Was dürfen Trump, Merz und Kickl?
Donald Trump ist gewählter Präsident, aber er agiert wie ein Revolutionär bei der Erstürmung der Bastille. Seit Amtsantritt überflutet er das Land mit Anordnungen, und allein die schiere Menge soll seine Gegner überfordern und außer Gefecht setzen. Auch dass er dabei gegen eine Unzahl von Regeln und Gesetzen verstößt, ist beabsichtigt. Der Präsident entlässt hohe Beamte und verstößt dabei gegen das Prozedere. Er entzieht in den USA geborenen Kindern von Migranten das Recht auf die Staatsbürgerschaft und verstößt damit gegen die Verfassung. Er stoppt die Auszahlung aller staatlichen Förderungen und verstößt so gegen vom Kongress beschlossene Gesetze. All das unterstreicht in den Augen seiner Anhänger den rebellischen Charakter seiner Politik und macht es zugleich der Opposition geradezu unmöglich, jeden einzelnen Rechtsbruch anzuprangern. (Ebenso wie es aussichtslos ist, hier auch nur annähernd die bedeutendsten Vorfälle aufzulisten.) Widerrechtliche Anordnungen entfalten ihre Wirkung, lange bevor ein Gericht sie aufheben kann.
So weit die Taktik. Viel bedeutsamer ist die Ideologie, die hinter dem absichtsvollen Bruch der Gesetze steht. Trump behauptet, er habe durch seine Wahl vom Volk ein Mandat dazu erhalten, dessen Willen durchzusetzen. Einer der wichtigsten Aufträge, die der Präsident aus seinem Wahlsieg ableitet, ist es, illegale Migranten außer Landes zu bringen. Er und alle Organe des Staates seien diesem Ziel verpflichtet – und nichts könne sie daran hindern.
Das ist illegal, sagt das Gesetz. So will es das Volk, sagt Trump.
Trump kündigt etwa an, 30.000 „kriminelle, illegale Ausländer“ in Lagern auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba internieren zu wollen. Gleichzeitig unterzeichnete er ein Gesetz, wonach Migranten inhaftiert werden sollen, die bestimmter Straftaten beschuldigt werden – darunter neben Gewaltverbrechen auch Ladendiebstahl.
All das läuft auf massenhafte Lagerhaft einer Bevölkerungsgruppe hinaus, der zudem das Recht auf ein faires Strafverfahren vorenthalten würde. Genau dafür stehen die Lager auf Guantánamo, seit dort nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 Terrorverdächtige ohne Strafverfahren auf unbestimmte Zeit eingesperrt wurden.
Das ist illegal, sagt das Gesetz. So will es das Volk, sagt Trump.
Es gibt ein historisches Beispiel für die Lagerhaft einer Bevölkerungsgruppe, die als gefährlich angesehen wird: Während des Zweiten Weltkrieges wurden mehr als 100.000 japanisch-stämmige Amerikaner (teils mit, teils ohne US-Staatsbürgerschaft) in Internierungslager gezwungen. Man misstraute der „gelben Gefahr“, nachdem Japan im Dezember 1941 die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor angegriffen hatte. Möglich gemacht wurde die Haft durch eine Executive Order von Präsident Franklin D. Roosevelt.
Es war eine historische Schande für die USA. 1988, unter Präsident Ronald Reagan, sprach ein Gesetz jedem noch lebenden ehemaligen Internierten 20.000 Dollar als Wiedergutmachung zu. Außerdem sollte der Civil Liberties Act von 1988 „vor zukünftigen Verstößen gegen bürgerliche Freiheiten abschrecken“.
In der derzeitigen politischen Stimmung gelten Gesetze, die Migranten Rechte einräumen, als Ärgernis. Nicht nur Donald Trump will sich unter dem Beifall eines großen Teils der Öffentlichkeit über derlei Paragrafen hinwegsetzen. Auch CDU-Chef Friedrich Merz will nach eigenen Worten „all in“ gehen und brachte vergangene Woche im Bundestag einen Antrag ein, demgemäß ausreisepflichtige Migranten inhaftiert werden sollen (siehe Artikel S. 36) Dies und der Vorschlag, künftig an der Grenze keinen Asylantrag mehr entgegenzunehmen, widersprechen europäischem Recht. Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte im Wahlkampf mit den Worten „Wir werden das einfach machen“ angekündigt, entgegen rechtlichen Verpflichtungen „keinen einzigen neuen Asylantrag“ mehr zu akzeptieren.
Wie weit soll man gehen, um die Bevölkerung vor Verbrechen von Migranten zu schützen? Das ist eine der heikelsten Fragen unserer Zeit. Politiker wähnen sich im Recht, wenn sie den Volkszorn über die Gesetze stellen. Aber Inhaftierung ohne rechtmäßiges Verfahren, ohne Urteil und ohne zeitliches Limit kann niemals rechtens sein, egal wie das Volk fühlt.
Für solche Maßnahmen werden nachfolgende Generationen um Entschuldigung bitten.