Warum das Burgenland anders ist
Im Staate Österreich ist politisch im vergangenen Jahr so einiges gekippt – vorwiegend nach rechts: Auf EU-Ebene, auf Bundesebene und zuletzt in der Steiermark. Im Burgenland wurde diesen Sonntag gewählt – und obwohl vorab spekuliert wurde, dass auch hier die Blauen in der nächsten Legislaturperiode den Landeshauptmann stellen könnten, wird das nicht passieren. Die FPÖ hat mit Norbert Hofer einen äußerst starken Kandidaten ins Rennen geschickt, aber am Ende hielten die Wähler ihrem SPÖ-Landeshauptmann die Treue. Hans Peter Doskozil hat leichten Verlusten die Wahl gewonnen, seine Macht ist nicht mehr absolut – aber immer noch groß, er kann sich den Koalitionspartner aussuchen und hat damit alle Trümpfe in der Hand. Was funktioniert an der SPÖ-Burgenland, was in anderen Ländern offenbar erodiert ist? Warum schafft es die Sozialdemokratie hier weiterhin eine breite Mehrheit hinter sich zu versammeln, obwohl sie sonst überall Federn lassen muss?
Vorweg: Hans Peter Doskozil liebt oder hasst man – egal ist er aber niemandem. Vor allem in der eigenen Partei polarisiert er wie kaum ein anderer. Bei den Babler-Fans gilt er als Querulant, der dauernd aus dem Off meckert. Bei seinen Fans als möglicher Heilsbringer für eine zerrüttete Partei. Die beiden Lager liegen etwa 50:50 wie der letzte Parteitag gezeigt hat, der Doskozil kurz zum Parteichef machte, bis man draufkam, dass man sich verzählt hatte. Auch eine Glanzleistung, die in die Geschichtsbücher einging.
Die Politik der SPÖ-Burgenland ist tatsächlich ungewöhnlich: Doskozil war einer der Ersten, der einen harten Migrationskurs forderte – er war dafür in seinen eigenen Reihen verpönt, nun geht die Sozialdemokratie in dieser Frage selbst immer weiter nach rechts. Und zwar im Übrigen so weit, dass die SPÖ zuletzt bei den geplatzten Koalitionsverhandlungen offenbar einem Kopftuchverbot zugestimmt hat, wie die profil vorliegenden Protokolle zeigen. Im Burgenland wurde ein Mindestlohn für Landesbedienstete eingeführt – an der Gewerkschaft vorbei, die es nicht so toll findet, dass man sie jetzt zum Verhandeln offenbar nicht mehr braucht. Das Land butterte viel Geld in den Ausbau von erneuerbaren Energien und Windrädern. Für Pflegende Angehörige wurde eine Agentur gegründet, sie wurden dort angestellt und damit aus dem Prekariat herausgeholt. Dieses Modell wurde mittlerweile auch von anderen Bundesländern kopiert. Die Landesholding beteiligt sich an ungewöhnlichen Unternehmen wie Flugsimulatoren, einer Art Heiratsagentur oder einer Therme. Kritiker sagen, das Land übernehme zu viele Aufgaben, die Privaten vorenthalten werden sollten – Fans meinen, warum nicht auch so Geld verdienen. Der Landesrechnungshof findet, man gebe durchaus etwas zu großzügig Mittel aus und generiere recht hohe Schulden. Doskozil lässt sich dadurch nicht beeindrucken und geht seinen Weg weiter.
In Österreich hallt in der Politik stets der Ruf der Veränderung, der Reform, des Neuanfangs – siehe Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene. Oft sind das aber nur leere Worte, die Beharrungskräfte riesig, und es tut sich jahrzehntelang wenig bis nichts. Stichworte: Gesundheitssystem, Pensionsreform, Bildungssystem. Das Burgenland hat einen Landeshauptmann, der zumindest tut – vielleicht auch nicht immer das Richtige, aber er probiert aus und das durchaus mit Mut. Auch das unterscheidet ihn vom Gros der Politiker in diesem Land. Darum regt er auf, darum bekommt er Aufmerksamkeit auch über die Landesgrenzen hinaus. Ein Beispiel (ich entschuldige mich an dieser Stelle gleich bei meinen burgenländischen Leserinnen und Lesern): Man sollte glauben, dass so eine Landtagswahl von einem Zwergenbundesland mit etwa 250.000 Einwohnern nicht auf Besonderes nationalen Interesse stoßen würde. Mitnichten. Die ORF-Elefantenrunde hatte mehr als eine halbe Million Zuseher, also doppelt so viele wie das Burgenland Einwohner. Sowas hat man bei einer Landtagswahl auch selten gesehen.
Was Doskozil tut, das regt auf, das provoziert, aber offenbar kommt er mit seiner Politik an. Laut einer vom ORF in Auftrag gegebenen Umfrage sieht man die Entwicklung des Burgenlandes seit der letzten Wahl als vorwiegend positiv – und auch das ist beachtlich, auf Bundesebene und in vielen anderen Ländern grassiert die Unzufriedenheit, beides ist kein unwesentlicher Erfolgsfaktor der FPÖ. Sicherheit, Zuversicht und Hoffnung – das ist es aber, was die Menschen suchen und was sie antreibt. Bei aller Kritik, die man am Haudegen Doskozil üben kann, da hat er offenbar den Nerv des geneigten Wählers getroffen und ließ sich nicht von rechts von der FPÖ überholen. Wenn also allerorts Rezepte gegen eine erstarkende FPÖ gefunden werden, vielleicht kann man sich hier etwas abschauen: Etwa, dass es doch Sinn macht, seiner Linie treu zu bleiben. Wenn man es nicht tut, wird das vom Wähler abgestraft. Die ÖVP fuhr bei dieser Wahl übrigens das schlechteste Ergebnis seit 1945 ein.