Völker, stört die Signale!
Die Kommunikationsguerilla ist eine Form des politischen Aktivismus, die sich auf originelle und ungewöhnliche Weise mit Kommunikations- und Medienfragen beschäftigt. Dabei werden Kommunikationsmittel und -strategien taktisch eingesetzt, wie beispielsweise Plakate, Graffiti, Flashmobs, Protestaktionen oder subversive Kampagnen. Oftmals kommen humorvolle oder ironische Elemente zum Einsatz, um das öffentliche Interesse zu wecken und die Wahrnehmung bestimmter Themen zu beeinflussen.
Ich selbst bin mit solcherlei Formen kreativer Wider-ständigkeit quasi groß geworden, und sie prägten meine eigenen künstlerischen Outputs bei der Kunst- und Diskursneigungsgruppe monochrom, die ich in Anlehnung an social engineering und Info-Security dann einfach „context hacking“ getauft habe.
Aber egal, wie wir es nennen: Es ist eine formidable Form der Vermengung und Verschaltung von Politik und Ästhetik; eine aktivistische Praxis, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann, und eine Herangehensweise, die ihren Ursprung in der Kultur- und Subkulturgeschichte der politischen Linken hat. Gleichzeitig ist sie natürlich ideologieneutral und wird von vielen Gruppierungen und Bewegungen genutzt. Die Bandbreite könnte nicht größer sein: Künstler wie die Yes Men zählen genauso dazu wie die Forschungsgemeinschaft für Klimakleberei oder die narrischen Fascho-Schwammerl von QAnon.
Es lodert deswegen auch Kritik, von lechts und rinks. Das wäre doch nur „symbolische Politik“ und damit elitärer Dung. Den „wirklich Unterdrückten“ würde eine Aktion auf TikTok oder in einer Shoppingmall doch nichts bringen. Diese Leute hätten doch andere Sorgen und gar nicht das Privileg, sich überhaupt über solche Termini Gedanken machen zu können. Alles bloß bourgeoiser Luxus-Widerstand ohne Outcome.
Aber so einfach lass ich mir den Begriff nicht kaputtdifferenzieren: Was hier nämlich als rhetorischer Kniff angewandt wird, ist die Abgrenzung zur sogenannten „wirklichen Politik“ (was auch immer das sein möge), und Freund:innen dieser Demarkationslinie verkennen die gewitterwolkenfarbige Gegenwart des globalen Kapitals. Mit dem Postfordismus hat sich die Logik des Produktionsprozesses verändert. Natürlich, es gibt immer noch Fabriken und Sweatshops, und mehr denn je. Diese Produktionsstätten wandern, von Standortfaktoren und Devisenkursen getrieben, von einem Nationalstaat in den anderen und landen deswegen natürlich gerne in der mit kolonialem Blick oft sogenannten Dritten Welt. Aber es darf nicht vergessen werden, dass im Zentrum der Produktionslogik nicht mehr nur das Fließband steht. Diesen Platz nimmt vermehrt „immaterielle“ oder „mentale Arbeit“ ein. Und diese Arbeit leisten wir alle, freiwillig, täglich. 24/7.
Der Mehrwert eines Nike-Turnschuhs wird nicht nur im Sweatshop produziert. Der Sneaker-Mehrwert multipliziert sich in den Styles, die Jugendsubkulturen auf der Straße hervorbringen und die in den PR-Abteilungen von Nike in vermarktbare Lifestyles umgesetzt werden. Die Arbeit, die den Turnschuh zum Lebensstil macht und damit seinen Mehrwert signifikant erhöht, findet nicht nur in Marketingabteilungen statt, sondern im Alltag der Subjekte. Und diese Subjekte sind wir.
Die neuen Hackler und Hacklerinnen produzieren Bilder und Symbole und Wissen und Zusammenhänge. Sie schaffen Memes und Content, Netzwerke und Communities. Und hier beginnt der symbolische Widerstand realer Widerstand zu werden, proletarische Genossinnen und Genossen der Telearbeitsklasse. Der Mehrwert eines Nike-Turnschuhs wird nicht nur im Sweatshop produziert. Der Sneaker-Mehrwert multipliziert sich in den Styles, die Jugendsubkulturen auf der Straße hervorbringen und die in den PR-Abteilungen von Nike in vermarktbare Lifestyles umgesetzt werden. Die Arbeit, die den Turnschuh zum Lebensstil macht und damit seinen Mehrwert signifikant erhöht, findet nicht nur in Marketingabteilungen statt, sondern im Alltag der Subjekte. Und diese Subjekte sind wir. Wir alle schaffen täglich auf YouTube, Insta, auf Twitter immaterielle Produkte, die als Codes oder Konzept oder vermarktbare Distinktion unmittelbar in den Produktionsprozess eingehen. Unsere alltäglichen Praktiken, unser Wissen um Zeichen wird unmittelbar zu einer Ressource im Produktionsprozess: eine Arbeit, die nicht bezahlt wird. Diese Produktionsweise – die sich um die Konstitution kollektiver Subjektivitäten dreht – hat Yann Moulier Boutang als „kognitiven Kapitalismus“ beschrieben. Wissen und Information nehmen eine zentrale Stelle ein, und das macht immaterielle Werte wie Kreativität zunehmend wichtig für die Schaffung von Wohlstand und Gewinn. Das hat auch Konsequenzen für die Organisation von Arbeit und Arbeitsverhältnissen, da die Produktion von immateriellen Werten nicht durch die gleichen Prozesse und Strukturen erfolgt wie die Produktion von materiellen Werten. Dies schafft neue Formen der Ausbeutung und Kontrolle, da Wissen und Fähigkeit zu einem unersetzbaren Teil der Kapitalakkumulation wird.
Und damit ist Kommunikationsguerilla, also die widerständische, subversive Politik der Zeichen, nicht nur amüsantes Unterhalten, sondern eine handfeste Intervention im Zentrum des Produktionsprozesses: Völker, stört die Signale! Hoch die internationale Konnektivität!