilung der Republik. Stellt sich der Präsident faktisch über die Verfassung, ist das System aus „checks and balances“ ruiniert.
Was noch geschehen ist: Donald Trump hat mehr als 1500 rechtskräftig verurteilte Straftäter begnadigt, die am 6. Jänner 2021 am gewaltsamen Sturm auf das Kapitol beteiligt waren. Begnadigungen sind nichts Neues, und doch widerspricht diese Entscheidung den Grundsätzen einer konservativen Partei. Die Kapitol-Stürmer haben vor den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit das Recht gebrochen, indem sie Polizisten attackiert (von denen einer starb), Abgeordnete bedroht und den demokratischen Vorgang der formellen Auszählung der Wahlmännerstimmen zu verhindern versucht haben. „Unsere großartigen Geiseln“ nennt Trump diese von ordentlichen Gerichten verurteilten Aufrührer. Damit desavouiert er Justiz und Exekutive. Sogar die größte Polizei-Organisation der USA, die „Fraternal Order of Police“, die Trumps Kandidatur unterstützt hatte, verurteilte die Begnadigungen.
„Law and Order“ findet sich in jedem republikanischen Parteiprogramm, doch jetzt, unter Donald Trump, gilt dies nicht mehr, wenn ein gewalttätiger Mob sich ihm zugehörig fühlt – und er sich dem Mob. So agiert keine konservative Partei eines Eisenhower oder Reagan, so agiert ein Präsident, der die Fundamente des Staates seinen eigenen Interessen opfert. Die Republikanische Partei der USA ist ein Beispiel dafür, wie sich eine konservative Partei durch einen Umsturz von innen in eine autoritäre, verfassungsfeindliche Kraft verwandelt.
Konservative Parteien in Europa können dasselbe Schicksal erleiden. Die französischen „Républicains“ wehrten eine rechtspopulistische Übernahme von innen im vergangenen Jahr gerade noch ab. Die deutsche CDU wehrt sich standhaft gegen Umarmungsversuche der AfD. Und die ÖVP? In einer bemerkenswerten Regierungserklärung am Mittwoch im Parlament mahnte Interims-Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), eine proeuropäische, multilaterale Orientierung Österreichs sei „überlebensnotwendig“, völkerrechtliche Verträge seien einzuhalten. Warum sagt der Kanzler, der nicht Mitglied der geplanten FPÖ-ÖVP-Regierung sein will, das so deutlich?
Jeder im Land weiß es. Die FPÖ ist durch und durch anti-europäisch, völkerrechtliche Verträge will sie „überprüfen“, in supranationalen Organisationen sieht Kickl eine „Entmachtung der Staaten“. Die ÖVP läuft als williger Partner Gefahr, ihre Prinzipien als verlässlich proeuropäische, staatstragende Partei zu verraten, wenn sie das blaue Projekt einer nationalistischen „Festung Österreich“ unterstützt. Das kann auch ihr Ende als konservative, bürgerliche Partei bedeuten.