Kommentar

Warum das Verbot der Leihmutterschaft in Italien kein Skandal ist

Die Empörung über das Verbot von Leihmutterschaft ist fehlgeleitet. Der Schutz vor Ausbeutung der Frauen wiegt schwerer als die Erfüllung eines Kinderwunsches.

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Italiens Verbot der Leihmutterschaft im Ausland hat zuletzt für viel Kritik gesorgt. „Unfruchtbare und homosexuelle Paare können in Italien keine Kinder mehr bekommen“, titelte das deutsche Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Das Gesetz sei ein „unmenschlicher Akt gegen Eltern und Kinder“, heißt es vonseiten der Opposition. 

Innerhalb des Landes ist das Austragen eines Kindes gegen Geld schon lange verboten, seit vergangener Woche wird auch bestraft, wer im Ausland Leihmutterschaft in Anspruch nimmt. Es drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren und Geldbußen von einer Million Euro. 

Giorgia Meloni hat das Verbot nicht aus feministischen Gründen auf den Weg gebracht, sondern weil sie die Rechte Homosexueller weiter einschränken will. Für gleichgeschlechtliche Paare war die Leihmutterschaft die einzige Möglichkeit, zu einem Kind zu kommen; künstliche Befruchtung oder Adoption war ihnen schon zuvor nicht erlaubt. Die Regierung macht Regenbogenfamilien das Leben auch mithilfe der Justiz schwer. Im Auftrag des Innenministeriums hat die Staatsanwaltschaft die Geburtsurkunden aller Kinder angefochten, die zwei Mütter oder zwei Väter haben. Anerkannt wird jetzt nur noch der leibliche Elternteil.

Geschäft zwischen ungleichen Partnern

Das Verbot der Leihmutterschaft im erzkonservativen Italien entspringt dem rückwärtsgewandten Familienbild von Melonis weit rechtsstehender Partei Fratelli d’Italia. Es wurde aus den falschen Gründen auf den Weg gebracht, prinzipiell ist es aber richtig. 

Was die Empörten übersehen, ist, was Leihmutterschaft bedeutet. Vor der künstlichen Befruchtung muss sich die Leihmutter einer Hormontherapie unterziehen, das Einsetzen der Embryonen erfolgt unter Narkose. Der Samen kommt meistens vom Mann, das Ei von der Frau oder, wenn das aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, von einer Dritten oder der Leihmutter selbst.

Letztere befinden sich nicht selten in finanziell prekärer Lage. Mit dem Geld – Leihmutterschaften gibt es ab etwa 50.000 Euro – wollen die Frauen sich und oft auch ihren eigenen Kindern ein besseres Leben ermöglichen. 

Ausbeutung von Frauen in wirtschaftlicher Not

Doch eine Schwangerschaft ist kein Job wie jeder andere, keine Frau „leiht“ anderen ohne Weiteres ihre Gebärmutter. Es handelt sich nicht um einen selbstlosen Akt, sondern um ein höchst problematisches globales Geschäft zwischen zwei sehr ungleichen Partnern: Die einen bezahlen für die Erfüllung ihres Kinderwunsches viel Geld; die anderen stellen ihren Körper zur Verfügung – unter schwersten physischen (und wohl auch emotionalen) Entbehrungen.

Eine Hochburg der Leihmutterschaft ist die Ukraine. Nach dem Beginn des Angriffskrieges Russlands blieben etliche Neugeborene zunächst bei der leiblichen Mutter. Die Leihmütter konnten das Land nicht verlassen, und die Eltern nicht ins Kriegsgebiet reisen, um ihre Kinder abzuholen. 

Leihmutterschaft birgt auch abseits von bewaffneten Konflikten Risiken. Was, wenn etwas schiefgeht, das Kind nicht den Vorstellungen der Eltern entspricht, mit einer Behinderung zur Welt kommt? Was, wenn die Leihmutter das Kind nach der Geburt doch behalten will? Eine emotionale Bindung ist nicht vorgesehen. 

Verfechterinnen der Leihmutterschaft fordern mitunter, dass es legale Möglichkeiten geben sollte, damit Frauen die Kinder aus altruistischen Gründen austragen, also nicht gegen Geld. Möglich ist das in Griechenland, zumindest theoretisch. Die Praxis sieht anders aus. Auf der Insel Kreta flog im Sommer 2023 eine Kinderwunschklinik auf, in der Leihmütter aus Osteuropa ausgebeutet worden sein sollen. Rekrutiert wurden die Frauen unter falschen Versprechen aus Ländern wie Rumänien, Moldau, Georgien und der Ukraine. 

Die Betreiber stehen vor Gericht, sie sollen Kinder um bis zu 100.000 Euro verkauft haben, die Frauen bekamen von dem Geld nur einen Bruchteil. Leihmutterschaft ist ein lukratives Geschäft, nur nicht für die Frauen, sondern für gewinnorientierte Unternehmen. 

Kinder als Ware

Die Empörung über das Verbot in Italien gründet auf zwei grundfalschen Annahmen. Erstens sind Kinder keine Ware, mit der gehandelt werden sollte. Zweitens gibt es kein Recht auf ein (leibliches) Kind. Der Schutz vor Ausbeutung sollte immer vor dem Recht auf die Erfüllung eines Kinderwunsches stehen. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Verbot von Leihmutterschaft in Italien bereits im Jahr 2017 bestätigt. Auch in Österreich ist Leihmutterschaft verboten. Ins Ausland zu reisen, um anderswo eine Frau zu finden, die gegen Geld ein Kind austrägt, ist aber erlaubt. Insofern ist die Regelung in Italien zumindest konsequent.

Nicht das Verbot ist das Problem, sondern die Tatsache, dass für Melonis rechte Fratelli d’Italia nur die Partnerschaft zwischen Mann und Frau mit leiblichen Kindern als „echte Familie“ gilt. Es ist ein rückwärtsgewandtes Familienbild, das wenig mit den Lebensrealitäten vieler Menschen zu tun hat. 

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.