Ulla Schmid

Ulla Schmid Unter Wutmännern

Unter Wutmännern

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Ein profil-Cover – ein Aufreger: „Die Wahrheit über die Ungleichheit. Frauen und Männer verdienen in Österreich bei gleicher Arbeit ähnlich viel.“

Ein profil-Cover – ein Streitthema. Nicht nur innerhalb dieser Redaktion hat die Rechnung unserer Kollegen, wonach die „wahre Lohnlücke“ zwischen Männern und Frauen nur zwölf Prozent betrage, heftige Debatten ausgelöst. Auch in zahlreichen postings auf www.profil.at fand ­Meinung statt. So schrieb etwa „der_schönste_mann_von_wien“: „Die ewige Kampfparole ,Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ ist nicht mehr als plump-perfide Agitation, mit der … verhetzende Fem-Politikerinnen … die naive Kundschaft bei der Stange halten will.“ „Dissim“ wiederum meinte, dass einige (männliche) Faktoren Gehaltsunterschiede rechtfertigen: „Engagement, Erfindungsreichtum, Verhandlungsgeschick.“ „[email protected]“ konstatierte: „Die schlimmsten Banditen sind Weiber.“

In dieser Tonalität ging es dahin. Nicht zuletzt machte „chaneu“ mit seiner sehr persönlichen Empirie auf sich aufmerksam: „frauen haben im schnitt mehr krankenstandstage und sind öfter wegen burn out abwesend. frauen gehen früher in pension und frauen sind grundsätzlich (solange nicht enttäuscht vom leben) sehr nette zeitgenossen, ich möchte sie nicht missen.“ Danke, „chaneu“, ganz lieb.

Was geht da ab? Eine Horde von Männern meldet sich zu Wort. Untergriffig, polemisch, frauenfeindlich. Offenbar hat sich hier gewaltiger Frust aufgestaut, der sich jetzt Bahn bricht. Liegt es daran, wie meine Kollegin Angelika Hager im letzten profil feststellte, dass eine „Post-Schwarzer-Dohnal-Greer-Generation“ den „Herren seit Jahrzehnten mit Forderungen nach Mut zum Gefühl, Abbrechen der Schweigemauer, gemeinsamem Weinen im Kino und runtergeklappten Klodeckeln auf den Wecker gefallen“ ist? Haben die Herren nur um der politischen Korrektheit willen Windeln gewechselt und mit zusammengebissenen Zähnen das Einkaufswagerl vor sich hergeschoben?

Jetzt outen sich die Wutmänner, jene, die wohl meinen, zu kurz gekommen zu sein; die offenbar Angst um ihre Männlichkeit haben, verdienten ihre Partnerinnen nur annähernd so viel wie sie; die möglicherweise gar zusehen mussten, wie eine Kollegin auf der Karriereleiter an ihnen vorbeikletterte.

„Angry white men“ nennt sich die in den USA wurzelnde Bewegung, welche sich gegen die Förderung von ethnischen Gruppen und Frauen stemmt. Hierzulande reicht eine politische Forderung, um Männer zornig zu machen. Sie lautet: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit.

Jawohl, gleichwertige Arbeit. Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied, der seit gut 15 Jahren von Frauenpolitikerinnen postuliert wird – und offenbar ebenso hartnäckig von männlicher Seite überhört wird. So sei die Botschaft aber nie angekommen, heißt es plötzlich. Na so was. Kann gut sein, dass Mann dies nicht hören wollte oder sich erst gar nicht dafür interessiert hat. Daher hier noch mal – sorry, Jungs, da müsst ihr jetzt durch – kurz die Fakten. Zwischen den Brutto-Stundenlöhnen von Männern und Frauen klafft eine Lücke von 25,5 Prozent, weil: Frauen arbeiten überwiegend in Branchen, in welchen die kollektivvertraglichen Mindestlöhne schon grundsätzlich schlechter sind als in männerdominierten Branchen. Da setzt die Debatte über gleichwertige Arbeit an: Warum ist die Tätigkeit eines Malers mehr wert ist jene ­einer Friseurin?

Weiter: Seit 1979 verbietet das Gleichbehandlungsgesetz explizit Unterschiede bei der Bezahlung von gleicher Arbeit. Ein Sekretär im Vorzimmer darf also nicht mehr verdienen als die Sekretärin neben ihm. Und trotzdem: Selbst hier existieren – auch nach „Beweisführung“ von profil – immer noch Gehaltsunterschiede zwischen zwölf und 18 Prozent. Das ist ein permanenter Gesetzesverstoß. Kein „Mythos“ und schon gar kein „Feuchtgebiet“.

Doch das erklärt noch immer nicht die gehässigen Beiträge auf profil.at. Sie sind Ausdruck nackter Panik. Seit Jahren absolvieren mehr junge Frauen als Männer ein Studium; die Möglichkeit von Fortbildung nehmen mehr weibliche als männliche Angestellte in Anspruch. Langsam wird es ernst im Geschlechterkampf. Weil es eng wird auf dem Arbeitsmarkt. Verdrängung findet statt. Auch in den Vorstandsetagen: Kein Unternehmen, welches auf sich hält, kann und will es sich heute mehr leisten, ausschließlich Krawatten in Führungspositionen zu hieven.

Eine Generation gut ausgebildeter Frauen stellt die Verteilungsfragen neu. Und zwar nicht aufgrund ihres Geschlechts, sondern ihrer Qualifikation. Was gilt nun? Wer tüchtiger ist – oder wer lauter schreit?

Die zornigen Männer sitzen mitten unter uns. Noch meinen sie, auf Stammtischniveau über die andere Hälfte der Gesellschaft herziehen oder, eleganter, sich dort als Frauenversteher gerieren zu können, wo sie weder Geld noch Macht abgeben müssen.

Bei zahlreichen Debatten zur Gleichstellung von Frauen verteidigen Männer stets mit Verve das „Frauenrecht“, Burka zu tragen. Auch ein Anliegen. Kostet nix.

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