Gastkommentar

Was Lehrer lernen sollten

Eine neue Regierung, wie auch immer sie aussieht, muss im Bildungsbereich die Lehramtsausbildung auf der Agenda haben, fordert Erziehungswissenschaftler, Stephan Schweighofer, im profil-Gastkommentar.

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Die Erwartungen an Schule sind hoch: Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur Grundfertigkeiten wie lesen, rechnen, schreiben erlernen, sondern Zusammenhänge verstehen, kritisch denken, mit anderen kooperieren, Gedanken und Gefühle artikulieren, sich als Teil einer demokratischen Gesellschaft begreifen. Die Schule soll außerdem ein Ort der Neugier, Freude und Sicherheit sein, an dem Kinder und Jugendliche gemäß ihrer individuellen Begabungen maximal gefördert werden. Ja, Schule soll viel für eine moderne Gesellschaft leisten. Dafür brauchen Lehrende aber auch eine entsprechende Ausbildung. Das vergessen wir in der Bildungsdebatte leider viel zu oft.

Eine neue Regierung, wie auch immer sie aussieht, muss im Bildungsbereich die Lehramtsausbildung auf der Agenda haben. Denn derzeit werden junge Lehrpersonen ins schulische Schneegestöber geschickt und täglich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, für die sie nicht genügend pädagogisches Rüstzeug besitzen.

Auf sie rollt im Lehramtsstudium eine Lawine an Fachwissen zu – ein Biotechnologiekurs hier, ein Seminar zu literarischen Briefen des 18. Jahrhunderts da, eines zur Geschichte des Siedlungskolonialismus des 17. Jahrhunderts dort. Alles interessant. Aber auch entscheidend in einer städtischen Mittelschulklasse voller 13-Jähriger? Was bräuchte es dort dringender: Lehrkräfte, die Wesensveränderungen bei Kindern bemerken, kompetent damit umgehen und entsprechend reagieren können? Oder Lehrkräfte, die fließend Mittelhochdeutsch sprechen?

Zeit der Fachtheoretiker vorbei

Das Gewicht im Lehramtsstudium sollte zwischen Fachwissen und pädagogisch-didaktischen Inhalten ausgewogen sein. Denn in jeder Schule müssen Lehrer neben dem Lernbegleiter immer mehr auch Sozialarbeiter, Psychologe, Projektmanager und Führungskraft sein. Die Zeiten des Lehrers als profunder Fachtheoretiker sind längst vorbei – auch wenn die Hochschulen dies oft nicht wahrhaben wollen. In der bereits beschlossenen Studienreform wird die pädagogische Ausbildung im Bachelor um 70 Prozent reduziert. Es werden also ausgerechnet pädagogische sowie auch didaktische Grundlagen drastisch reduziert, die jedoch von allen Lehramtsstudenten so dringend benötigt werden. Man nimmt ihnen also Stöcke und Helm weg und schickt sie die schwarze Piste hinunter.

In einem so heterogenen Arbeitsumfeld wie Schule, mit allen erdenklichen kulturellen, religiösen und sozialen Hintergründen, braucht es vor allem eines: soziale Kompetenz. Zukünftige Lehrende müssen bereits im Studium auf unterschiedlichste Problemstellungen sensibilisiert werden. Was tue ich bei psychischen und physischen Auffälligkeiten? Wie löse ich Konflikte? Wie schaffe ich ein gedeihliches Klassenklima? Wie kann ich Eltern bestmöglich miteinbeziehen? Wie fördere ich die emotionale und soziale Entwicklung der Lernenden?

Lehren, studieren, wenig reflektieren

Medizinstudierende trainieren ihre sozialen Skills mittlerweile in interaktiven Kursen mit Schauspielpatienten. Solch eine Trainingsumgebung würde man auch Lehramtsstudierenden wünschen. Stattdessen stehen sie oft bereits während des Studiums als Vertragslehrer im Klassenzimmer. Bei 300 Schülerinnen und Schülern, die jede Woche auf Augenhöhe kompetent betreut werden wollen, und dem eigenen Studienpensum bleibt dann keine Zeit für Reflexion. Dies entschärft zwar kurzfristig den Lehrermangel, schadet aber dem Aufbau der nötigen Stärke und Resilienz, um den Job möglichst lange ausüben zu können.

Die Förderung einer demokratischen Gesellschaftsordnung, das Begreifen von Pluralismus und Heterogenität als strategischen Lernvorteil, kompetente Elternarbeit, Räume für Super- und Intervision, adäquate Dokumentation und Beurteilung von Lernfortschritten, Problemlösungs- und Managementkompetenz – all das und mehr müssen Pädagoginnen und Pädagogen in spe in ihrer Ausbildung ausreichend geboten bekommen. Keine Frage, auch die bildungswissenschaftliche Lehre selbst hat diesbezüglich Aufholbedarf. Dabei kann und muss etwa auch der Austausch zwischen Schule und Hochschule ein zentraler Dreh- und Angelpunkt werden, wenn es um Bedarfsorientierung, inhaltliche Abstimmung und maßgeschneiderte Unterstützung von Junglehrerinnen und Lehrer geht. Denn gerade im Lehramtsbereich dürfen diese beiden Institutionen nicht getrennt voneinander agieren. 

Ohne Bildung ist alles nichts, aber ohne gute Ausbildung des Lehrpersonals ist alle Bildung nichts.

Zur Person

Stephan Schweighofer ist Erziehungswissenschaftler an der Universität Salzburg und unterrichtet angehende Lehrerinnen und Lehrer. Zudem ist er Lehrer an der HTL Trenkwalderstraße in Innsbruck.