Kommentar

Diese elenden Systemmedien!

Herbert Kickl will auch FPÖ-Medienkanzler werden. Der ORF soll kaputtgespart werden, die Medienförderung „neu“ gestaltet werden. Gegen Desinformation will man ebenso nichts tun wie für Medienkompetenz. Dafür will man gewisse Berichterstattung verbieten. Raten Sie mal, warum.

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Dieser Text soll keine Nabelschau werden. Er beschäftigt sich mit dem Kapitel „Medien“ und was dazu im 223-seitigen Protokoll der Unterverhandlungsgruppen von FPÖ und ÖVP steht. Herbert Kickl hat angekündigt, die Medienagenden direkt zu sich ins Kanzleramt ziehen zu wollen. Was hier zu lesen ist, bedeutet am Ende nicht nur den Ruin einer Branche – sondern zeigt, welches Demokratieverständnis vor allem die FPÖ aber in manchen Punkten auch die ÖVP hat. Es zeigt, dass politische Parteien wenig von einer unabhängigen Kontrolle halten  - und dass es zumindest einer FPÖ gar nicht so unrecht sein dürfte, wenn die Bevölkerung Manipulation und Desinformation ausgesetzt wird. Zumindest hat man nicht wirklich vor, etwas dagegen zu tun. Aber von vorne.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war im Wahlkampf der FPÖ ein Hauptthema. Die Berichterstattung sei angeblich gefärbt – und zwar links. Obwohl viele Menschen den ORF gar nicht konsumieren würden (es ist mit Abstand das größte Medienhaus Österreichs), müsse das Volk via Haushaltsabgabe dafür zahlen. Die müsse weg – eine Budgetfinanzierung müsse her (Steuergeld, das auch alle bezahlen). Der ORF müsse schlanker werden – und „entpolitisiert“. Um das zu erreichen, möchte man gleich das Management tauschen, eigene Kandidaten hinsetzen. Auch in den Stiftungsrat. Der soll laut Verhandlungspapier stärker vom Nationalrat beschickt werden – das ist der Wunsch jener Partei, die dort derzeit die größte Fraktion stellt und damit wohl die meisten Kandidaten entsenden würde. Nach außen verkauft die FPÖ ihre Pläne als „Entpolitisierung“? Umfärbung wäre das bessere Wort.

Dass der ORF als kritische Infrastruktur gilt, weil Menschen Informationen in Notfällen genauso brauchen wie Wasser, Essen, Energie oder ein Dach über dem Kopf, wird in der Diskussion nicht mehr erwähnt. Dass der ORF auch als öffentliches Unternehmen den Auftrag hat, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, will man eben nicht mehr. Dem will man habhaft werden, indem man den ORF finanziell aushungert. 

Die Haushaltsabgabe soll laut Papier ab 2026 gestrichen werden. Intern soll (zu dem ohnehin geplanten Sparpaket) ein weiteres durchgedrückt werden. 

Neben dem ORF gibt es auch professionelle, private Medien, deren Rahmenbedingungen an der Gesetzgebung – und ja, auch an Medienförderungen – hängen. Dass Herbert Kickl zuletzt forderte, die Medienagenden zu sich ins Bundeskanzleramt zu ziehen, hat wohl eher nicht mit seinem speziellen Interesse zu tun, professionelle Medien zu fördern oder sich damit auseinanderzusetzen. Er spricht ohnehin meist abfällig von „Systemmedien“. 

Ansinnen der FPÖ ist es, ihr gegenüber kritische Medien zurückzustutzen, ihren eigenen Propagandamedien mehr Macht zu verleihen – und das mit manipulativen Narrativen. Schauen wir uns an, was dazu im Koalitionsprogramm steht.

Die Mär von der Zensur

Die FPÖ wehrt sich dagegen, dass es Regulierungen im Internet gibt, die die Bevölkerung davor schützen sollen, auf Deep-Fakes und Desinformation hereinzufallen – oder die die Gesellschaft im Sinne der Medienkompetenz sensibilisieren könnten. Sie spricht von „Zensur“. Es findet sich etwa folgender Punkt: „Schutz vor ZensurIdeologisch motivierte Zensurbestrebungen, insbesondere auf EU-Ebene, werden abgelehnt. Bestehende Regelungen werden evaluiert und angepasst (DSA, Dissens ÖVP)“. Auf EU-Ebene wurde per Verordnung der sogenannte „Digital Services Act“ implementiert. Hinter dem sperrigen Wort verbergen sich eine Reihe von Maßnahmen, die zu mehr Transparenz von Werbung, illegalen Inhalten und Desinformation führen sollen. Dazu gehört etwa die Pflicht für soziale Netzwerke, ihre Algorithmen offenzulegen.

Was sollte daran schlecht sein? Sollte das nicht das Bestreben jeder Regierung sein, ihre Bürger bis zu einem gewissen Grad vor Manipulation zu schützen? Warum stemmt man sich so gegen derartige Maßnahmen? Weil sie einen selbst treffen könnten?

Böse Zungen könnten das vermuten, denn auch folgender Vorschlag wurde von den Blauen abgelehnt: „Verstärkte Regulierung und Kontrolle großer digitaler Plattformen. Effiziente Bekämpfung von Desinformation. Zusammenarbeit im europäischen Verbund gegen ausländische Einflussnahme.“ Dass etwa russische Desinformation mittlerweile als Teil der hybriden Kriegsführung gilt, weil diese Narrative die westlichen Gesellschaften verunsichern und spalten sollen, das ist mittlerweile eigentlich bekannt. Auch der Iran oder China fahren in Europa groß angelegte Propagandakampagnen. profil – und auch andere professionelle Medien – versuchen sich mit Aufklärung dagegenzustemmen. Etwa, indem wir regelmäßig Faktenchecks machen – oder große Aufdeckergeschichten über das Funktionieren solcher russischer Trollfabriken schreiben, wie etwa hier

Kritische Geister

Kommen wir zum Thema Medienkompetenz. Eine resiliente Bevölkerung sollte gute Informationen von schlechten oder falschen unterscheiden können, um sich dann auf Basis von Tatsachen, eine Meinung bilden zu können. Nur: Es ist oft gar nicht so einfach, die Manipulation von der guten Ware zu unterscheiden – die Methoden werden immer gefinkelter. Diese Fähigkeit muss man erwerben und trainieren – und das sollte federführend in Bildungseinrichtungen passieren. Es findet sich im Verhandlungspapier darum folgender ÖVP-Vorschlag: „Ein Schwerpunkt der Strategieentwicklung soll auf Vermitteln von Medienkompetenz in Schulen und Bildungseinrichtungen inklusive Erwachsenenbildung gelegt werden.“ Daneben steht folgender Kommentar: „FPÖ Dissens, Anmerkung Unparteilichkeit und Objektivität“. Weiters: „Beitrag im Kampf gegen fake news und Desinformation u.a. durch Erhöhung der Medienkompetenz für Schülerinnen und Schüler. (FPÖ Dissens Wording fake news)“.

Initiative zur Leseförderung an Grundschulen

Die FPÖ lehnte auch den Vorschlag ab, dass österreichische Tages- und Wochenzeitungen ab der 7. Schulstufe allen Schülerinnen und Schülern via App gratis zur Verfügung gestellt werden sollen. Intention der Schwarzen: „Damit soll eine Informations- und Demokratieoffensive gestartet werden. Diese Informationen können auch als Basis für den Schulunterricht, etc. herangezogen werden.“ Dissens FPÖ. Man stimmte dem Vorschlag ebenso nicht zu, wie dass die Mittel zur Förderung von Medienkompetenz aufgestockt werden. Offenbar legt die FPÖ keinen Wert darauf, dass Jugendliche mit kritischen Medien aufwachsen – die auch ihren eigenen kritischen Geist formen könnten. 

Das gute Geld

Es geht in den Verhandlungen freilich auch um die Finanzierung von Medien. Momentan hat die Branche ein großes Problem: Das Verhalten der Nutzer differiert vom Geschäftsmodell. Inhalte werden zunehmend digital konsumiert, wir Medien erreichen noch immer Millionen – nur: die Bereitschaft der Menschen für Inhalte online zu zahlen, ist prinzipiell gering. Das hat wohl auch damit zu tun, dass man orf.at gefühlt gratis konsumieren kann. Man muss sich nicht einloggen, jeder kann die Seite ansurfen. 

Neben dem Leser ist der Werbemarkt ein weiterer wichtiger Einkommenszweig. Doch die Preise sind im Keller. Man kann digital bei weitem nicht jene Werbepreise verlangen, die man für gedruckte Inserate bekommt. Dazu kommt: Immer mehr Werbegelder gehen an digitale Plattformen wie Facebook oder Twitter. Das, was übrigbleibt, frisst zum Großteil der ORF, der aber ohnehin zu 70 Prozent seiner Finanzierung allein durch Gebührengelder bekommt. Dafür muss er nichts tun. 

Wir befinden uns also in einer Phase des Wandels – gleichzeitig werden valide Informationen in einer krisengebeutelten Welt mehr denn je gebraucht. Und das sei hier auch einmal gesagt: Guter, tiefgehender Journalismus kostet. Zeit, Ressourcen und damit Geld. Die Medienförderung wandelt sich mit der Branche, wurde die vergangenen Jahre immer wieder neu aufgesetzt – die schwarze-grüne Regierung hat mit der sogenannten Qualitätsjournalismusförderung ein gutes Instrument gefunden. Es fördert seriösen Journalismus und fair bezahlte Arbeitsplätze. Medien, die diese Förderung in Anspruch nehmen wollen, müssen eine Vielzahl an Kriterien erfüllen und nachweisen. Der FPÖ gefällt diese Art der Förderung offenbar nicht so gut. 

 „Die bestehende Förderstruktur wird in eine plattformunabhängige Medienförderung umgewandelt, die nach klaren, transparenten Kriterien vergeben wird“. Also öffnen für alles Mögliche? Irgendwelche Plattformen und Blogs, wo irgendjemand schreibt, der sich einfach Journalist nennt? Dass die Förderung „nach dem Qualitätsjournalismusgesetz“ erhöht wird, will die FPÖ jedenfalls nicht. Vorschlag Schwarz, Dissens FPÖ: „Kriterien wie Faktizität, Quellenherkunft und journalistische Sorgfalt sind entscheidend für den Erhalt der Medienförderung“. Oder: „Weiterentwicklung der bestehenden Förderkriterien durch u.a. Aufnahme eines Redaktionsstatus als Grundvoraussetzung“ – Dissens FPÖ. Ein Redakteursstatut regelt die Rechte der Redakteure und die Freiheit des Journalisten – sorgt in der Regel auch für eine strikte Trennung zwischen Geschäftsinteressen und Redaktion. Warum sollte man das nicht wollen? Was ist schlecht daran?

Die FPÖ hat ihr eigenes Medienuniversum, dessen Finanzierung undurchsichtig ist, deren Arbeit nicht auf klaren, journalistischen Kriterien beruht. Hier wird Großteils Parteipropaganda gemacht und kein Journalismus. Oder haben Sie auf AUF1, FPÖ-TV, unzensuriert oder einer dieser anderen „Plattformen“ jemals ein kritisches Wort gegenüber den Blauen gelesen? Eher nicht. Nicht falsch verstehen: Auch „Parteimedien“ haben ein Existenzrecht – aber sie sollten klar als solche ausgewiesen sein und sich zumindest bemühen, Fakten als solche darzustellen.

Die FPÖ baut seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt an ihrem eigenen Medienuniversum, um sich dem kritischen Blick von professionellen Medien nicht mehr aussetzen zu müssen. Die FPÖ hat sich auch schon lange davon verabschiedet, sich mit professionellen Medien überhaupt groß auseinanderzusetzen – Anfragen werden nicht oder kaum beantwortet. Medien wie profil werden von Pressekonferenzen ausgeladen  - oder beschimpft, wie vom Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Der hat den „Standard“ zuletzt als „Scheißblatt“ bezeichnet. Oder aber man lässt Medien von seinen eigenen Medien beschimpfen, unterstellt unlauteres Verhalten, verdreht Worte und Narrative, spricht abschätzig von „Systemmedien“. Die FPÖ braucht und will etablierte Medien nicht – die anderen Parteien, die doch Großteils noch auf der staatstragenden Seite stehen, aber schon. 

Die etablierten Medien sind noch immer der seriöseste Kommunikationskanal für die Politik. Und sie sorgen mit dem Aufdecken von Missständen immer wieder dafür, dass in Staat und Privatwirtschaft bedenkliche Entwicklungen (und Geldverschwendung) abgestellt werden. Medienvielfalt ist wichtig, damit möglichst oft der Geschmack von Menschen getroffen wird und sie ein Medium ihres Vertrauens finden, wo sie sich informieren. Wird ein Kanzler Herbert Kickl das wirklich fördern? 

Aktenzitierverbote

Zurück zum Verhandlungspapier, in einem Punkt gab es ausnahmsweise große Zustimmung: Für Medien hat man sich gleich noch etwas einfallen lassen – es läuft unter „Stärkung der Beschuldigtenrechte“, das ist beiden Parteien, die große Korruptionsermittlungen mit entsprechender Berichterstattung hinter und vor sich haben, offenbar ein besonders großes Anliegen: „Stärkung der Beschuldigtenrechte und der unbeeinflussten Rechtsprechung durch konsequente und verhältnismäßige Regelung der Verdachtsberichterstattung und Beschränkung der Möglichkeit des direkten Zitats aus Ermittlungsakten im Sinne der EMRK“. Heißt also: Man will das viel besprochene Aktenzitierverbot, von dem die ÖVP zuletzt gesagt hatte, man werde darauf verzichten. Und wer weiß, was sonst noch. Der Passus ist so allgemein gehalten, dass daraus etliche Verbote hervorgehen könnten. Und da gab es schon die wildesten Ideen – zum Beispiel, Journalisten direkt als Privatpersonen strafrechtlich zu belangen, anstatt etwaige Prozesse mit den Medienhäusern auszufechten. Das würde eine massive Einschüchterung und Einschränkung der journalistischen Freiheit bedeuten. 

Österreich ist in den vergangenen Jahren im Index der Pressefreiheit stetig nach unten gepurzelt – es ist zu bezweifeln, dass derartige Maßnahmen dazu führen, dass wir uns wieder auf den Spitzenplätzen befinden. 

 

 

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.